Wenn die Politik DAB will, soll sie’s bezahlen!

Privatradios befürchten, bei der Digitalisierung unterzugehen.

Von Jürg Bachmann*

Bachmann_Juerg2Wie in den meisten umliegenden Ländern bereitet man sich auch in der Schweiz darauf vor, die elektronischen Medien, insbesondere auch Radio, digital zu verbreiten. Die Debatte ist voll im Gang; es stehen verschiedene Alternativen zur Verfügung.

In der Diskussion um die richtige Lösung scheinen nicht nur fachliche Argumente zu zählen: mit einer Inbrunst, die an Glaubenskämpfe erinnert, wird für die eine oder andere Technologie gekämpft. Zeit also, nüchtern Vor- und Nachteile jener Technologien abzuwägen, die im Vordergrund stehen. Und auch um eine Vision zu formulieren, wie die Schweizer Medienlandschaft dereinst aussehen soll.

Dies allerdings ist zunächst mehr eine staatspolitische Aufgabe, denn eine technologische. Es geht nämlich darum, ob man die bisherige Schweizer Radiolandschaft zuerst digital abbilden und in einem zweiten Schritt ausbauen will, oder ob sie völlig neu gezeichnet werden soll. Die Antwort hat der Gesetzgeber bereits gegeben. Im neuen Radio- und Fernsehgesetz (RTVG), das seit dem 1. April dieses Jahres in Kraft ist, bekennt sich die Schweiz klar zur Radiolandschaft, wie sie in den letzten knapp 25 Jahren gewachsen ist: mit einer SRG SSR idée suisse einerseits, die mit ihren Radioprogrammen den Service Public sicherstellt, und einer Vielzahl von Privatradios andererseits, die die gleiche Funktion in den Regionen erfüllen. Es ist folgerichtig, dieses Mediendesign aus dem RTVG nun ins digitale Zeitalter zu überführen.

Nahezu perfektes UKW.

Terrestrisch wird Radio bis heute vorwiegend über UKW verbreitet. Diese Technologie, Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts eingeführt, ist nahezu perfekt. Sie ist unkompliziert und praktisch überall zu empfangen. Die Geräte sind günstig und einfach erhältlich und die Qualität der Versorgung ist auch stereo gut. UKW zu übertreffen, ist schwierig. Deshalb ist man heute in ganz Europa wieder davon überzeugt, dass sich diese Technologie noch lange halten wird und es unsinnig wäre, an eine baldige Abschaltung zu denken. Trotzdem: als Ergänzung sind digitale Technologien vernünftig, auch für die Schweiz.

DAB mit schwierigem Stand…

In der Schweiz hat bisher nur die SRG in Digital Audio Broadcast (DAB) investiert. Vom Rahmenkredit von 100 Mio. CHF, der ihr 1998 gesprochen wurde, hat sie mehr als die Hälfte investiert. DAB und seine Nachfolgetechnologie DAB+ eignen sich nämlich vor allem für die Versorgung von grossen Flächen und die Verbreitung einer Vielzahl von Programmen. Die deutschsprachige Schweiz mag gerade noch gross genug sein, DAB vernünftig einzusetzen. Deshalb beschäftigt sich gegenwärtig ein Konsortium mit der Planung eines 2. Layers. Darüber sollen Programme für die ganze Deutschschweiz verbreitet werden. Diese werden sowohl aus den Küchen der SRG stammen, wie aus jenen der Privaten, die bisher noch überhaupt nicht in DAB investiert haben.

… und unwirtschaftlich für die privaten Regionalen.

