Fritz Egner: „Coaching funktioniert nur begrenzt, man muss für das Radio brennen“

Fritz Egner Sommer 1987 (Bild: ©BR/privat)
Fritz Egner Sommer 1987 (Bild: ©BR/privat)

Wo sind sie geblieben? Bei der Suche nach den großen Musikexperten untern den Radio Personalities der 1970er und 1980er Jahre kommt gelegentlich schon etwas Wehmut auf. Wie etwa bei den Namen Alan Bangs, Bernd Mohrhoff, Jürgen Hermann, Gisela Böhnke oder Matthias Holtmann … und natürlich vielen anderen. Die meisten genießen inzwischen wohl ihren verdienten Ruhestand – oder sind wie Manfred Sexauer oder Mal Sondock leider viel zu früh verstorben. Der eine oder andere ist, wie Dave Colman oder Frank Laufenberg, inzwischen bei Internetradios aktiv.

Glücklicherweise wird das unschätzbare Musikwissen dieser goldenen Generation noch immer auch von einigen terrestrischen Stationen genutzt – beispielsweise durch HR 1, wo Werner Reinke am Samstagvormittag eine der beliebtesten Shows im Hessischen Rundfunk moderiert. Auch „Music Maker“ Peter Urban ist weiter mit einer eigenen Show bei NDR 2 in air. Rik DeLisle ist beim Berliner Rundfunk 91.4 zu hören. Beim bundesweit über DAB+ sendenden Schwarzwaldradio gestalten Rainer Nitschke und Walter Fuchs wöchentlich viel beachtete Musiksendungen. Country-Experte Fuchs dürfte dabei mit fast 82 Jahren den Rekord als ältester deutscher Musikmoderator für sich in Anspruch nehmen.

Dass die Altgedienten weiter in der Lage sind Hörer zu binden beweist auch der Bayerische Rundfunk. Dort wurden die beiden früheren Bayern 3-Legenden Thomas Gottschalk und Fritz Egner als neue Zugpferde für das erneuerte Programm Bayern 1 verpflichtet. Ein Schachzug der passte, denn a) fand mit den beiden Musikkennern bei Bayern 1 eine gute Zahl aus Bayern 3 herausgewachsener Hörer eine neue Heimat und b) untermauerte der Sender mit den prominenten Neuzugängen nun endgültig seine Position als führende öffentlich-rechtliche Popwelle im Freistaat.

In den 1970er Jahren arbeitete Fritz Egner zunächst als Toningenieur bei AFN am Sender München. Dort wurde er 1974 entdeckt, als er kurzfristig für einen ausgefallenen Moderator einsprang. 1979 wechselte er als Moderator zu Bayern 3, wo er sich mit seinen Kollegen Thomas Gottschalk und Günther Jauch anfreundete und diverse Co-Moderationen mit ihnen hatte.

Fritz Egner (Bild: © BR/Markus Konvalin)
Fritz Egner (Bild: © BR/Markus Konvalin)

Ab 1985 moderierte Egner auch im Fernsehen diverse Unterhaltungssendungen wie „Dingsda“ oder Musikshows wie den „Eurovision Song Contest“. „Seinem“ Bayern 3 hat Fritz Egner als Moderator und Programmgestalter aber stets die Treue gehalten. Im Dezember 2015 hat Egner nach mehr als 35 Jahren Bayern 3 verlassen. Seit 15. Januar 2016 moderiert er Freitagabends von 20.00 bis 24.00 Uhr, seine Sendung „Fritz & Hits – die größten Künstler der Musikgeschichte“ in Bayern 1.


Im RADIOSZENE-Interview spricht Fritz Egner unter anderem über seine erfolgreiche Sendung auf Bayern 1 und die gewandelte Musiklandschaft.

RADIOSZENE: Herr Egner, Sie moderieren seit Anfang 2016 bei Bayern 1 die wöchentliche Sendung „Fritz & Hits – Die größten Künstler der Musikgeschichte“. Beschreiben Sie unseren Lesern jenseits der bayerischen Sendegrenzen doch die Programminhalte. Nach welchen Kriterien suchen Sie die Musik aus?

Fritz Egner (Bild: ©BR)
Fritz Egner (Bild: ©BR)

Fritz Egner: Ich versuche, in meiner dreistündigen Sendung, meiner Meinung nach interessante Musik mit Hintergrundgeschichten und Interviewausschnitten zu verknüpfen.

Oft verbinde ich die Beiträge mit historischen Daten, Geburts- oder Todestagen, die sich jähren, oder mit Ereignissen der Popgeschichte der letzten 50 Jahre. Dazu Original-Töne in Wort und Musik als Erinnerungsstützen. Manchmal reicht aber auch ein Blick in mein Interview-Archiv mit über 300 Beiträgen, um mich für ein Thema zu inspirieren.

RADIOSZENE: Die Sendung scheint offenbar sehr gut anzukommen. Bayern 1 verzeichnete zuletzt enorme Hörergewinne. Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach Musikspecials im Radio wie sie jeden Abend bei Bayern 1 zu hören sind? Welche Rolle spielt dabei die Musikkompetenz des Moderators?

