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Viktor Lindner: Privatradio in Österreich

Viktor Lindner:

Privatradio in Österreich – Eine Betrachtung der Lage

Viktor LindnerRadio in Österreich – zumal Privatradio – ist ein schwieriges Thema. Österreich war eines der letzten europäischen Länder, das Privatfunk überhaupt zugelassen hatte.

Erzwungen worden war dies nicht zuletzt durch gerichtliche Auseinandersetzungen bis hin zum europäischen Gerichtshof. Bis zum heutigen Tage gibt es nur wenige österreichische Privatstationen, die schwarze Zahlen schreiben.

Einer der Pioniere, Viktor Lindner, hat jetzt eine Bilanz des österreichischen Privatradios gezogen. Lindner war derjenige, der das entscheidende Gerichtsurteil gegen die Republik Österreich erreichte. Wir bringen hier seinen Text im Original. Er gibt ausschließlich die Meinung des Autors wider. (Die Redaktion)

Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben

So beginnt ein Artikel im „Bestseller“, der Zeitschrift für Marketing, Werbung und Medien. Einige Tage später stellen die Inhaber von Krone und Kurier fest, dass sich die Beteiligung an Privatradio nicht rechnet – und wollen aussteigen.

Ich war der erste Kämpfer für die Zulassung von Privatradio in Österreich. Um den Rechtsweg bei Ablehnung unserer Genehmigungsansuchen beschreiten zu können, musste ich dafür ein Privatradio gründen. Es war Radio Melody in Salzburg; jetzt Antenne Salzburg. Unserem Begehren schlossen sich noch andere Kläger an. Der österreichische Verfassungsgerichtshof wies unsere Verfassungsbeschwerde ab. Mit der tiefsinnigen Begründung: „Wegen voraussichtlicher Erfolglosigkeit wird die Beschwerde von Radio Melody erst gar nicht behandelt“. Damit war aber der Weg zum Europäischen Gerichtshof in Straßburg frei. Wir gewannen in Straßburg und hatten dadurch den Weg für das österreichische Privatradio freigemacht. Dem war aber ein 10 Jahre langer, harter Kampf voraus gegangen.

Ich nahm an Diskussionen teil, veranstaltete selbst welche, ich hielt Vorträge (unter anderem bei der Industriellenvereinigung) und vernachlässigte durch all diese Aktivitäten meine berufliche Tätigkeit in der Werbung. Das brachte auch finanzielle Verluste mit sich. Aber die Genugtuung dieses Sieges gegen den ORF, die Parteien, den österreichischen Staat war grösser. Wenn Naive geglaubt hatten nun wäre alles eitel Wonne, haben sie sich gründlichst geirrt. Unsere Politiker – der ORF war damals von der SPÖ durchdrungen – tüftelten mit der ORF Spitze ein Gesetz aus, welches ausschliesslich zu Gunsten des ORF gemacht wurde. Um kein österreichweites, also nationales Privatradio zu ermöglichen, wurde nur ein Regionalradiogesetz konstruiert. Dadurch machte man das Öffentlich-Rechtliche Ö3 zum Monopolisten.

Der ORF deckt ja mit seinen 4 Radioprogrammen alle Hörerschichten ab.

Was der ORF mit seinen 4 Programmen abdecken kann, muss jedes private Regionalradio mit nur einem Programm zu erreichen versuchen. Die ungleichen Startbedingungen sowie der jahrzehntelange Vorsprung des ORF und der nach wie vor verfassungswidrige Zustand des Ö3 Monopols, machten den privaten Anbietern von Anfang an das Leben schwer. Die später noch zugelassenen Lokalradios waren keine Konkurrenz für den ORF, sie waren das eher für die Privaten.

Dieser von der Politik raffiniert eingefädelte Zustand und die unselige Einführung des Formatradios bei den Privaten selbst, war gewissermassen der Beginn des Unterganges der Privatradios.

Anstatt sich zu überlegen, wo die grössten Chancen für die regionalen Privatradios liegen könnten, stürzten sich alle auf das bundesweite Ö3.

