Radiolegende Walter Fuchs: Ein Glücksfall für die Country Music

Walter Fuchs (Bild: Archiv Walter Fuchs)
Walter Fuchs (Bild: Archiv Walter Fuchs)

Es gibt Rundfunkpersönlichkeiten, die in der Öffentlichkeit lebenslang exklusiv mit einer Musikrichtung verbunden sind: Joachim-Ernst Behrendt etwa mit dem Jazz oder Dieter Thomas Heck mit dem Schlager. Für die Country Music in Deutschland steht Walter Fuchs. Nach den Stationen SWF 3, SDR 3, Radio Victoria, RPR 2, Radio Ohr, SWR 1 Rheinland-Pfalz, Cool Radio und Popstop moderiert er seit März 2017 beim bundesweit empfangbaren DAB+ Programm Schwarzwaldradio (RADIOSZENE berichtete). Fuchs dürfte mit seinen 81 Jahren damit der älteste, regelmäßig aktive Moderator innerhalb der deutschen terrestrischen Rundfunklandschaft sein. Für seine große Fangemeinde produziert er seine Sendungen als Selbstfahrer im heimischen Bühler Studio.

Walter Fuchs in seinem Studio (Bild: Archiv Walter Fuchs)
Walter Fuchs in seinem Studio (Bild: Archiv Walter Fuchs)

Dabei musste der gebürtige Offenburger, der seinerzeit gemeinsam mit Verlegersohn Frieder Burda für drei Jahre die Volksschulbank drückte, über lange Jahre gegen zahlreiche Vorurteile gegenüber Country ansenden. Sein ehemaliger SWF-Kollege Elmar Hörig wollte Fuchs gar einmal „aus dem Sattel schießen“. Viele Hörer und Kollegen verbanden mit dem Genre kenntnisfremde Klischees wie Cowboys oder Trucker-Romantik. In den Köpfen mancher „Musikexperten“ beim Radio spukte Country gar als ein Musikstil, der mit dem volkstümlichen Schlager vergleichbar sei. Vorurteile, mit denen Walter Fuchs in seinen Sendungen und Büchern kräftig aufräumt. Die Country Music beschäftigt sich, genauso wie etwa Rock, auch mit tiefgründigen, sozialen und politischen Themen. Nachzuhören beispielsweise in Texten von Interpreten wie Willie Nelson, Kris Kristofferson, Johnny Cash oder den Dixie Chicks. Da geht es um Loser, gesellschaftliche Missstände, Frauenrechte und Umweltzerstörung. Oder in den derzeit zahlreichen und bissigen Countrysongs um den neuen US-Präsidenten Donald Trump. Gleichwohl hat sich Country, speziell hier in Europa, in vielfacher Form auch musikalisch weiterentwickelt.

Gerne erinnert sich Walter Fuchs an seine Anfangszeiten, als er zahlreiche Menschen – wie beispielsweise einen gewissen Harald Schmidt aus Nürtingen – über seine Shows für immer mit dem Countryfieber infizierte. Der junge Schmidt schrieb Fuchs damals unzählige Briefe und Musikwünsche – vorzugsweise für die Songs von Johnny Cash. Eine Leidenschaft, die lange anhielt – der TV-Moderator präsentierte während seiner Late-Night-Shows später immer wieder diverse eigene Cash-Gesangseinlagen.

Walter Fuchs und George Hamilton IV (Bild: Archiv Walter Fuchs)
Walter Fuchs und George Hamilton IV (Bild: Archiv Walter Fuchs)

Wie viele andere Deutsche wurde Walter Fuchs in der Nachkriegszeit nachhaltig von den alliierten Militärsendern geprägt. Und dies offenbar intensiv. Als er zu Beginn des Jahres 1970 als Hörer die Show eines (in der Country-Szene offenbar wenig kundigen) Moderators beim SWF Pop Shop kritisierte, wurde Fuchs wegen seines Fachwissens auf der Stelle für diese Sendung als Programmgestalter verpflichtet. Spontan waren sie eben, die Macher beim damaligen Südwestfunk. Über die Jahre hat sich der bekennende Badener den Ruf des führenden deutschen Country-Experten erarbeitet, schrieb zahlreiche einschlägige Fachbücher, referierte bei der Friedrich-Ebert-Stiftung über die sozialen und politischen Hintergründe der Country Music und rief 2003 in Bühl das zwischenzeitlich führende europäische Bluegrass-Festival ins Leben. Neben zahlreichen Auszeichnungen wurde Walter Fuchs im Jahre 1974 für seine Verdienste um die Country Musik zum Ehrenbürger von Tennessee ernannt.