Fritz Egner: Solche Specials sprechen sicher nicht ein Massenpublikum an, aber zur richtigen Sendezeit kann man damit Hörer binden, die auf Inhalt Wert legen und Radio nicht als Hintergrundbeschallung nutzen. Darüber hinaus meine ich, dass solche Specials imageprägend sein können. Die Musikkompetenz darf dabei nicht gespielt werden, sondern muss authentisch sein.

RADIOSZENE: Haben Sie in Ihrer Karriere jemals ein Moderations-Coaching absolviert?

Fritz Egner: Ich bin sehr dankbar, wenn ich an die glückliche Fügung denke, die mir 1974 einen Job als Studiotechniker beim US-Sender AFN (American Forces Network) zuspielte. Ich durfte amerikanischen Profis bei der Arbeit über die Schulter schauen, DJs, die in einer Zeit Karriere machten, als US-Radio noch stark auf „Personalities“ setzte. Das war eine unbezahlbare Lehrzeit. Ich habe wenig verdient, aber wurde reich an Erfahrung. Coaching funktioniert nur begrenzt, man muss für das Medium Radio brennen. Das ist kein Job, den man nach Lehrbuch macht, das ist eine Passion.

Fritz Egner (Bild: ©BR/privat)
Fritz Egner (Bild: ©BR/privat)

RADIOSZENE: Fehlt es dem Radio generell an Moderatoren mit Strahlkraft? Zuletzt wurde ja wieder der Ruf lauter nach mehr Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten am Mikrofon? 

Fritz Egner: Der Ruf kommt spät, wenn nicht zu spät! Es fehlen die Vorbilder, hier genauso wie im Ursprungsland des Personality-Radios, den USA. Dort hat das „Late-Night TV“ die Besten aus dem Radio abgezogen. Formatierung war Fluch und Segen gleichzeitig. In den US-Metropolen ist Formatradio aber fast unumgänglich, nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen ethnischen Hörerschichten. Die Formatierung der Radios in den USA führte dazu, dass die Sender mit ihrem Klang- und Moderationsteppich zunehmend als langweilige Wiederholungsmaschinen wahrgenommen werden. Viele Privatsender auf dem deutschen Markt konnten sich nie mehr ganz aus dem engen Korsett der Formatierung befreien, das ihnen oft Berater aus Amerika eingeimpft haben.

RADIOSZENE: Sie wurden ja seinerzeit unter anderem sehr durch AFN geprägt – was können die deutschen Sender heute noch von amerikanischen und englischen Radiomachern lernen? 

Fritz Egner (Bild: ©BR/privat)
Fritz Egner (Bild: ©BR/privat)

Fritz Egner: Das amerikanische Radio taugt nicht mehr als Modell. Mal abgesehen von manchen Talkstationen. Die Zeiten haben sich grundsätzlich geändert. Das britische Radio dagegen ist immer hörenswert. Die Engländer sind Musik-Freaks und lieben das informative Musikradio.

RADIOSZENE: Können Sie abschätzen wie viele Hörer Ihnen von Bayern 3, wo Sie 37 Jahre moderiert haben, zu Bayern 1 gefolgt sind? 

Fritz Egner: Nein, Hörerwanderung nach dem Prinzip der Wählerwanderung kann ich keine feststellen.

RADIOSZENE: Haben Sie für Bayern 1 Ihren Moderationsstil verändert? 

Fritz Egner: Den Stil meiner Präsentation kann ich nicht anpassen, ich bin, wie ich bin. Das mag polarisierend wirken, aber allen zu gefallen, war nie mein Anspruch. Ich kann nichts „verkaufen“, was ich selbst nicht wenigstens annähernd schätze und mit dem Hörer teilen will.

RADIOSZENE: Wie viele Tonträger umfasst Ihr privates Musikarchiv? Welche Platten und Künstler stehen im Regal ganz weit vorne?

Fritz Egner: Ich habe meine Platten und CDs nie gezählt-, Meine digitale Mediathek umfasst mittlerweile 45.000 Files. Alle sind auf Vinyl oder CD in meinem Archiv hinterlegt. Allein CDs dürften es ca. 50.000 sein. Die meisten einzelnen Tonträger besitze ich, um nur ein paar zu nennen, von Prince, James Brown, den Beatles, den Stones und Elvis Presley und von den Labels Stax, Motown, Chess, Atlantic und unzähligen kleinen Indie-Labels der R&B-Welt.

RADIOSZENE: Welche Musik hat Sie in jungen Jahren maßgeblich geprägt? 

Fritz Egner: Als ich 1968 James Brown live im Apollo Theater in New York sah, hat mich das tief beeindruckt. Ich hatte zwar 1966 und  ‘67 die Beatles und die Stones live im Münchner Circus Krone erlebt, aber das war nicht annähernd so überzeugend, wie die Show von James Brown. Das war pures Dynamit in Form von Rhythm & Blues.

Von links: Fritz Egner und Barry Manilow, März 1985. (Bild: ©BR/privat)
Von links: Fritz Egner und Barry Manilow, März 1985. (Bild: ©BR/privat)

RADIOSZENE: Wie hören Sie bevorzugt privat: Vinyl, CD oder digital?

