RADIOSZENE-Interview mit AACHEN 100,eins Chefredakteur Torsten Manges
RADIOSZENE: Herr Manges, die Aachener Radioszene hat noch nie so turbulente Zeiten erlebt wie in den letzten vier Jahren. Alles begann mit dem Ausstieg des Aachener Zeitungsverlages aus dem Lokalfunk und der Übernahme von Aachen 100,eins und Antenne AC durch die Dornier Medien GmbH unter dem Dach des Funkhauses Aachen. Ganz NRW hat nach Aachen geschaut, wie das Funkhaus Aachen ohne NRW Rahmenprogramm funktioniert und fast hätte es auch Nachahmer gegeben. Was haben Sie aus dieser Zeit gelernt?
Manges: Das Experiment „24-h-Vollprogramm“ hat sich gelohnt. Publizistisch und auf dem Hörermarkt war es ein voller Erfolg. Aachen 100,eins ist jetzt zum ersten Mal in seiner Geschichte Marktführer in Aachen, vor allen öffentlich-rechtlichen Programmen und auch deutlich vor den privaten Mitbewerbern 100’5 und Antenne AC. Zum einen hat es sich ausgezahlt, dass wir rund um die Uhr direkt auf unsere Mitbewerber reagieren konnten. Beispiel Stundenuhr: Wenn der belgische Sender „100’5“ Werbung und Nachrichten sendet, laufen bei uns 3 Hits am Stück, die auch offensiv beworben werden. Zum anderen haben die Hörer im Laufe der Zeit verinnerlicht, dass bei uns immer Aachen im Radio ist, nicht nur zu bestimmten lokalen Sendezeiten. Der Slogan „alles was in Aachen passiert, bei uns erfahren Sie es zuerst“ steht dafür. Leider ist das Konzept aber wirtschaftlich nicht aufgegangen. Obwohl wir die lokalen Werbeerlöse deutlich steigern konnten, blieben die nationalen Erlöse fast vollständig aus. Es ist unserer BG nicht gelungen, einen nationalen Vermarkter zu finden, der für uns einen überregionalen Umsatz in einer Größenordnung generiert, wie er für einen Sender unserer Größe üblich ist. Mein Fazit: für die Hörer ist ein lokales 24-h-Vollprogramm ein deutlicher Gewinn. Aber ohne starken Partner ist solch ein Experiment auf Dauer wirtschaftlich nicht durchzustehen.
RADIOSZENE: Inzwischen gehen beide Sender wieder getrennte Wege, der einzige Partner Antenne AC gehört wieder zur Konkurrenz und das im wahrsten Sinne, nämlich dem Hitradio aus Belgien. Verschärft sich dadurch die Marktsituation in Aachen?
Manges: Ich denke, die Marktsituation wird sich kaum verändern. Auf dem Hörermarkt ohnehin nicht. Da wird sich am Profil unserer Mitbewerber durch die Zusammenarbeit vermutlich nichts ändern. Während sie sich als Sender mit regionaler Ausrichtung ausschließlich über Musik positionieren, kommen bei uns die lokalen Inhalte hinzu. Das wird unsere Position als „Aachen-Radio“ nur stärken. Was den Werbemarkt angeht bin ich auch eher gelassen. Die regionale Ausrichtung unserer Mitbewerber ist für viele unserer Kunden weniger attraktiv, gerade auch aus Kostengründen. Sie brauchen Hörer, die direkt im Umfeld ihrer Unternehmen leben. Und da ist und bleibt Aachen 100,eins die erste Wahl, egal ob es um Reichweite, Preise oder ein optimales Kosten/Nutzen-Verhältnis geht. Zudem sei angemerkt: lokale Werbung verkauft sich in erster Linie über den Namen und das damit verbundene Image eines Senders. Und da ist Aachen 100,eins eine Marke, auf die die Aachener Wirtschaft setzt.
RADIOSZENE: Seit Monaten war unklar, was aus Welle West in Heinsberg werden würde, nachdem die Rheinische Post der VG die Verträge zum Jahresende gekündigt hatte. Jetzt steht fest, daß Aachen 100,eins als Retter von Welle Welle auftritt. Gehören beide Sender nun 100% zusammen oder gibt es noch weitere Investoren?
Manges: Da bin ich eigentlich der falsche Ansprechpartner. Auch die Formulierung „Aachen 100,eins als Retter von Welle West“ trifft nicht ganz. Richtig ist: die privaten Unternehmer aus Aachen, die die Betriebsgesellschaft von Aachen 100,eins bilden, werden nun auch als BG bei Welle West einsteigen. Die entsprechenden Verträge wurden kürzlich unterzeichnet. Für die beiden Veranstaltergemeinschaften ändert sich dadurch nichts. Sie bleiben eigenständig und behalten selbstverständlich die Hoheit über ihr jeweiliges Programm, so wie es das Landesmediengesetz vorsieht.
RADIOSZENE: Vorrangig muss es ja auch um Kosteneinsparung und Nutzung von Synergien gehen. Gibt es jetzt wieder ein Funkhausmodell?
Manges: Ja, das ist unser Ziel – und da sind mein Kollege Thorsten Schröder von Welle West und ich in ganz engen Gesprächen. Unser Ziel ist es, redaktionell möglichst umfassend zusammenzuarbeiten. Da kommt es uns zum einen entgegen, dass beide Sendegebiete praktisch keine Schnittmenge bilden. Mit anderen Worten: kein Hörer bekommt es mit, wenn ein Beitrag auf beiden Sendern läuft. Aber wir denken sogar darüber nach, noch einen Schritt weiter zu gehen und eventuell sogar gemeinsame Sendestrecken über beide Sender auszustrahlen. Diese Überlegungen sind aber noch nicht am Ende. Da Welle West im Moment nur ein 3-stündiges Lokalprogramm ausstrahlt, könnten zusätzliche regionale Sendestunden sicher ein Gewinn für die Hörer sein. Andererseits müssen beide Sender aber auch ihre eigenständigen Profile behalten. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Stadt Aachen zwar für den südlichen Kreis Heinsberg Oberzentrum ist. Die Menschen im Nordkreis Heinsberg orientieren sich aber eher Richtung Mönchengladbach, was sich natürlich im Programm von Welle West widerspiegeln muss.
Synergien sind aber ganz eindeutig unser Ziel. Daher wird es auch einen gemeinsamen Sendestandort geben, dass Funkhaus in der Aachener Bahnhofstraße. Allerdings behält Welle West eine Zweigstelle im Kreis Heinsberg. Im Gegensatz zum „alten“ Funkhaus sind heute alle Beteiligten gewillt, zusammen zu arbeiten und so die Zukunft beider Sender zu sichern.
RADIOSZENE: Wie wird das Programm von Aachen 100,eins und Welle West ab 01.01.2004 aussehen, bzw. ab wann wird man wieder mit NRW Rahmen senden?
Manges: Aachen 100,eins wird ab 1.1.04 wieder mit dem Mantelprogramm von Radio NRW zusammenarbeiten. Aus wirtschaftlichen Erwägungen ist das ein absolut sinnvoller Schritt. Wir können künftig auf umfangreiche, sehr teure Zukäufe verzichten und erhalten zugleich eine Ausschüttung, die unsere aktuellen Erlöse aus nationaler Vermarktung vermutlich übersteigen wird. Und auch programmlich macht die Kooperation mit Radio NRW Sinn: im Vergleich zur Zeit vor 1999, als wir zuletzt mit Radio NRW kooperierten, gibt es heute zwei wesentlich Unterschiede: zum einen gibt es kein zweites in Aachen empfangbares Programm mit dem Mantel von Radio NRW (damals: Antenne AC). Für unsere Hörer können wir also ein einzigartiges, unverwechselbares Programm anbieten. Zum anderen senden wir künftig 8-h lokal (6 bis 9 / 13 bis 18 h), früher waren es nur 5 (6 -9 / 16 bis 18). Zudem werden wir die lokalen Optionen in der Zeit zwischen 9 und 13 h intensiv nutzen. So werden wir etwa unseren Hörern weiterhin von morgens bis abends zweimal pro Stunde lokale Blitzermeldungen anbieten.
Die großen Vorteile von Radio NRW liegen für mich in den großen EMA-Aktionen. Gleich im Januar wird es die erste geben. Und wenn wir, wie Radio NRW es in der Vergangenheit oft gemacht hat, eine größere Anzahl von Autos in unserem Programm verlosen können, dann sind das Aktionen zur Hörerwerbung, die unsere Mitbewerber so nicht im Programm haben werden. Vorteil von Radio NRW ist auch, dass wir nachts wieder ein durchmoderiertes Programm haben. Und auch am Wochenende können wir Mantelprogramm übernehmen und unsere lokalen Kräfte so auf die wichtigen Werktage konzentrieren.
RADIOSZENE: Herr Manges, wir bedanken uns für das Gespräch.