Stefan Sutor: „Die größte Stärke des Radios ist wohl, dass es ein Nebenbei-Medium ist“

25 Jahre Lokalrundfunktage fb minLRFT2017 min

Wie in jedem Jahr findet in Nürnberg Anfang Juli mit den Lokalrundfunktagen 2017 der deutschlandweit größte Branchentreff für den lokalen und regionalen Rundfunk statt. In Workshops, Diskussionsrunden und Vorträgen informieren im Rahmen der zweitägigen Veranstaltung rund 80 nationale und internationale Referenten die interessierten Teilnehmer aus der Rundfunk- und Medienwelt über Zukunftsvisionen und Lösungsansätze, stellen neue Trends des Rundfunkmarktes vor, ermöglichen Diskussionen um Programm- und Marketingentwicklungen und berichten über Neuigkeiten. Auf der begleitenden Fachmesse präsentieren verschiedene Aussteller neue Trends, Technologien und Produkte der Branche.

Auch bei der 25. Ausgabe werden bei der Auftaktveranstaltung die „BLM Hörfunk- und Lokalfernsehpreise“ verliehen sowie die Ergebnisse der Funkanalyse Bayern 2017 vorgestellt.


RADIOSZENE sprach im Vorfeld der diesjährigen Jubiläumsveranstaltung mit Stefan Sutor, im Bereich der Geschäftsführung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) zuständig für Strategie und digitale Entwicklung, über aktuelle Trends im bayerischen Hörfunkmarkt.

RADIOSZENE: Am 4. Juli beginnt die 25. Auflage der Nürnberger Lokalrundfunktage. Die Veranstaltung ist zwischenzeitlich unverzichtbarer Bestandteil im Kalender der bayerischen Radioverantwortlichen. Mit welchen Programmschwerpunkten dürfen die Besucher in diesem Jahr rechnen?

Stefan Sutor (Bild:: ©BLM)
Stefan Sutor (Bild:: ©BLM)

Stefan Sutor: Daten, Daten, Daten. Neben den klassischen Radiothemen wie aktuelle Berichterstattung, Moderation oder Promotions haben wir dieses Jahr einen Schwerpunkt darauf gelegt, wie Radiostationen Daten gewinnen und nutzen können. Neben der Vermarktung spielen Daten auch im Programm eine zunehmend größere Rolle. Es freut mich, dass wir dazu unseren Keynote Speaker Joel Sucherman gewinnen konnten. Er ist Leiter für alle digitalen Produkte beim amerikanischen Senderverbund NPR und ist dabei führender Experte bei der Transformation von Radio ins Netz.

RADIOSZENE: Inwieweit hat sich der Charakter der Veranstaltung über die Jahre verändert?

BLM LRFT93 minStefan Sutor: Gestartet sind wir relativ klein mit einem Lokalrundfunktag in einem Nürnberger Hotel, seit einigen Jahren sind wir in der Messe Nürnberg – das hat sich geändert. Jedoch von Anfang an diskutieren wir die aktuellen Themen der lokalen Radio- und Fernsehstationen und versuchen, praktische Tipps für die Macher anzubieten.

RADIOSZENE: Nahezu zeitgleich hat sich in den letzten 25 Jahren die bayerische Radiolandschaft trotz einer vergleichsweise hohen Angebotsdichte beim Publikumszuspruch und am Werbemarkt gut entwickelt. Schildern Sie uns die Gründe für dieses gedeihliche Wachstum.

Stefan Sutor: Lokales Radio war doch vielerorts eine Revolution: Neue Musik, neue Moderatoren, neue Formate, Radio zum Anfassen. Und dann noch die lokale Berichterstattung im Radio. Ich glaube, es herrscht inzwischen einfach ein sehr großes Vertrauen, das sich die Stationen sowohl gegenüber den Werbekunden als auch gegenüber dem Publikum erarbeitet haben. Das ist eine gute Basis dafür, auch in einer sehr viel differenzierteren Medienlandschaft das Publikum zu erreichen.

RADIOSZENE: Und wie haben sich die Reichweiten beim Radio im letzten Jahr in Bayern entwickelt?

Stefan Sutor: Prinzipiell sind die Reichweiten weiterhin sehr stabil. Die genauen Zahlen gibt es ja bei der Eröffnungsveranstaltung der Lokalrundfunktage. Auffällig ist ein Rückgang der Hördauer bei den 20- bis 39-Jährigen, was vielleicht mit dem riesigen Angebot an konkurrierenden Medienangeboten zusammenhängt. Tröstlich dagegen ist, dass die Hördauer bei den 14- bis 19-Jährigen in Bayern wieder leicht angestiegen ist.

RADIOSZENE: Die Faktoren „Musik“ sowie Nahraumberichterstattung stehen sicher weit vorne beim Erfolg eines Senders. Wie konsequent setzen die überwiegend lokalen Angebote in Bayern diese Formel um?

Stefan Sutor: Lokale Inhalte und die Nähe zu den Hörern waren und sind das Aushängeschild aller unserer Anbieter in Bayern. Es gibt kaum etwas, was von den Hörern mehr honoriert wird, als hochwertige lokale Berichterstattung und Nachrichten. Die Funkanalyse zeigt seit Jahren deutlich, wo der Programmschwerpunkt liegen muss: lokale Information, lokale Events, Veranstaltungshinweise und lokaler Service. Hiermit treffen die Sender den Nerv der Hörer. Aber natürlich spielt die Musik eine ganz entscheidende Rolle. Auch hier beurteilen die Stammhörer der jeweiligen Programme die lokalen Programme besser als die landesweiten Wettbewerber. Kompliment!

