Bernd Sebor: 7 Jahre Privatradio – eine Bilanz

Was am 22.September 1995 mit den einsamen Vorläufern Antenne Steiermark und Radio Melody überaus erfolgreich begonnen hatte, mündete am 1. April 1998 in einen fulminanten Massenstart: An die 50 Privatradios gingen zeitgleich auf Sendung – Goldgräberstimmung allerorts zwischen Bodensee und Neusiedlersee.

Bernd Sebor (Bild: 88.6 Der Musiksender)
Bernd Sebor (Bild: 88.6 Der Musiksender)

Geld schien in diesen Tagen abgeschafft zu sein oder spielte zumindest keine große Rolle. Egal ob in Osttirol oder Wien – jeder wollte das Rennen in der ersten Kurve gewinnen. So war es auch wenig überraschend, dass Wien abwechselnd gelb (Antenne) und blau (88.6) eingefärbt war. Sogar vor der altehrwürdigen Votivkirche (damals gerade in Renovierung) machten die Privatfunker keinen Halt – das Gerüst wurde von einem 88.6 Megaplakat umhüllt – knapper Text: „Er ist da!“.

Die generelle Euphorie verflog allerdings schon bei den ersten Zwischenzeiten. Der erste Radiotest sah nur wenige strahlende Sieger und die sind schnell aufgezählt: Antenne Vorarlberg, Life Radio in Oberösterreich oder 88.6 Der Musiksender in Wien. Erfolgsmotto: „be first – be different“. Anderorts gab es lange oder teilweise sogar sehr lange Gesichter – anstelle schneller Gewinne setzte es ordentliche Verluste, die teilweise in die Hunderte Millionen Schilling gingen. Was folgte, war Kardinalfehler Nummer 1: Formatwechsel, Namenswechsel, Köpferollen und damit keine Spur von Kontinuität. Dazu kamen teilweise viel zu kleine Sendegebiete und die ständige Rechtsunsicherheit (z.B. Aberkennung der Sendelizenz von 92.9 Hit FM in Wien.). Bis zur Schaffung der KommAustria hatte eher der Verfassungsgerichtshof den Radioton angegeben und nicht die Politiker.

Jene Radios, die geduldig und kontinuierlich vorgingen, hatten mittel- und langfristig Erfolg (Beispiel NRJ), ebenso Stationen, die mit einem uniquen Konzept aufwarteten, wie Radio Arabella ab 2001 in Wien.

Ab 2001 erfolgte die lange erwartete Marktbereinigung in Form von Senderzusammenschlüssen und ein generelles Umdenken. Aus dem ehemals verbitterten Bruderkampf seitens der Privaten wurde eine „friedliche Koexistenz“ und höchst erfolgreiche Interessensgemeinschaft in Form des nationalen Vermarkters RMS. Mit Krone Hit Radio startete im Juni 2001 die erste überregionale Senderkette, aus dem sich im letzten Jahr das erste österreichweite Privatradio entwickelte.

Von Chancengleichheit mit dem ORF kann man auch heute noch nicht sprechen: der ORF hat nach wie vor vier Mal (!) soviel Frequenzen wie alle „Kommerzradios“

Privatradio-Pionier Mag. Bernd Sebor (Bild: 88.6 Der Supermix)
Privatradio-Pionier Mag. Bernd Sebor (Bild: 88.6 Der Supermix)

Die Aussichten für Privatradio in Österreich sind durchaus positiv. Die Formatpalette ist mittlerweile breit gefächert, keine Rede mehr von fadem Formatradioeintopf! Viele Budgets sind mittlerweile saniert, und das trotz Wirtschaftsflaute.

Auch das inhaltliche Angebot wurde gerade in den letzten Jahren immens gesteigert. Und manche Sender wie KroneHit, Antenne Steiermark oder 88.6 der Supermix wollen es noch einmal wirklich wissen und investieren derzeit kräftig in Programm und Marketing.

Stichwort Nachwuchs: In den letzten sieben Jahren waren es vor allem die Privatradios, welche die meisten Radiotalente gefunden und – wie böse Zungen behaupten – für den ORF ausgebildet haben. Und last not least schneiden sich die Privaten mit einem Viertel der Reichweiten immerhin ein Drittel des Gesamtradiokuchens ab – eine wirklich tolle Leistung!

Fazit: der Wettlauf um die Hörergunst hat gerade erst begonnen!