Die Werbeagenturen spielten dabei auch eine unrühmliche Rolle; und sie tun das bis heute noch. Da wird eine werberelevante Zielgruppe von 14-49 Jahren erfunden, obwohl die Amerikaner nur ein 10+ kennen. Und wenn man schon behauptet, dass das Formatradio eigentlich aus Amerika kommt, dann muss bei der Umsetzung in Österreich aber auch Deutschland, wohl was schief gelaufen sein. Die amerikanischen Radios definieren sich nicht über Altersgrenzen sondern laut Billboard, über Musikarten. Wie beispielsweise TOP POP, COUNTRY, RHYTHM and BLUES und nicht zu vergessen ADULT CONTEMPORARY in seiner besten Bedeutung.

In Österreich hingegen unterliegt man heute noch dem Jugendwahn, obwohl nach einer neuen Untersuchung nur mehr 50% der Jugendlichen überhaupt Radio hören.

Nach einer mir vorliegenden Studie des Westdeutschen Rundfunks stimmt diese Klassifizierung 14–49 überhaupt nicht. Die Bevölkerungsentwicklung in Richtung älterer Menschen spricht ebenfalls dagegen. Was hat ein 14 Jähriger mit einem 49 jährigen Menschen gemeinsam? Was trennt einen 49 Jährigen von einem 51 jährigen? Dieses willkürliche Korsett 14–49 war der grösste Bärendienst, den man den Privatradios leisten konnte. Wenn man die vielen falschen Entscheidungen berücksichtigt, welche die privaten Radioveranstalter getroffen haben, braucht man sich über Not und Elend der Privatradios nicht zu wundern.

Wenn ein Herr Zimper, dessen KroneHit bei der letzten Radioanalyse Halbjahr 2003, Österreich gesamt, in der Tagesreichweite bei 10+ von 5.1 auf 4.4% sowie bei 14-49 von 7.2 auf 6.2 herabgewirtschaftet wurde, beim Marktanteil bei 10+ von mickrigen 3 auf 2% und bei 14-49 von ebenfalls mickrigen 4 auf 3% gesunken ist, müssten doch die Alarmglocken läuten. Und da getraut sich ein Herr Zimper noch zu sagen: „Wir sind auf dem richtigen Weg“. Nun, die Eigentümer scheinen den richtigen Schluss gezogen zu haben, nämlich Schluss zu machen.

Wenn das Salzburger Regionalradio Antenne Salzburg beim letzten Halbjahrestest 2003 in der Tagesreichweite bei 10+ von 13.9 auf 10.6% und bei 14-49 von 19.2 auf 14.6% sowie beim Marktanteil im gleichen Zeitraum bei 10+ von 10 auf 6% sowie bei den 14-49 jährigen von 12 auf 8% herabgesunken ist, müssten ebenfalls die Alarmglocken läuten. Nein, was tun die neuen Eigentümer Gebrüder Fellner: Sie beauftragen die Antenne Salzburg auch noch die Musik für ihre Antenne Wien zu machen.

Den Eigentümern scheint auch nicht der grosse Unterschied zwischen Tagesreichweite und Marktanteil aufzufallen. Da findet ja fast eine Halbierung statt. Das heisst nichts anderes, als dass die Hörer zwar einschalten, aber schnell wieder ab- bzw. wegschalten. Mit den bislang erreichten „Horrorzahlen“ ist es sicher schwer, Werbung für solche Radios zu bekommen.

Bei den Verantwortlichen der Privatradios und ihrem Vermarkter, der RMS, ist vieles ganz einfaches Wunschdenken. Da wird von Kombitarifen gefaselt, ohne auf den Kern der Sache einzugehen. Ein akzeptiertes Radioprogramm hat auch die notwendigen Hörer und bekommt dadurch auch Werbeaufträge – und nicht umgekehrt. Mit den bislang praktizierten Ansichten und Radioprogrammen bekommt man sicherlich nicht mehr Hörer und in weiterer Folge auch kein grösseres Stück vom Werbekuchen!

Wie viele Untersuchungen sind schon seit Einführung des Privatradios gemacht worden. Niemand hat anscheinend daraus seine Lehren gezogen, denn sonst könnten die Resultate nicht so miserabel sein.

Die wenigen Musiktitel, die dazu noch in einer penetranten Rotation von den Privatradios gespielt werden, tragen in erster Linie zur Verarmung der Musik bei.

