Das größte Problem des Radios

Schaltreport_250Ich hätte mir niemals träumen lassen, dass ich einmal zu den Menschen gehören würde, die sagen, früher war alles besser. Und doch, ich fand mich vor nicht allzu langer Zeit in einer Gruppe Gleichgesinnter wieder, die sich im regen Meckern über die Qualität der heutigen Praktikanten und Volontäre überboten. Schauplatz dieses kritischen Diskurses war der diesjährige „Radio Day“ und meine Mitdiskutanten, allesamt honorige deutsche Radiomacher, denen ich – ähnlich wie mir – dieses latente Stammtischniveau nicht zugetraut hätte. Natürlich sind solche Diskussionen sehr, sehr subjektiv und, wer den „Radio Day“ kennt, auch meist kölschgeschwängert. Doch es bleibt die Frage: war es früher wirklich besser?

Um das ganze ein wenig objektivieren zu können, genügt vielleicht schon ein Blick auf die Bevölkerungspyramide, um festzustellen, dass es zumindest zunehmend weniger potentielle Kandidatinnen und Kandidaten gibt. Rein rechnerisch ergibt sich also ein quantitativ geringerer Ausgangspool (vorausgesetzt, in den einzelnen Jahrgängen halten sich Genie und Deppentum die Waage, wovon in der Tendenz auszugehen ist).

Dazu kommt, dass der Wettbewerb zwischen den Arbeitgebern härter geworden ist. Allein die riesige Anzahl an Internet-Companies, New-Media-Agenturen und ähnlichen neuen Start-Ups haben den Pool radikal vergrößert. Und zumindest die größeren davon verfügen über ein exzellentes Image; die Arbeitsbedingungen bei Google sind als legendär bekannt, Google betreibt gar einen eigenen „Google Channel“ bei YouTube, um die Legende des erfüllenden Arbeitslebens aufrecht zu erhalten. Also anders gefragt: Sind vielleicht nicht die Praktikanten, sondern wir schlechter geworden?

Dass sich unter den beliebtesten 100 Arbeitgebern in Deutschland kein Radiosender findet, ist vielleicht nicht überraschend, zumal bei der nach wie vor fragmentierten deutschen Hörfunklandschaft. Dennoch trifft man, und hier wird´s wieder subjektiv, nur noch wenige junge Menschen, die unbedingt zum Radio wollen.

Was man diesen nicht einmal übel nehmen kann, wenn man eine gängige Job-Anzeige von Internet-Companies mit denen von Radiosendern vergleicht.

Natürlich ist eine etablierte Mediengattung wie das Radio nicht mehr ganz so sexy wie die neue Trendbranche der New Media-Welt, die Gratis-Massagen, Kicker, Mitbestimmung und Boni verspricht. Doch weil die Zukunft unserer Branche so elementar vom qualifizierten Nachwuchs abhängt, sollten wir zumindest ein wenig von den großen Top-Arbeitgebern wie Lufthansa, McKinsey oder Porsche lernen und Recruiting als Teil des Marketings sehen.

Sei es über eine Recruitingkampagne on-air, Kooperationen mit Universitäten, Job-Inserate bei MySpace oder Nachwuchsawards.

Wir brauchen qualifizierten Nachwuchs. Je mehr, desto besser.

Christian Schalt06 110

Christian Schalt

(Programmdirektor KISS FM Berlin)

Kontakt: http://www.xing.com/hp/Christian_Schalt