RADIOSZENE INTERVIEW mit Sven Herzog (Radio Trier)
RADIOSZENE: Sven Herzog, die Radioszene nimmt Sie zur Zeit als einen der wenigen Pionieren in der deutschen Lokalradioszene wahr: unabhängig von großen Verlagen haben Sie sich mit einer kleinen Lokalfrequenz in Trier einen Namen gemacht und Ihren Sender „Radio 22“ schon zur echten Marke. Inzwischen haben Sie schon mit einer Reihe von Frequenzen eine kleines Lokalradio-Network aufgebaut. Und sie expandieren weiter, während in anderen Bundesländern wie Bayern neue Pleiten drohen. Irgendwas müssen Sie richtig machen, oder machen die anderen was falsch?
Sven Herzog: Wir strengen uns einfach mehr an. Das Geld liegt auf der Straße. Bei 720 erlaubten Werbesekunden pro Stunde und einer Auslastung von nur 50% kann man bei 1 Euro pro Sekunde schon weit über 100.000 Euro pro Monat erwirtschaften. Sponsoring und Events noch gar nicht hinzugerechnet. Das sind über 1 Millionen Euro im Jahr.
Wenn man jetzt auch noch höhere Preise annimmt und eine höhere Auslastung, dann kann man schon von einer Goldgrube sprechen. Aber so einfach ist es dann doch wieder nicht. Man braucht nur:
– Ein tolles Programm
– 14 Stunden tägliche Moderation
– Eine bekannte Radio Marke
– Mindestens 12 festangestellte Vertriebsmitarbeiter
– Eine perfekte Buchhaltung
– Eine funktionierende EDV
– Erfahrung in Marketing und Vertrieb
– Und und und…
Es gibt in der Lokalvermarktung eine goldene Regel. Kontakte, Kontakte, Kontakte. Wer keine Kontakte macht hat verloren. Dabei gilt, dass jeder Vertriebsmitarbeiter mindestens 20 Kontakte täglich haben muß. Dies kann auch per Telefon geschehen.
Und – die Kunden schätzen, wenn jemand Ideen mitbringt. Die Frage nach wieviel Sekunden und ob der Spot schon da ist, kann man sich getrost schenken. Als Lokalsender muß man Kreativ-, Media- und Eventagentur in einem sein.
Das Portfolio muß enorm groß sein. Die Kunden erwarten einfach, dass man Veranstaltungen, Events und Spots so einfach aus dem Ärmel schüttelt. Man braucht Kontakte zu Caterern, zu Eventgirls, Bühnenbauern usw. Und alles muß und kann günstig weitergegeben werden – denn Geld verdienen muß man nur mit den Werbesekunden.
Ein Beispiel: Ein lokales Warenhaus feiert ein rundes Jubiläum – hat aber nur eine kleine Summe, will aber eine Bühne, Live-Takes, Spots, Off-Air-Moderation und und und.
Die Lösung: Man nehme 5 weitere große Kunden und integriere diese in die Veranstaltung. Das Budget ist somit fast verfünffacht. Man muß eben nur die richtigen Leute kennen, die einem Vertrauen schenken, ein Konzept ausarbeiten und es anderen Werbekunden als eine Art Kollektiv anbieten. Eine Riesenarbeit – funktioniert aber.
Ab und zu kommt dann auch mal ein Riesenauftrag rein. Ohne viel Arbeit – da freut man sich um so mehr.
RADIOSZENE: Woher kommt eigentlich der Name „Radio 22“ und warum wurde er kürzlich wieder geändert in den ursprünglich lizensierten Namen Radio Trier?