Musik ist nichts Rationales, mit Verstand Erklärbares. Lassen Sie beispielsweise eine Deutschmeisterkapelle an Zuschauern vorbeimarschieren, dann werden Sie sehen was diese Musik bewegt. Das sollte nur als Beispiel dienen und keinesfalls eine Aufforderung an die Privatradios sein, Marschmusik zu spielen. Dass man Musik bei Kranken und auch bei Babys therapeutisch verwendet und sich damit Heilungsprozesse beschleunigen können, ist auch nicht mehr neu. (Sogar Ungeborene sprechen nach neuesten Forschungen auf Musik an.) Es muss nur die richtige und vor allem wohltuende Musik sein.

Zurück zu den Privatradios und ihrem Musikdilemma: Wo sind denn plötzlich, nach Zulassung der Privatradios, all die Musikfachleute hergekommen? Wie aus dem Nichts sind sie aufgetaucht, die Sebor’s und Konsorten. Woher hatten und haben sie ihr Musikwissen? Aus den Bravo Heften oder vielleicht aus dem Musikexpress?

Ich habe jedenfalls keinen kennengelernt, der auch nur ein Chartbuch, sei es aus den USA, aus Kanada, England, Deutschland, Österreich oder Italien gekannt hat. Ganz zu Schweigen vom Wissen um Originale und Coverversionen. Ein Musikredakteur sagte mir sogar: „Er mache die Musik aus dem Bauch heraus, also ohne Verstand“!

Als Debelah Morgan’s „Come Dance With Me“ aktuell war, wusste der Musikredakteur von Welle 1 in Salzburg nicht, dass es ein Original dieses Liedes aus dem Jahre 1952 gibt, welches in dem Broadway Musical „Pajama Game“ gesungen wurde. Und zwar von Carol Haney. Bekannt wurde es aber bei uns durch Archie Bleyer aus dem Jahr 1954. Das Lied hiess „Hernandos Hideaway“ und war ursprünglich als Tango konzipiert.

Wenn ein DJ Ötzi sein „Hey Baby“ herausbrüllt, wissen die wenigsten, dass dies eine Disco Version des Originals von Bruce Channel aus dem Jahr 1962 ist.

Wenn die Antenne Salzburg am Wochenende ihre Hits der „60er, 70er und 80er“ bringt und dann Titel aus den Fünfziger Jahren spielt wie z .B. „Green Door“ von Jim Lowe usw. dann muss man feststellen, dass viele Musikredakteure eben nur ein fragmentarisches Wissen über Popmusik haben und diese musikalischen Nobodies werden dann auch noch mit weiteres Aufgaben betraut; siehe Antenne Salzburg!

Aus diesem Nichtwissen folgt unweigerlich die Theorie, dass Privatradiohörer sowieso nur immer die gleichen Titel hören wollen. Und daher braucht man in der Rotation auch nicht mehr als 1000 bis maximal 4000 Titel. Von Fall zu Fall und von Radio zu Radio eben verschieden. Bei 20 Stunden Musik am Tag braucht man aber etwa 10.500 Titel, um sich ein Monat lang nicht wiederholen zu müssen und damit dem Hörer eine grösstmögliche Abwechslung zu bieten. Was ist aber nach einem Monat? Tauscht man dann die Titel untereinander aus? Dauerhörer eines Senders dürften auch das bemerken und dann aus Gründen einer willkommenen Abwechslung zum nächsten Anbieter schalten.

Bis jetzt sind die Privatradios aus vielerlei Gründen reine Geldvernichtungsanlagen – daher auch der Ausstieg von Krone und Kurier.

Auf einer LP von Peter Kreuder, einem berühmten deutschen Komponisten der Neuzeit, steht folgende Linernote: „Nicht nur Weltstars haben die von ihm komponierten Lieder und Schlager populär gemacht, sondern auch die Millionen von Menschen, die über Jahrzehnte diese Lieder nachsangen und pfiffen. Mit seiner Musik hat Kreuder Gene-rationen begeistert und glücklich gemacht. Viele Komponisten und Interpreten taten es ihm gleich.

