Mehr Ferraris für Radiodeutschland! Nieder mit den Neidhammeln!

Bitter Lemmer

Radiostars sind selten in Deutschland. Darum begaffen wir immer neidvoll die amerikanischen Radiostars: Rick Dees, Scott Shannon, Howard Stern, usw. Wir finden auch nichts dabei, wenn die in ihren Privatflugzeugen durchs Land düsen, schicke Frauen abkriegen und überhaupt flamboyant leben. Denn die Stars sorgen allein durch ihren Glanz dafür, daß Radio in Amerika ein wichtiges Medium ist.

Der größte Radiostar in Deutschland heißt Arno Müller. Man kann ihn mögen oder nicht – aber ein Star ist er. Darum gönne ich ihm seinen Ferrari. Daß man damit nicht besoffen durch die Stadt rast, hat er ja selbst eingesehen. Die Häme, die manche jetzt abkippen, ist aber nicht angebracht. Sie drückt nur aus, in welchem Zustand sich die deutsche Radiolandschaft befindet.

Arno Müller dürfte der einzige lebende deutsche Radiomacher sein, der folgendes geschafft hat: Weltweite Pressseschlagzeilen, höheren Bekanntheitsgrad als sein Bürgermeister, eine fette Villa in feiner Lage, ein stets klingelndes Telefon mit wichtigen Leuten dran, eine massenhaft kopierte Show (all die Sonstwies mit ihren Morgenfrauen oder –männern), ein siebenstelliges Bankkonto (geschätzt, aber wahrscheinlich zutreffend) und erwähnten Ferrari.

Radiodeutschland leistet sich exakt eine Figur dieses Kalibers. Nur eine! Das ist das Problem, nicht die 1,5 Promille. Die schafft jeder, es interessiert nur niemanden.

Nicht, daß es keine wirklichen Talente gäbe, bisweilen auch regionale Berühmtheiten. John Ment ist der bekannteste Radiomoderator Norddeutschlands. Langemann hat sich als Müller-Kopie in München einen Namen gemacht. Jochen Trus ist ein As (außerdem ein echter Sympath), er hat inzwischen sogar mehr Hörer als Arno Müller. Aber dennoch: Arnos Ruhm und Reichtum hat er nicht einzuholen vermocht.

Warum eigentlich nicht?

Weil Arno tut, was er will. Arno ist der Boß, der darf das auch. Wenn er zehn Minuten quatschen will, dann tut er es. Recht hat er: Würde er den ganzen Morgen brav Format veranstalten, Musiktitel ansagen und Liners runterrasseln – er wäre vielleicht im Opel Manta erwischt worden. So wäre es gekommen wenn: Er nie die Eier gehabt hätte, etwas völlig anderes zu senden als sämtliche anderen Sender damals in Berlin. Seine verrückten Telefone wären ohne Biß gewesen (wie so häufig die Kopien anderswo), an den Kanzler hätte er sich gleich gar nicht herangetraut. Guckt Euch doch mal Eure Herren Berater an – die haben fast alle mal für ihn gearbeitet, großteils als ganz normale Moderatoren oder Redakteure bei 104.6 RTL in Berlin. Woran das wohl liegt?

Unter denen finden sich durchaus einige, die heute gern mit den anderen Tumben herumschmähen, wenn Sie: mitbekommen, daß er zu spät zur Sendung kam; ausplaudern, daß seine ersten Stunden vom Tape kommen; sich über seine grammatikalischen Fertigkeiten lustig machen (selbst allerdings ebenfalls nicht gerade mit dem Duden im Mund zur Welt kamen); über seine Allgemeinbildung spotten. All das ist aber vollkommen zweitrangig.

Erstrangig ist, daß es außer Arno Müller keinen echten Star im Radio gibt. Das sagt uns etwas über die Wertigkeit, die Radio in Deutschland hat. Gegängelt von Bürokraten, zersplittert wie die deutschen Fürstentümer anno Tobak, geschmäht von arroganten Feuilletonschreibern. Im Mediengefüge hat Radio das mieseste Image von allen. Der dümmste Fernsehmoderator steht glänzender da als der fähigste Radiomoderator. Würde man Kai Pflaume und Arno Müller unter identischen Bedingungen gegeneinander senden lassen – ich hätte meine Zweifel, daß der viel berühmtere Schwiegermamiliebling siegt.

Mehr Ferraris für Radiodeutschland!
Nieder mit den Neidhammeln!


Lemmer

Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de