Rüdiger Landgraf: „Digitalradio: Weil der Mensch zahlt“

Das altgediente Radio soll verschwinden – und mit ihm geschätzte 200 Millionen Radiogeräte im deutschen Sprachraum. Beim „Treffpunkt Radio in Wien“ wurde gestern abend nach einem Vortrag von KRONEHIT-Wortchef Rüdiger Landgraf über die digitale Radiozukunft in Österreich diskutiert.

Im Herbst beginnt die Umstellung auf digitales Fernsehen. Die ORF-Tochter ORS bekommt demnächst die Lizenz dafür. Das nächste Thema wartet: digitales Radio. Rüdiger Landgraf schreibt, worauf Österreich dabei achten sollte.

Das altgediente Radio soll verschwinden – und mit ihm geschätzte 200 Millionen Radiogeräte im deutschen Sprachraum. Auch Ihre Empfänger, vom Autoradio bis zum Hi-Fi-Tuner, sind dabei.

Stattdessen kaufen Sie sich gefälligst möglichst viele Digitalradios. Die kosten mehr als das doppelte, hören nach aktueller Planung auf den Namen DAB, und werden zunächst nur fünf Programme bieten – die Sie von UKW ohnehin kennen.

Ab 200 Euro sind Sie dabei

Ab 200 Euro sind Sie dabei. Ich bin doch nicht blöd, Mann, denken Sie jetzt? Sie sind damit nicht allein.

Obwohl sich Politiker und Geräteindustrie alles so schön vorgestellt haben, hält sich der Zuspruch seitens der Konsumenten in Grenzen. Nur 70.000 DAB-Empfänger haben 80 Millionen Deutsche bisher gekauft, und das in immerhin fünf Jahren. Logische Konsequenz: Berlin und Brandenburg sind aus DAB ausgestiegen, in Schweden wird – nach ähnlichem Desaster – der Ausbau eingefroren.

DAB-Empfänger verkaufen sich wie die warmen Semmeln

Anders die Lage in England: Dort verkaufen sich DAB-Empfänger wie die warmen Semmeln – bei über 50 gut zu empfangenden DAB- Programmen beispielsweise in London kein Wunder.

Überraschende Erkenntnis: Leute kaufen Radios, weil sie die Programme hören wollen, und nicht, weil sie Radios kaufen sollen.

In Österreich sind mit DAB auf absehbare Zeit fünf gut empfangbare Programme machbar, denn Frequenzplanung im gebirgigen Binnenstaat ist klarerweise schwieriger als in England.

In den USA starten gerade hunderte Digitalradios. Die Technologie in den Staaten ist eine völlig andere – was dem Konsumenten egal ist.

Von USA lernen

Wichtiger schon das Programming: Clear Channel – der weltweit größte Radiokonzern – hat sich mit seinen Mitbewerbern zusammengetan, um den Hörern Digitalradio schmackhaft zu machen. So kommen die New Yorker erstmals in den Genuss von neuen, aufeinander über Konzerngrenzen hinweg abgestimmten Formaten wie Country, Deep Classic Rock oder Power Latino.

Mit der US-Technik wären in Wien mehr als zehn neue Programme machbar, zusätzlich könnten alle bestehenden digital senden – und UKW-Empfänger würden weiter funktionieren.

Weitere Alternative: Radioverbreitung über digitales Fernsehen. Hier wären dut 4. Spalte zende neue Programme möglich, mit Weiterentwicklungen mehr als hundert.

Weil der Mensch zahlt …

Rüdiger Landgraf
Rüdiger Landgraf

Prinzipiell ist es wohl egal, welche Technik verwendet wird. Entscheidend ist, dass es sich lohnt, sie zu kaufen. Weil der Mensch zahlt – und nicht KommAustria, ORF, Politik oder Privatradios.

Den Konsumenten können wir aber nur überzeugen, wenn die gesamte Branche zusammenarbeitet und Digitalisierung als neues Geschäftsfeld begreift und nicht als lästige Notwendigkeit. Noch ist Zeit, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Sonst kann es enden wie in Finnland: Dort ist DAB nach acht Jahren abgedreht worden. Weniger als 1000 Finnen hatten sich einen DAB-Empfänger gekauft.

Rüdiger Landgraf ist Chefredakteur des privaten Radiosenders KRONEHIT und Lektor an der Fachhochschule Wien für Journalismus und Medienmanagement.


„Treffpunkt Radio“: Brauchen wir in 4 Jahren neue Radios?

27. „Treffpunkt Radio“ mit KRONEHIT-Chefredakteur Rüdiger Landgraf zum Thema Digitalisierung im Rundfunk

2010 soll das analoge UKW abgedreht werden – hat die EU gefordert. In Deutschland ist DAB ein Debakel, in Finnland wird es abgedreht, in Schweden wird der Ausbau gestoppt. Österreich will dennoch auf DAB setzen. Unter welchen Bedingungen digitales Radio in Österreich erfolgreich sein könnte und welche Alternativen es gibt – darüber diskutierten gestern Abend, am 1.2.2006, mehr als 30 Gäste aus der Radiobranche beim 27. „Treffpunkt Radio“ im Wiener Innenstadtlokal „Ottimo“.

Gesichtet wurden unter anderen Christian Huhndorf (ORF Hitradio Ö3), Werner Reichel (HiT FM), Roman Mostofi (Antenne Wien) und Christian Schmid (Radio Maria) sowie Fred Turnheim (OEJC).

Zum Vortragenden: Rüdiger Landgraf ist Chefredakteur von KRONEHIT, seit 15 Jahren für Privatradios tätig (Piratenradio, Einkaufsradio, Lokalradio, überregionales Radio) und arbeitet als Lektor an der Fachhochschule Wien für Journalismus und Medienmanagement sowie für die Business-Akademie EBAM.

„Treffpunkt Radio im Ottimo“, ist der Treffpunkt für Redakteure, Moderatoren und Producer aus der österreichischen Radiolandschaft, für PR-Verantwortliche aus Agenturen und Unternehmen sowie für all jene, denen etwas an Österreichs Radiolandschaft liegt. „Treffpunkt Radio“ ist eine Initiative der Mödlinger Radio-Service-Agentur Putz & Stingl, dem Österreichischen Journalisten Club und APA-OTS Originaltext-Service und findet jeden ersten Mittwoch im Monat statt.

27. "Treffpunkt Radio": Peter Bichler (Agentur Putz & Stingl), Werner Reichel (HiT FM), Rüdiger Landgraf (KRONEHIT), Fred Turnheim (OEJC), Christian Huhndorf (ORF) Foto: APA-OTS / Martina Ressmann
27. „Treffpunkt Radio“: Peter Bichler (Agentur Putz & Stingl), Werner Reichel (HiT FM), Rüdiger Landgraf (KRONEHIT), Fred Turnheim (OEJC), Christian Huhndorf (ORF) Foto: APA-OTS / Martina Ressmann