Trotz relativ hohem Zuspruchs bei den Call-Outs hat die Country Music im deutschen Hörfunk in den letzten Jahren an Bedeutung verloren. Im heutigen Format- und Hitradio bei den privaten Sendern ohnehin, aber auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern reduziert sich einschlägige Musik nur noch auf eine Handvoll Spezialsendungen wie etwa bei Deutschlandradio, SWR 4, WDR 4 oder MDR 1 Sachsen-Anhalt. Schade eigentlich. Auch ein professionell veranstaltetes deutsches 24-Stunden-Country-Radio ist noch immer nicht auf Sendung.


Walter Fuchs und sein Plattenarchiv (Bild: Walter Fuchs)
Walter Fuchs und sein Plattenarchiv (Bild: Walter Fuchs)

Im Gespräch RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich gab Walter Fuchs tiefe Einblicke in interessante Welt der Country Music.

RADIOSZENE: Nun sind Sie über 45 Jahre im Radio on air. Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Sendung?

Walter Fuchs: Ja natürlich, so etwas vergisst man nicht. Ich weiss zwar nicht mehr das genaue Datum, aber es war im Frühjahr 1970. Der damalige SWF hatte am 01. Januar 1970 mit einer 3. Programmschiene begonnen und da lief jeden Dienstagnachmittag ab 13.00 Uhr eine halbe Stunde Country Music. Ich habe zunächst vorproduziert, später auch live-Sendungen gemacht.

RADIOSZENE: Wie sind Sie als waschechter Schwarzwälder zur Country Music und zum Radio gestoßen?

Walter Fuchs: Das hat mich wie ein Blitzschlag getroffen. Es muss 1949 gewesen sein, ich saß eines Nachmittags in der Küche über meinen Schulaufgaben, schaltete das Radio ein und plötzlich hörte ich eine Musik, die ich vorher noch nie gehört hatte. Ich war sofort fasziniert, auch von der lockeren Art der Moderation eines offensichtlichen Amerikaners. Ich hörte, wie sich später herausstellen sollte, AFN (American Forces Network) mit der Sendung „Hillbilly Gasthaus“, die werktags jeden Nachmittag von 15.05 bis 16.00 lief. Wenig später stellte ich fest, dass auch morgens ab 06.05 Uhr eine Hillbilly Sendung lief. Da wurde dann täglich mein Wecker gestellt, bis 07.00 Uhr Musik gehört und um 08.00 war ich dann in der Schule, den Kopf voller Melodien, da war auch schon mein späterer Lieblingssänger Hank Snow dabei. Ja, und seither bin ich am Haken, am „Country Music Haken“.

RADIOSZENE: Country ist ja nun nicht gleich Country. Neben Bluegrass, Western Swing, Nashville Sound hat die Musikrichtung eine gute Zahl weiterer Spielarten. Beschreiben Sie uns doch kurz wie sich das Genre historisch entwickelt hat.

Walter Fuchs: Nun, es gibt in der Entwicklung der Country Music einen Mainstream, der mit der sogenannten Old-Time Music begann, das waren neben Balladen, in denen Geschichten aus dem Alltag erzählt wurden, auch Instrumentals zum Tanzen. Das Ganze wurde im Wesentlichen auf Saiteninstrumenten gespielt wie der Fiddle, der Gitarre, dem Banjo, der Mandoline, der Autoharp und dem Dulcimer, einer Art Hackbrett. Starken Anteil an dieser Entwicklung hatte die schottische, irische und englische Volksmusik, aber auch die schwedischen, französischen, schweizerischen und deutschen Einflüsse sind nicht zu überhören. Nicht zu vergessen, auch der Blues der Afroamerikaner war für die Entwicklung der Country Music von elementarer Wichtigkeit. Aus diesen Anteilen entwickelten die europäischen Einwanderer in den USA aufgrund einer neuen Erlebniswelt eine eigenständige ländliche Musik.

Walter Bill MonroeAls die Musikindustrie 1927 das kommerzielle Potential der Hillbilly Musik erkannte, kamen neue Einflüsse dazu, die der Qualität zunächst kaum etwas schadeten. Man nannte sie dann wegen ihrer Verwendung in Western-Filmen auch „Country & Western Music“, später nur noch Country Music. Ab Anfang der 1940er Jahre entwickelte sich, neben dem Mainstream, mit Hilfe des Sängers und Mandolinenvirtuosen Bill Monroe ein erster eigenständiger Stil der Country Music, die sogenannte „Bluegrass Music“, bei der die Musiker jazzmässig improvisieren mussten.

