Die deutschen Radiosender haben in 2017 weiter aufgerüstet – zumindest bei der Zahl ihrer sog. „Online-Submarken“ im Internet. Vermeldete der Webradiomonitor 2017 für das laufende Jahr 426 Sparten-Streams („Online-Submarken der Simulcast-Angebote“), sind dies laut einer aktuellen Zählung durch RADIOSZENE im November 2017 bereits 586 Webradio-Angebote. Im Vergleich zu Beginn des Jahres ein Plus von 29 Prozent (Januar 2017 = 456 Prozent). Wobei es sich hier um eine Nettoausweisung handelt, was heißt, dass identische Angebote, die bei verschiedenen Stationen einer Sendergruppe (wie bei ENERGY oder den Radio NRW-Lokalsendern) zu hören sind, nur ein Mal gezählt wurden. Weiter wurden nur Angebote deutscher Programme berücksichtigt, die über UKW oder DAB+ verbreitet werden.
In der Tat hat die nationale Radiobranche zuletzt intensiv an einer Ausweitung ihrer Spartenangebote im Internet gearbeitet. Nahezu wöchentlich wurde die Vielfalt durch neue kuratierte Webradio-Streams bereichert. Wobei die Impulse naturgemäß von den Privatsendern ausgingen, den öffentlich-rechtlichen Anstalten sind bei der Einrichtung zusätzliche Angebote weiter die Hände gebunden.
Zu den besonders aktiven Verbreitern von Subchannels zählen Radio ENERGY (aktuell 35 Angebote!), RPR1. (derzeit 30 Angebote!), Klassik Radio, Radio BOB!, Radio Hamburg, Antenne Bayern, HITRADIO RT.1, Radio Regenbogen, Sunshine Live oder FluxFM.
Unter dem Strich sind dies stolze Zahlen. Worin ist dieser außergewöhnlich hohe Zuwachs an neuen Streams begründet? Bernhard Bahners, Geschäftsführer beim Hamburger Webradio-Aggregator radio.de: „Auch wenn Musikstreaming den Nutzern den Zugriff auf einen scheinbar unendlichen Musikkatalog an Einzeltiteln bietet, ist das beliebteste Nutzungsszenario weiterhin eine Lean-Back Nutzung. Die Playlisten sind die wichtigste Anlaufstelle für die meisten Dienste. Die Menschen wollen die passende Musik zu ihrer Stimmung genießen und nicht nach jedem Song entscheiden müssen, was als nächstes laufen soll. Und Radiomacher sind Profis im Erstellen von Playlisten. Daher ist es nur logisch, dass die Sender ihre Kernkompetenzen auch jenseits der UKW-Wellen in Szene setzen und mit Subchannels das Angebot der Sendermarken im Netz weiter ausbauen.
Die meisten Radiosender erweitern ihr Repertoire entsprechend der musikalischen Ausrichtung des Senders. Mainstream Sender bieten oft die gängigen Sparten wie 80er, 90er, Rock und Partymusik an. Einige Sender sind aber auch kreativer und bieten Programme für bestimmte Stimmungen und Situationen an. So zum Beispiel Radio Hamburg, die für ganz unterschiedliche Lebenslagen die passenden Webchannels haben. Sender, die ohnehin nicht auf den Mainstream setzen, bieten oftmals spezielle Genre-Channels an, die zum Beispiel die unterschiedlichen Facetten der elektronischen Musik abbilden oder alle Spielarten des Rocks jeweils einzeln bedienen“.
Die musikalische Vielfalt der Webradio-Kanäle ist gewachsen, reduziert sich jedoch beim Gros der großen AC-Dampfer noch immer auf eine weitgehend identische Fragmentierung – also Dekaden Streams, Dance/Party, Deutsch-Pop, aktuelle Hits usw. Oder auf jahreszeitliche Angebote wie Sommerhits oder die allgegenwärtigen Weihnachts-Songs. Allerdings gehen immer mehr Sender neue Wege und setzen bei der musikalischen Ausrichtung ihre Streams vermehrt auf die „Anmutung“ der Menschen in bestimmten Lebenssituationen. Wie zum Beispiel der angesprochene hanseatische Marktführer Radio Hamburg, der bereits 2016 eine große Zahl originell verpackter Streams wie „Das neue Moll“, „Koffein Kick“, „Verzerrt aber Freundlich“, „Ich könnte heulen“, „Zerwühlte Laken“ oder „Dinner für zwei“ für ein urbanes Publikum auf den Weg brachte. Antenne Bayern startete gerade mit „Radio Lina“ (für Frauen) und „Radio Ludwig“ (für Männer) zwei neue geschlechtsspezifische Angebote (RADIOSZENE berichtete), Radio RPR1. präsentiert „Yoga Hits“, HIT RADIO FFH „Workout“ (Sport) oder Radio FFN den „Bollerwagen“ (für gesellige Stunden). Auch experimentieren erste Sender wie der REGIOCAST-Ableger 80s80s im Hamburger DAB+ Netz mit reinen Künstlerkanälen wie „David Bowie“-, „Depeche Mode“- oder „Prince“-Streams.
Gleichwohl bleibt laut „Webradiomonitor 2017“ noch Raum für weitere Genres. Dies belegt die Gegenüberstellung zwischen den im Online-Markt vorhandenen Musikangeboten und einer Hörerbefragung nach präferierten Programmgenres: Während die deutschen Internetradios die Vorlieben der Hörer nach AC-, Dance/Elektro-, Schlager/Volksmusik-Formaten derzeit offenbar bestens bedienen, gibt es beispielsweise für Rock, Deutsch AC, Oldies, HipHop, Black Music oder (überraschenderweise) für die Musik der 80er und 90er/2000er durchaus noch Raum für zusätzliche Spartenkanäle (siehe Grafik).
Äußerst beliebt bleiben bei den UKW-Privatprogrammen die Christmas-Radios. Für die hartgesottenen Freunde weihnachtlicher Musik halten zahlreiche deutsche Sender innerhalb ihrer Web-Channel-Pakete zusätzliche Dauerschleifen mit den populärsten Christmas-Popsongs aller Zeiten parat – bei einigen Stationen sind diese Angebote sogar ganzjährig verfügbar. Nach dem Fest, ist eben vor dem Fest.