ARD, ZDF und Deutschlandradio haben am Freitag in Frankfurt/Main ihre Berichte über „Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter“ an die Rundfunkkommission der Länder übergeben. Hierbei haben ARD, ZDF und Deutschlandradio eng zusammengearbeitet und sich abgestimmt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen betreffen die Bereiche Verwaltung, Technik, IT und Produktion und werden erhebliche Potenziale heben, die den Finanzbedarf der Anstalten mindern. Belastbare Angaben hierüber sind erst nach einer Bewertung durch die KEF möglich.
Die ARD-Vorsitzende, Prof. Dr. Karola Wille: „Entscheidend für unseren gesellschaftlichen Wert sind Vielfalt und Qualität des Programms. Die ARD wird ihre föderale Verwurzelung, also ihre regionale Nähe zu den Menschen, behalten und stärken und so zum Zusammenhalt in Deutschland beitragen. Was wir dazu brauchen, sind alle Möglichkeiten, die Menschen dort zu erreichen, wo sie heute kommunizieren – und dazu gehört auch klar das Internet. Die Strukturen hinter dem Programm werden durch unseren tiefgreifenden Reformprozess schlanker und moderner. Bei elf der 20 Strukturprojekte arbeiten wir mit dem ZDF zusammen, bei 15 mit Deutschlandradio.“
ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut: „Die Berichte zeigen, dass wir bereit und in der Lage sind, weitreichende Strukturmaßnahmen anzupacken und mit den anderen öffentlich-rechtlichen Sendern zusammen zu arbeiten. Klar ist aber auch, dass wir weiter eine auftrags- und bedarfsgerechte Finanzierung brauchen, damit wir unsere publizistische Aufgabe in hoher Qualität wahrnehmen können. Dazu gehören auch neue digitale Verbreitungsformen für unsere Bewegtbildangebote.“
Stefan Raue, Intendant von Deutschlandradio: „Der nationale Hörfunk, unabhängig und unverzichtbar, ist der Integration aller gesellschaftlichen Kräfte und Strömungen verpflichtet. Damit wir diesem Auftrag auch in der digitalen Welt gerecht werden können, müssen wir, gerade auch für die jüngeren Hörerinnen und Nutzer, qualitativ hochwertige Angebote machen, die auf die online-Welt zugeschnitten sind. Das Einstellen von Manuskripten allein reicht nicht. Zur Zukunftsfähigkeit gehört neben der Präsenz im Netz auch größtmögliche Wirtschaftlichkeit. Kooperationen mit ARD und ZDF gehören zur DNA von Deutschlandradio; diesen Weg werden wir konsequent weiter gehen.“
Aktuelle Beispiele für bereits beschlossene kostensenkende Kooperationen sind die 2018 beginnende gemeinsame Produktion der Mittagsmagazine von ZDF und ARD in Berlin und eine in diesem Jahr erprobte neue Form der Zusammenarbeit bei internationalen Sportereignissen. Auch bei der Fußball Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in Russland wird es ein gemeinsames Sendezentrum von ARD und ZDF in Deutschland geben. Der Einsatz von Technik und Personal im Austragungsland wird dabei erheblich reduziert. Die Erfahrungen beim Confed Cup und der U21 Fußball EM in diesem Jahr waren sehr positiv.
Die Länder hatten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor einem Jahr gebeten, zu sechs Reformfeldern (Chancen der Digitalisierung, rechtliche Rahmenbedingen, Strukturoptimierung, KEF-Verfahren, Rundfunkbeitrag und Einnahmen, Versorgungslasten) Stellung zu nehmen. Die Vorschläge werden jetzt von der Rundfunkkommission der Länder geprüft.
