Geil – das ist nicht erst seit 1986 „Germanys most successful word“, wie das britisches Popduo „Bruce & Bongo“ in ihrem Nr. 1-Hit einmal feststellte, und damit eine Diskussion in der deutschen Radioszene auslöste. Das Lied galt damals noch als anstößig und der Bayerische Rundfunk sowie einige Fernsehsender boykottierten die Single sogar, weil der Text „zu obszön“ klang. Auch Thomas Gottschalk, der damals noch bei BAYERN 3 moderierte, hatte „Bruce & Bongo“ aus diesem Grund wieder von einem Termin ausgeladen. Die Platte befand sogar sich kurzzeitig auf der Liste der jugendgefährdenden Medien.
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Über 30 Jahre später ist „Geil“ noch immer eines der häufigsten benutzten Wörter in quasi allen Bevölkerungsschichten im deutschsprachigen Raum – allerdings spielt die ursprüngliche Bedeutung (lt. Duden „oft abwertend – gierig nach geschlechtlicher Befriedigung, sexuell erregt) heute fast keine große Rolle mehr. (Die Priorisierung im Duden sollte vielleicht auch von Platz 1 auf Platz 3 rutschen). So hat das Wort schon vor vielen Jahren – ohne #Aufschrei – die Musikindustrie (vor allem bei Ballermann-CD-Samplern) und die Werbebranche erreicht, wobei vor allem Saturn das Wort gesellschaftsfähig gemacht und Edeka weiterentwickelt hat zu „Supergeil“:
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Auch auf den Plakaten und Webseiten deutscher Radiosender taucht „geil“ quasi als etablierter Begriff schon oft auf, für den es eigentlich kein adäquates Synonym gibt, der Duden schlägt übrigens vor: „schön, gut, großartig, toll“. Vor der Verwendung von „Geil“ schrecken daher auch öffentlich-rechtliche Radiosender längst nicht mehr zurück, wie diese beiden Plakate vom Hessischen Rundfunk zeigen:
Umso erstaunlicher, dass das Wörtchen Geil es bisher noch nicht geschafft hatte, als millionenfach wiederholter Claim im Radio aufzutauchen. Seit Herbst 2017 aber ist auch dieser Bann gebrochen. Das meistgehörte österreichische Privatradio KRONEHIT wechselte nach über 10 Jahren den Superlativ-Slogan „Wir sind die meiste Musik“ gegen den Komperativ-Satz „Mehr geile Hits“ aus – und das konsequent in der gesamten Verpackung inkl. gesungenen Jingles und auf allen Plakaten.
Im englischen Sprachraum gibt es zuweilen Verwunderung darüber, wenn z.B. Google Translate „more horny hits“ ausspuckt. Besser würde sicher „awesome“ passen, das sogar von jüngeren Zielgruppen in sozialen Medien jetzt immer öfter statt geil verwendet wird:
Die Frage ist jetzt nur noch: wann man hört auch im deutschen Radio Slogans wie „die geilsten Hits der 90er, 00er und von heute“, „Die geilsten Hits aller Zeiten“ oder „Geile Hits im besten Mix“?
Update:
planet radio in Hessen wirbt nun auch mit dem (noch immer doppeldeutigen) Wort „geil“ und mit absichtlicher Verwechslungsgefahr: