Australiens Radio Sabotage über Weihnachten

James Cridland's Radio FutrureAch, die Weihnachtszeit ist wieder da. Weihnachten verblüfft mich immer wieder. Ein Teil meiner Verwirrung liegt am Wetter. Die Weihnachtslieder im Radio handeln von jeder Menge Schnee und Kälte; dennoch sitze ich bei 32 Grad Hitze in Brisbane/Australien, trage Shorts und T-Shirt und frage mich, ob ich in die Weihnachtskugeln beißen oder die Klimaanlage einschalten soll. Die Solarpaneele auf dem Dach produzieren bereits 24 kW Leistung – dabei ist erst halb zwei. Ich glaube, ich schmelze.

Der andere Teil meiner Verblüffung wird vom Radiohören hier in Australien verursacht. In Großbritannien wird das Radiohören nur während zweier Wochen nicht gemessen. Dieses Jahr vom 18. Dezember bis zum 31. Dezember. Jede andere Woche des Jahres bleibt man „im Bilde“.

Brisbane City Hall / Australien (Bild © James Cridland)
BrisbaneCityHall (Bild © James Cridland)

Aber in Australien ist alles anders. Die Hörerzahlen-Bewertungen endeten am 9. Dezember und werden erst am 21. Januar wieder aufgenommen. Jeder nimmt sich eine Auszeit. Deshalb ist mein Radio während dieser sechs langen Wochen voller Stimmen, die ich nicht wiedererkenne.

Die lokale öffentlich-rechtliche Radiostation, der ich lausche, bietet keine vertraute Stimme zur gewohnten Zeit. Während die Frühstücks-Sendung von Jemandem präsentiert wird, der normalerweise nachmittags zu hören ist, ist der Rest des Tages voller Namen, von denen ich noch nie zuvor gehört habe. Sogar die verlesenen Rufnummern kann ich nicht wiedererkenne, obwohl die Station bei Ihrem altbekannten Namen genannt wird. Alles wird aus vielen tausend Kilometer entfernten Studios herübergebeamt – eine ganz andere Radiostation.

Die Privatstationen spielen immer noch die gleiche Musik, die sie normalerweise spielen, aber verschiedene Stimmen präsentieren die Titel. Die bekannte und wohldotierte Morgensendung und nachmittägliche Drive-In-Show sind verschwunden. Auch hier ist die Leistung der Radio-Networks verdächtig gewachsen.

Viele meiner vertrauten Stimmen werden selbst Mitte Januar nicht zurückkehren, denn der Dezember ist das Ende der Vertragslaufzeit; große Teile der Ausstrahlungen werden sich ändern. Möglicherweise würde ich den Moderator meiner lokalen öffentlichen Station wiedererkennen, wenn er zum ersten Mal von einem anderen Sidekick begleitet würde – aber der Rest des Tages wird komplett durcheinandergewirbelt. Auch die Werbespots ändern sich im Großen und Ganzen. Frühstücks-Show-Lineups werden wie auch im letzten Jahr und im Jahr davor optimiert – von neuen Sounds am Nachmittag ganz zu schweigen.

Es ist aber auch verwirrend!

„Das muss für die Hörerzahlen doch tödlich sein“, sagte eine britische Radio-Kollegin zu mir. Aber dem scheint nicht so zu sein – mit „86% der Hörer, die im Sommer genauso viel oder mehr hören“, heißt es in der Studie. 28% der jungen Leute behaupten, dass sie im Sommer mehr Radio hören.

Ich erinnere mich, dass mir immer wieder gesagt wurde, Konsistenz sei das Wichtigste für ein hauptsächlich aus Gewohnheit genutztes Medium. Es ist riskant, jemanden durch Veränderungen zu verärgern. Und trotzdem werden wir sechs Wochen lang mit Zufällen sowie ungewohnten – weil nicht lokal bekannten – Stimmen konfrontiert.

Auch erinnere ich mich, dass mir gesagt wurde, im Urlaub könne man viele verschiedene Zuhörer anlocken, indem verschiedene Stationen zu diversen Tagesabschnitten Anderes als normalerweise ausprobierten. Ein gutes Mittel, zu zeigen, wie toll man doch den Rest des Tages klingt, aber (meistens) nicht die passende Zeit, um „spezielle“ Programme einzusetzen – wie all die 80er-Wochenenden, an denen sie zeigen wollen, wofür ihre Station berühmt ist. Doch genau die Besonderheiten, die Radio in Australien berühmt machten, scheinen zu fehlen.

Kein anderes Land scheint so in Radiotalente zu investieren wie Australien. Leute wie Kyle und Jackie O, Hamish und Andy (im nächsten Jahr Podcaster), Alan Jones, Steve Austin, Ray Hadley oder Hughesey und Kate – alle sind auf ihre Art faszinierend und erstaunlich gut.
Aber kein anderes Land scheint die Radioindustrie jedes Jahr sechs Wochen lang bewusst zu sabotieren. Scheinbar kommt man damit durch.

Wie verwirrend!

Aber jetzt wünsche ich Ihnen frohe Festtage. Ich werde Anfang Januar wieder hier erscheinen, nachdem ich meinen eigenen Urlaub von jeglichen Hörerzahlen gemacht habe (obwohl meine wöchentlichen Newsletter – https://james.crid.land – und tägliche Podcasts – https://podnews.net – weiter normal erscheinen, weil wir alle weiterarbeiten. Und das tun wir doch, nicht wahr?


James CridlandDer Radio-Futurologe James Cridland, spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Er betreibt den Medieninformationsdienst media.info und hilft bei der Organisation der jährlichen Next Radio conference. Er veröffentlicht auch podnews.net mit Kurznews aus der Podcast-Welt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.crid.land. Kontakt: james@crid.land oder @jamescridland.