Bis in die Siebziger Jahre scheint man Musik noch nach der Prämisse „Geht sie auch ins Ohr“ gemacht zu haben. Die Musik ab den 80ern hat viele der „glücklichmachenden“ Kriterien nicht mehr. Fazit: Die meisten der Songs verschwinden innerhalb kürzester Zeit. Ein Frank Sinatra war beispielsweise über einen Zeitraum von 20 Jahren in den Charts, Dean Martin hat man 21 Jahre mit seinen Songs in die Charts gehievt. Dazu gäbe es noch viele Beispiele. Der Unterschied zu den heutigen Stars und Sternchen ist in der Qualität und Kontinuität zu suchen.

Es gibt so viele gute Musik nur kennen und spielen muss man sie.

© Kommerzialrat Viktor Lindner, Salzburg-Aigen

Viktor Lindner:

Privatradio in Österreich – Conclusio

Warum die Privatradios, so wie sie sich zur Zeit präsentieren, den ORF nie und nimmer gefährden können. Alles Gegenteilige ist Wunschdenken und Geldvernichtung.

1.) Privatradios haben weder die dazu notwendige Musik, noch die Personen mit dem dazu wichtigen musikalischen Wissen. (Siehe „Musik in den Massenmedien“, Seite 24.)

2.) Die unverständlicherweise vertretene Musikphilosophie 14 – 49 ist schlicht und einfach Nonsens! (Siehe Autorenzeitung 3/94 – „Musik-interessen nach Altersgruppen“, siehe „Musik in den Massenmedien“.)

3.) Die professionelle Basis des ORF in Bezug auf Moderatoren.

4.) Der jahrzehntelange Vorsprung und dadurch die Erprobtheit des Programms.

5.) Die Akzeptanz des Programms durch den Hörer (siehe Medienanalysen).

6.) Produkt – Radiomarke – Strategie

7.) Was ist falsch? Das Produkt – die Strategie oder beides?

Resultat: Beides ist falsch

1.) Mit privaten Landessendern und einer Musik ähnlich der Musik von Ö 3, kann man nicht gegen Ö 3 konkurrenzieren. Gegen Ö 3 sind alle Privaten chancenlos, auch dann, wenn sich alle privaten Landessender zusammenschließen und gegen Ö 3 spielen wollen. Einmal ganz abgesehen von der rechtlichen Seite, ob dies überhaupt möglich ist.

2.) Die Privaten haben nur eine Chance gegen die Landessender des ORF. Dann muss ich mir aber die Landesprogramme des ORF zum Gegner machen. Wenn man aber von kompetenter Seite der Privaten hört, dass Bestre-bungen in Richtung Zusammenschluss aller Landessender vorhanden sind, ist das schon wieder ein falscher Ansatz und führt zu nichts.

3.) In der Wirtschaft herrscht immer noch die Gepflogenheit, dass, wenn ein Produkt nicht oder schlecht verkaufbar ist, es aufzugeben oder zu ändern!

Im Sport, besonders Fussball, wird eine Mannschaft anders aufgestellt, wenn sie nicht funktioniert. Beim Theater wird ein Stück abge-setzt, wenn es nicht ankommt. Was ist aber beim Radio? Seit 8 Jahren die gleiche Leier (die angebliche Änderung der Musik beim Krone Hit Radio ist reine Augenauswischerei). Bei den Privaten wird nur Schön-rederei und Schönfärberei betrieben.

Das Produkt gehört geändert!!!!

© Kommerzialrat Viktor Lindner, Salzburg-Aigen

Zur Person:

Viktor Lindner, geb. am 08. 10. 1927

Beruf: Industriekaufmann, Profifussballer

Gründer des Vereines für die Zulassung von Privatradios in Österreich. Kläger in Straßburg beim Europäischen Gerichtshof. Zulassung in Straßburg erreicht. Mitinhaber von Radio Melody in der Anfangszeit. Besitzer des grössten privaten Musikarchivs. Mit etwa 30.000 LPs, 20.000 Singles und ca. 5.000 CDs.

Kontakt:

Kommerzialrat Viktor Lindner

Oberwinkl 111,

A-5026 Salzburg-Aigen,

Tel.: +43 662 640281, Fax: DW 20

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