Was passiert mit den bestehenden Privatradios? Sie laufen Gefahr, den digitalen Zug zu verpassen! Sie können sich zwar in den DAB-Layer einkaufen; die laufenden Kosten, die die neuen Programme und die Technologie verursachen werden, können sie aber nicht wie die SRG aus Gebühren decken, sondern müssen sie aus dem Markt refinanzieren. Diesen gibt es aber noch nicht: den – hoch geschätzt – 50’000 DAB-Empfangsgeräten, die heute in der Schweiz in Betrieb sind, stehen etwa 20 Millionen UKW-Geräte gegenüber! Noch findet DAB unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und es wird Jahre dauern, bis ein Markt entwickelt ist. Ausserdem: eine sprachregionale Verbreitung brauchen die bestehenden Privatradios gar nicht, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Ihre Welt ist die Region, da sind sie zuhause und dafür ist DAB überdimensioniert, viel zu teuer und erst noch unwirtschaftlich.

Diese Einschätzung ist übrigens keine rein schweizerische. In Italien melden die regionalen privaten Radiostationen ähnliche Befürchtungen an, genauso wie in Deutschland und in Österreich. Überall haben die regionalen und lokalen Stationen Angst, in der digitalen Neuordnung massiv an Bedeutung zu verlieren oder ganz zu verschwinden, weil Werbegelder in einem atomisierten Markt zersplittert werden und in diffusen Angeboten versickern.

UKW digitalisieren!

Um den Zug nicht zu verpassen, forcieren die privaten Radios die Digitalisierung ihrer Haustechnologie, des UKW-Signals. Diese Technologie hat den Vorteil, dass das Signal auf der gleichen Frequenz analog und digital ausgestrahlt wird – und erst noch parallel. Zudem können pro Frequenz zusätzliche Programme und Inhalte angeboten werden. Damit können auch regionale Radiostationen ihr Signal mit überschaubaren Kosten digitalisieren und ihre Investitionen vernünftig refinanzieren.

Das UKW-Signal kann auf verschiedene Weise digitalisiert werden. Im Vordergrund steht HD-Radio. Versuche damit laufen nicht nur in der Schweiz; es bestehen auch Pläne für Deutschland, Österreich und Italien. Überall regen die kleineren, regionalen Radiostationen, diese Tests an. Die Resultate sind viel versprechend. Auch in den USA ist HD-Radio bei bald 2000 Radios operationell: das bietet auch Gewähr für einen funktionierenden Gerätemarkt.

DAB braucht Gebührenfinanzierung.

Grosse Netzwerke und neue nationale Programme setzen hingegen verständlicherweise eher auf DAB. Im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen haben die privaten Radios mit hohen Kosten zu rechnen ohne Aussichten auf ausreichend Einnahmen. Eine Studie des BAKOM hat für die Deutsche Schweiz ein zusätzliches Einnahmenpotenzial von gerade SFR 16 Mio. pro Jahr ermittelt – aufgeteilt auf 18 Programme! Nicht zuletzt aus diesem Grund hat sich DAB bis jetzt auch im Ausland kaum irgendwo durchgesetzt und wenn, dann nur dank Finanzierung über Gebühren oder enormem Aufbau von Verlusten. Eine wirtschaftlich erfolgreiche, private DAB-Radiolandschaft ist nicht bekannt.

Es ist also an der Zeit, nicht mehr einzelne Technologien gegeneinander auszuspielen. Will man die bestehende, private Radiolandschaft in der Schweiz erhalten, muss man ihr auch die notwendige und sinnvolle Technologie ermöglichen: die Digitalisierung des UKW-Signals! Und wenn die Politik darüber hinaus auch in der Schweiz digitale Programme für die Sprachregion will, die nicht nur von der SRG gemacht werden, sondern auch von Privaten, wird sie Investitionen und einige Zeit lang auch Betrieb bezahlen müssen. Denn sie trifft damit einen politischen und nicht einen kommerziellen Entscheid.

* Jürg Bachmann, lic.rer.publ.HSG, ist Präsident des Verbandes Schweizer Privatradios (VSP); er leitet die private Radiostation „Energy Zürich“ und ist Stiftungsrat des Universitätsradios „toxic.fm“ in St.Gallen.