VPRT: kritisiert den Bericht: „Zu kurz gegriffen
Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) appelliert an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, die heute von den Rundfunkanstalten den Ländern überreichten Vorschläge zu „Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter“ nicht zum Anlass zu nehmen, um eine weitere Telemedienexpansion von ARD, ZDF und Deutschlandradio zu billigen. Die anstehende Reform sollte zum Ziel haben, den Auftrag der beitragsfinanzierten Rundfunkanstalten unter Berücksichtigung der Angebotsvielfalt auch der privaten Anbieter zeitgemäß und konsequent neu zu definieren.
Hans Demmel, Vorstandsvorsitzender des VPRT und Geschäftsführer von n-tv: „Das, was heute von den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten als eigene Ideen zu der Debatte über ihren zukünftigen Auftrag und einer Reform ihrer Strukturen präsentiert wurde, greift zu kurz. Wir benötigen eine zeitgemäße und präzise Auftragsdefinition, die der heutigen privaten Programmvielfalt Rechnung trägt. Sie darf nicht noch weiter zu einem subventionierten Wettbewerb führen. Auf dieser Grundlage brauchen wir weitergehende Strukturmaßnahmen ohne Denkverbote und eine Fokussierung der öffentlich-rechtlichen Programm- und Onlineangebote, anstelle eines mehr oder weniger unbegrenzten Ausbaus.“ Verwundert zeigt sich Demmel über die aus der Presse bekannten Vorwürfe gegen private Medien. „Wir kennen den Wortlaut noch nicht, warum man aber Mitbewerber am Markt diskreditiert, ist uns ein Rätsel und wird die weitere Diskussion nicht vereinfachen. Diese „Tritte vor’s Schienbein“ von privaten Rundfunkveranstaltern und Verlegern sind schlicht und einfach unnötig. Es wäre geboten, sich bei Aussagen zur Strukturreform auf sich selbst zu konzentrieren.“
Besonders wettbewerbsrelevant sind für den VPRT die fortschreitenden Programmzahlausweitungen im Radio sowie Online-Aktivitäten mit kommerzieller Relevanz. Hans Demmel: „Synergien bei Administration, Produktion und IT zu schaffen, ist schön und gut. Sie sollten innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Verbunds wie bei jedem anderen Unternehmen selbstverständlich sein. Aber allein kosmetische Eingriffe dämmen die uferlose Ausbreitung der beitragsfinanzierten Angebote nicht ein und reichen für eine echte Reform nicht aus.“ Dass die Länder die Reformvorschläge der Rundfunkanstalten in einer ersten Reaktion als Bergetappe bezeichnen, verdeutlicht, dass auch aus ihrer Perspektive noch lang nicht das Ende der Spar-Fahnenstange erreicht ist.
Eine klare Absage erteilt der VPRT der von den beitragsfinanzierten Anstalten geforderten Kooperationsnorm. Demmel: „Das wäre ein kartellrechtlicher Freibrief, auf dessen Basis die ARD-Anstalten und das ZDF nicht nur in sinnvollen Bereichen, sondern auch auf kommerziell relevanten Feldern wie dem Programmrechteerwerb und der Verbreitung zusammenarbeiten dürften. Die Konsequenz wäre eine weiter Verschärfung und keine Entschärfung des Wettbewerbs mit privaten Medienunternehmen.“
Der VPRT fordert zudem klare Weichenstellungen in der von der Politik zurückgestellten Diskussion über eine Werbereduzierung im Radio- und Fernsehbereich bei den Öffentlich-Rechtlichen. Demmel: „Dieses Thema wollte die Politik entscheiden, sobald mehr Klarheit über die Einnahmen von ARD und ZDF in dem neuen Beitragsmodell beseht. Die jetzt aufgezeigten Einsparpotenziale geben die nötigen Spielräume, um diese Entscheidungen zu treffen. Das Ergebnis wäre eine klare Abgrenzung im dualen Rundfunksystem und eine Stärkung der Akzeptanz bei den Beitragszahlern, die frappierend schwindet.“.
Quelle: Pressemitteilungen ARD, ZDF, Deutschlandradio, VPRT