RADIOSZENE: Trotz des scheinbar immer größer werdenden Einflusses der digitalen Mediengebote und sozialen Netzwerke verteidigt Radio bislang zumindest seinen Stellenwert in den Alltagsabläufen der Menschen. Auf welcher Basis beruht diese hartnäckige Akzeptanz?

Stefan Sutor: Die größte Stärke des Radios ist wohl, dass es ein „Nebenbei-Medium“ ist. Es begleitet den Hörer durch den Tag – vom Frühstückstisch bis zum Feierabendbier auf dem Balkon. Radio zu konsumieren, ist deutlich einfacher. TV bindet sehr an das Bild. Online ist lean-forward, nicht lean-back. Das ist die große Stärke des Radios. Dazu kommen aber dann auch – wie schon angesprochen – die Inhalte, die die Menschen eben durch den Tag begleiten. Gibt es Stau auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause? Was mache ich nach dem Feierabend? Welche Events stehen bei mir in der Gegend an? Und welche lokalen News muss ich auf dem Schirm haben?

RADIOSZENE: Nach Aussage von verschiedenen Quellen kehren immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene dem Radio den Rücken. Können Sie diesen Trend bestätigen?

Stefan Sutor: Radio hat natürlich mit einer starken Konkurrenz aus dem Netz zu kämpfen. Streamingdienste, der Podcast-Trend, Hörbücher – das sind Konkurrenten, die es nötig machen, zu reagieren. Aber das Niveau ist immer noch ein sehr hohes, speziell was die Großstadt- und Ballungszentren betrifft. Es ist aber durchaus so, dass die Jungen nicht mehr so lange vor dem Radiogerät sitzen wie noch vor vielen Jahren. Radio trifft es aber nicht so hart wie andere Medienbranchen. Eine Tagesreichweite von rund 80 Prozent der 14- bis 29-Jährigen zeigt, dass Radio auch bei den Jungen noch ein sehr beliebtes Medium ist.

RADIOSZENE: Wie muss sich Radio künftig aufstellen, um seine Stellung in der Lebenswelt der Bevölkerung zu behaupten?

Stefan Sutor: Radio muss auch weiterhin so einfach auf allen digitalen Geräten, auf den Smartphones oder im Auto empfangbar sein, wie jetzt über die UKW-Empfänger. Radio muss sich meiner Meinung nach auch den veränderten Nutzungsgewohnheiten anpassen. Wenn die Hörer kurze Infos abrufbar haben wollen, dann muss das Radio das auch bedienen. Das ist die technische Seite. Inhaltlich führt kein Weg an starken Moderationspersönlichkeiten vorbei, die glaubwürdige und kompetente Begleiter sind.

RADIOSZENE: Sind Streamingdienste wie Spotify und Konsorten eine reale Bedrohung für das Radio?

Stefan Sutor: Natürlich nicht, aber sie beanspruchen Aufmerksamkeit. Immerhin ein Viertel der 14- bis 29-Jährigen in Bayern nutzt werktäglich Musikstreamingdienste. Die durchschnittliche Nutzungsdauer liegt bei 44 Minuten, die Hördauer von Radio in dieser Altersgruppe liegt bei 183 Minuten. Die Sender sollten dennoch beachten, was Streamingdienste immer stärker praktizieren, um dem Radio ähnlicher zu werden – sie bieten tageszeitspezifische Playlists und „Stimmungsmodulatoren“.

RADIOSZENE: Bayern gilt deutschlandweit als das Vorzeigeland für die Durchsetzung der Sendetechnik DAB+. Wie in kaum einem anderen Bundesland treiben hier private wie öffentlich-rechtliche Anbieter, aber auch die Politik ihre digitalen Bemühungen energisch voran. Wie hat sich  die DAB+ Nutzung sei Jahresfrist im Freistaat verändert?

Stefan Sutor: Es ist ein schöner Erfolg, dass sich in Bayern die Ausstattung mit DAB+ Empfangsgeräten in zwei Jahren beinahe verdoppelt hat: 20,1 Prozent der Bevölkerung haben in ihrem Haushalt mindestens ein DAB+ Gerät. In Bayern arbeiten wir daran, die Simulcast-Verbreitung von weiteren bayerischen Lokalradios zu ermöglichen, weitere Programme über den zweiten Bundesmux werden zusätzliche Impulse geben – und dann braucht es Geduld.

RADIOSZENE: Welche Bedeutung hat das Radiohören via Internet? Zumindest bundesweit war hier zuletzt ja von einem Aufwärtsschub zu hören? Wie gestaltet sich hier die Entwicklung in Bayern?

Stefan Sutor: Das ist in Bayern auch nicht anders: Über ein Viertel der bayerischen Bevölkerung ab 14 Jahren hört mindestens einmal pro Woche Radio über das Netz, 13 Prozent bereits täglich. Das entspricht einem Wachstum von 2 Prozent.

RADIOSZENE: Blicken wir abschließend ein wenig in die Zukunft – wie sieht Ihrer Meinung nach die Radiolandschaft in 10 Jahren aus?

Stefan Sutor: Vor 10 Jahren dachten wir schon, dass alles auf dem Kopf stehen wird und dabei dachten wir noch nicht an Smartphones. Aber was ist passiert? Das Radio ist relativ stabil in die digitale Welt hinein gewachsen und hat sich angepasst. Das wird auch weiter dir große Herausforderung sein: Sich anzupassen an die enormen neuen Möglichkeiten, an die Alexas, Wearables, Smart Homes und selbstfahrenden Autos. Radio wird dabei sein.

Michael Schmich

Weiterführende Informationen
Lokalrundfunktage 2017