Fritz Egner: Mittlerweile digital. Ist einfach bequemer und überall und jederzeit verfügbar.

RADIOSZENE: Wie beurteilen Sie den aktuellen Musikmarkt? Gibt es da noch Künstler, die sich später in Ihrer Reihe der „größten Künstler der Musikgeschichte“ wiederfinden könnten?

Fritz Egner: Die gibt es, man muss sie nur länger suchen. Im Radio entdeckt man sie nur in speziellen Nischen, denn sie sind nur selten formattauglich und entsprechen eher weniger dem Massengeschmack.

RADIOSZENE: Sterben die großen Künstlerpersönlichkeiten langsam ersatzlos aus – zu Lasten eines sich immer schneller drehenden Casting-Modells?

Fritz Egner: Ich erinnere mich an einen Moment, das muss in den 80er-Jahren gewesen sein, da castete TV-Produzent Holm Dressler während der Funkausstellung in Berlin Laiendarsteller für eine tägliche Nachmittagsshow. Was wir da teilweise sahen, waren Menschen, offenbar unfähig zur Selbstreflexion, aber ausgestattet mit einem ungebremsten Drang zur Selbstdarstellung. Man könnte auch sagen, zur Selbstzerstörung. Sie hatten keine Scham sich bis auf die Knochen zu blamieren. Wir alle waren damals der Meinung, das kann man diesen Menschen nicht antun, man muss sie vor sich selbst schützen. Diese Schamgrenze ist heute komplett aufgehoben, solche Menschen dienen längst zur Belustigung eines voyeuristischen Publikums. Ernstzunehmende Karrieren werden so kaum geboren.

RADIOSZENE: Welche Entwicklungen sehen Sie auf dem deutschen Musikmarkt?

Fritz Egner: Es gibt gute bis sehr gute Talente, denen es aber fast unmöglich ist, auf Dauer durchzuhalten. Kaum jemand investiert in sie, deshalb sind sie international meist unterlegen.

RADIOSZENE: Nach weit über vierzig Jahren am Mikrofon wirken Sie unverändert frisch und engagiert. Wie halten Sie sich fit? 

Fritz Egner: Die unverbrauchte Begeisterung fürs Radio hält mich fit, aber auch das Privileg, das mir der Bayerische Rundfunk gewährt, nach meinem Musikgeschmack Programm zu machen. Das motiviert mich nach wie vor. Sollte der Zuspruch der Hörer dies untermauern, würde ich mich freuen, das beflügelt mich noch mehr.

RADIOSZENE: Sie waren auch lange beim Fernsehen aktiv. Was bevorzugen Sie heute: Radio oder TV?

Fritz Egner: TV ist ein teamabhängiger Erfolg oder auch Misserfolg. Beim Radio bin ich für das Resultat allein verantwortlich, ob Applaus oder Verachtung, beides kann und muss ich mir selbstzuschreiben. Im Übrigen kann man die beiden Medien in ihrer Gestaltung und Arbeitsweise nicht vergleichen.

Fritz Egner (Bild: ©BR/privat)
Fritz Egner (Bild: ©BR/privat)

RADIOSZENE: Was macht das Radio heute besser als zu Ihren Anfängen, was vermissen Sie, was würden Sie ändern?

Fritz Egner: Da erwarten Sie zu viel von mir. Könnte ich diese Frage beantworten, wäre ich wohlhabender Berater oder Unternehmer. Was gut für mich ist, muss noch lange nicht gut für andere sein. Ich sehe das an meinen Kollegen in der Bayern 1 -Musikredaktion. Mit wie viel Feingefühl und Abwägungskunst sie eines der erfolgreichsten Radioprogramme Deutschlands und somit Europas mit dem entscheidenden Programmanteil Musik täglich neu bauen. Das fordert mir großen Respekt ab, ich könnte das nicht.

RADIOSZENE: Haben Sie eine Vision wie der Hörfunk in den nächsten 10 Jahren entwickeln wird? 

Fritz Egner: Auch hier ist eine Prognose nur mit hoher Fehlerquote machbar. Unterm Strich jedoch glaube ich nicht, dass es in zehn Jahren noch Radio im heutigen Sinn geben wird. Das gilt aber für alle „alten“ Medien wie Print und TV. Die „neuen“ Medien werden den „alten“ die Zeit zur Zuwendung stehlen. Sie sind einfacher und zeitlich unabhängig konsumierbar. Die Playlisten der Streaming-Dienste können schon jetzt das perfekte Geschmacks- und Interessenspektrum maßschneidern.

Was sie nicht ersetzen können, ist der Kumpel oder die Freundin im Radio, die regelmäßig und verlässlich für die Hörer da ist und zum Lebensbegleiter werden – wenigstens für eine gewisse Zeit. Radio kann die Sehnsucht nach Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit und gut recherchierter Information erfüllen wie kein anderes Medium. Wer diese Qualitäten bieten kann, hat auch in zehn Jahren gute Überlebenschancen.

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