Sven Herzog: Mit 12 durfte ich als junger Funkamateur (danach DK2WG) den VHF Sender TRIER vom ZDF besichtigen. Ich war damals stark beeindruckt von einem Besuch des Fernsehsenders, der auf Kanal 22 sendete. Und wenn man einen Namen sucht, für ein Programm, dass auf DAB in ganz RLP zu hören sein wird, kann man es nicht Radio TRIER nennen. Nun, DAB hat sich zur Energie in Wärmeumwandlungseinheit (Heizung) ohne nennenswerten Nutzeffekt entwickelt. Und ich glaube es hat sich sogar mal ein Hörer bei uns gemeldet. Aus „HitRadio Trier 22“ wurde nun wieder das „Regional-Radio Trier“. Dies hatten wir immer schon vor, ist in unserem Firmennamen und auf allen Geschäftspapieren schon fester Bestandteil der Firma, jedoch konnten wir den Plan von Anfang an aus verschiedenen Gründen nicht umsetzen. Die Verpackung, die On-Air Ansprache und der Webauftritt ist bereits geändert, die Außenwerbung und andere Werbemittel werden in Kürze geändert. Übrigens, das Programm hat sich nicht verändert: eine erfolgreiche Hit-Mischung aus SWR3, RPR1, bigfm und dasding.
RADIOSZENE: Bisher einmalig in der deutschen Radioszene gab es laut der Tageszeitung „Trierischer Volksfreund“ vor einigen Wochen eine Betriebs-Spionageaffaire bei Radio TRIER 22. Was genau hat sich da zugetragen?
Sven Herzog: Nun ja, eines Tages stand einer meiner Moderatoren vor mir und wusste nicht so genau, wie er mir etwas sagen sollte. Wir gingen in die Kaffeeküche und er erzählte mir, dass er von einem ehemaligen Mitarbeiter von Radio TRIER 22 angesprochen worden wäre. Er solle gegen 500 Euro Kopien der Bilanzen und Kundenlisten für einen anderen Privatsender in Trier „besorgen“. Man wolle laut Aussage des Anstifters dort sehen, was Radio TRIER genau verdient und wie die Bilanz aussieht.
Nur zum Schein ist dann der Moderator auf die Geschichte eingegangen. Wir haben die Kripo informiert und die haben dann bei der getürkten Übergabe – spannenderweise auch noch auf dem Porta-Nigra Vorplatz in Trier, den Anstifter nebst den übergebenen Unterlagen festgenommen. Mit 4 Mann und Schusswaffen in Griffweite. Nach einer Durchsuchung wurde dann dieser Anstifter, der nach eigenen Aussagen im Auftrag eines anderen großen Privatsenders in Trier wieder freigelassen.
Dann hörten wir von der Sache monatelang nichts – bis auf einmal der Zeitungsartikel in der Tageszeitung auf Seite 1 stand. Der Verkaufsleiter des konkurrierenden Senders und der ehemalige Mitarbeiter von Radio TRIER 22, der nun nach eigenen Angaben für den konkurrierenden Sender arbeitet, wurden zu Geldstrafen in Höhe von mehreren tausend Euro verdonnert. Dagegen hatten beide Widerspruch eingelegt, so dass es am kommenden Dienstag zur Verhandlung kommt. Wir werden sehen.
Weitere Informationen dazu s.u. (Anmerkung der Redaktion)
RADIOSZENE: Hartnäckige Gerüchte sprechen jetzt von einer weiteren Expansion von Radio Trier nach Koblenz. Ist das was dran?
Sven Herzog: Wir teilen nur Ressourcen im Sinne eines Funkhauses. Vermarktung und Programmzulieferung. Die Vermarktung wird auch über die Werbe TRIER 22 GmbH laufen. Programm wird aus Koblenz gefahren. Hier stimmen wir uns eng ab mit unseren Radio Koblenz Gesellschaftern Stephan Schwenk, Olaf Hopp und dem Verein.
RADIOSZENE: Wie sehen Sie die Radioszene in Rheinland Pfalz in 5 Jahren?
Sven Herzog: Nun, in 5 Jahren könnte sich etwas entwickeln wie in den USA in einem vergleichbaren Flächenstaat. Viele Lokalradios – alle komplett lokal – ohne Mantel. Kreatives Marketing uvm. Ich denke, dass Lokalradios ohne Verlegeranteile in ein paar Jahren die besseren Chancen haben. Auch könnte es Schulungszentren für Marketing und Vertrieb geben.
RADIOSZENE: Herr Herzog, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.