Großbritanniens Digitalisierungsminister Matt Hancock verbreitete diese Woche eine Video-Ansprache in der Digitalisierungskonferenz „Drive to Digital“. Veranstalter der Konferenz ist „Digital Radio UK„, die in Großbritannien tätige Lobbygruppe für DAB Digitalradio im Königreich. DAB ist frei über Antenne empfangbares Radio wie UKW, nur eben digital. Hörern bietet es mehr Auswahl und erspart ihm das Suchen nach Frequenzen, zwingt die Nutzer aber gleichzeitig, sich ein nagelneues Radiogerät zuzulegen. In Großbritannien ist es um ein Vierfaches populärer als Streaming via Internet.
Hancocks halbstündige Rede enthielt die flehende Bitte an die Radiohersteller, ihre Geräte standardmäßig auf Digitalempfang auszurichten. Als ziemlich politische Aussage, die die UKW-/Mittelwellen-Empfänger verschwinden lassen möchte, kommt sie Deutschen ziemlich bekannt vor.
Aber Hancock hätte sich besser etwas deutlicher ausdrücken müssen: Er hätte darauf hinweisen müssen, dass die Geräte DAB+ anbieten sollten. Denn überraschenderweise sind viele Geräte, insbesondere wie sie auch in Supermärkten angeboten werden, nur für DAB-Empfang geeignet. Das macht den Kauf dieser „Digitalradios“ unsicher für die Zukunft – abgesehen davon, dass weniger Radiostationen als über DAB+ damit empfangen werden können.
Das einzige Land, in dem DAB noch umfangreich genutzt wird, ist: Großbritannien. Die meisten anderen europäischen Länder haben ihre DAB-Sendungen beendet und auf DAB+ umgeschaltet. Australien hat sich erst gar nicht um DAB geschert! Nur das isolierte Großbritannien hält wacker am veralteten System fest. Das bedeutet, die meisten Stationen werden nur unzureichend auf Mono gehört.
„Digital Radio UK“ hat ein Warenzeichen nur für konforme Empfänger entwickelt. Zwar ist DAB+ Teil der Anforderungen an die Geräte, aber das Erkennungszeichen ist nur Empfehlung und keine Vorschrift. Zahlreiche Billiggeräte verzichten darauf.
Überraschender war da schon das Eingeständnis, dass in Großbritannien „die Mehrzahl der derzeit verkauften inländischen Radios nur für Analogbetrieb verkauft werden“. Gar nicht überraschend hat Großbritannien jedoch für 2017 das Abschalten des Analogbetriebs in Aussicht gestellt.
Digitalempfang – auch online und via Fernsehen – macht übrigens derzeit 48,7 % aus. Hancock wiederholte, dass die Regierung bei Erreichen von 50 % – was dieses Jahr noch passieren könnte – Überlegeungen für einen Zeitplan für ein Umschalten anstellen würde. In der Pressemitteilung von „Digital Radio UK“ (DRUK) heißt es, dass er auch „die Notwendigkeit eines vorsichtigen Vorgehens“ bekräftige.
Die Vorgabe einer 50%-Grenze scheint die Senderbetreiber mit dem alten DAB zufrieden zu stellen – und scheint der Grund dafür zu sein, warum sie vor der Umstellung auf mehr DAB+ Dienste zurückschrecken. Alles, was zur Überschreitung der 50 %-Marke führen könnte – auch wenn es für die Hörer eine Verbesserung darstellt – muss scheinbar unbedingt vermieden werden.
Die Aussage, die Regierung würde „Überlegungen anstellen“, den Analogbetrieb abzuschalten, soll doch nur im Sinne der Händler heißen „Kauft keine UKW-/Mittelwellen-Radios, sie machen’s nicht mehr lange“. Und nicht einmal das wäre die Wahrheit, denn die variationsreiche Rundfunklandschaft des Vereinten Königreichs wird dafür sorgen, dass viele Radiostationen auf keinen Fall das UKW-Spektrum verlassen möchten, da sie noch nicht einmal auf DAB untergebracht werden konnten.
Es schützt die Verbraucher jedoch nicht, wenn analoge UKW-Geräte, Mittelwellen-Empfänger oder sogar DAB+-unfähige Apparate in Geschäften verkauft werden dürfen. Die Regierung sollte die Händler zwingen, einen großen Aufkleber auf die Geräte ohne das Warenzeichen zu klatschen, um so den KundInnen klar zu machen:“Dieses Radio funktioniert nach der geplanten Abschaltung von UKW und Mittelwelle garantiert nicht mehr“. Das wäre richtiger Verbraucherschutz: Die Information an die Verbraucher, dass sie ein Produkt kaufen, das nicht mehr lange funktionieren wird.
Am besten wäre es für Hancock, wenn er den Verkauf aller DAB-Geräte stoppen würde, die nicht auch DAB+-kompatibel sind! Das wäre eine klare Ansage, dass bis 2020 UKW und Mittelwelle schrittweise verschwunden sein werden – „Überprüfung vorbehalten“.
Diese Überprüfung nimmt sich hoffentlich auch die Ergebnisse norwegischer Erfahrungen zur Brust, um zu untersuchen, ob es eine gute Idee ist. Andererseits muss auch überprüft werden, ob die Einmischung in Unternehmensmodelle Sache einer Regierung sein kann. (Ich persönlich bin ja eher der Meinung, dass Senderbetreiber sich in Sachen Analogabschaltung an die Marktbedürfnisse halten sollten – aber halt, das ist nur meine Meinung.)
Aber wenn es klarer Wille der Regierung ist, UKW und Mittelwelle abzuschalten, sollen sie ihr Ding auch durchziehen!
Der “Radio-Futurologe” James Cridland beschäftigt sich mit neuen Plattformen und Technologien und ihre Wirkung auf die weltweite Radiobranche. Er spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.cridland.net.