Eine starke Zäsur gab es mit dem Aufkommen des Rock ‘n‘ Roll in den 1950er Jahren. Die Country Music verlor viele ihrer bisherigen Fans, vor allem die Jugend, an diese neue, gut tanzbare Musik. Die Country Music Strategen in Nashville schufen daraufhin, sozusagen am Schreibtisch, eine neue Art Country Music, in der plötzlich ganze Damenchöre und Symphonieorchester zu hören waren. Die Musik wurde verwässert, sie hatte plötzlich viel von ihrer alten Vitalität und Ursprünglichkeit verloren. Viele Fans sprachen danach verächtlich vom „Nashville Sound“. Doch grossen Stars wie Johnny Cash oder Waylon Jennings konnte diese weichgespülte Country-Music kaum schaden. In diesem Spannungsfeld zwischen Kommerz und echter Volkskunst kam es immer wieder zu Erholungsphasen und darauffolgenden Tiefschlägen. Neue Musikergenerationen, die man oft die „Neuen Traditionalisten“ nannte (sie kamen meist aus Texas) gaben der Country Music immer wieder neue Impulse bis auf die heutigen Tage.

Neben diesem Mainstream gab es immer wieder Phasen, in denen sich neue Stile und Spielarten entwickelten, oftmals beeinflusst durch den Jazz. Da gab es in den 30er und 40er Jahren vor allem in Texas und Oklahoma den Western Swing. In Louisiana dominiert die durch die Franzosen entwickelte Cajun-Music.
Fazit: Die Country Music hat sich trotz allen kommerziellen Einflüssen bis heute ihre Identität bewahrt. Und wer an Country Music denkt, der meint bis heute in den USA wie auch im Rest der Welt, den Mainstream.

RADIOSZENE: Welche Formen der Country Music kommt bei den deutschen Hörern gut an?

Walter Fuchs: Auch in Deutschland denkt man bei dem Terminus „Country Music“ an den Mainstream, obwohl die Fangemeinde für Bluegrass in Deutschland und auch in ganz Europa stark gewachsen ist, und in den USA immer wieder große Mainstream Stars zur akustischen Musik und Bluegrass konvertieren.

RADIOSZENE: Für viele Europäer steht Country zu allererst für Trucker Romantik. Ein Klischee?

Walter Fuchs: Das mit der Trucker Romantik war gerade in Deutschland immer ein Klischee. Denn mit Romantik hat dieser harte Beruf wenig zu tun. Natürlich hatte ich unter meinen Hörern vor allem am Sonntagabend ab 22.00 Uhr viele Trucker, deren Ehefrauen von zu Hause musikalische Grüße an ihre Männer auf den Autobahnen schickten. Doch die amerikanischen Trucker, zwischen dem Kontinent, zwischen der Ost- und der Westküste, die sind in einer anderen Situation als ihre Kollegen im relativ kleinen Europa. Schon in den 1930er Jahren hatte man in den USA den Trucker als Radiokunden entdeckt und spezielle Songs für ihn produziert, die „Truckdriving Songs“. Die Country Music mit ihren spannenden Stories aus dem Alltag, den Geschichten von Liebe, Hass, Mord und Totschlag, halten die Trucker auf ihren langen Fahrten wach.

Ein ganz großes Handicap für die Akzeptanz der Country Music in Europa war und ist immer noch die Vermischung des ganzen Genres mit dem „Cowboy“. Dieses Klischee stammt im Wesentlichen von der Popularität des sogenannten „Singenden Cowboys“ in den unzähligen Western-Filmen der 30er und 40er Jahre. Sänger wie Tex Ritter, Gene Autry oder Roy Rogers hiessen die Stars, die in den Filmen ihre Songs sangen und deren Platten man nach dem Filmbesuch bereits im nächsten Plattenladen kaufen konnte. Das war ein riesiges Geschäft.

Und so konnte es kommen, dass man vor allem in Europa, die Country Music leichtfertig als Cowboy-Musik bezeichnet und ihr immens schadet. Es wird in der Country Music vor allem tiefen Süden auch über Cowboys und Rodeos gesungen, aber es gibt in der Country Music keinen „Cowboystil“ , kaum einer der grossen und auch kleineren Stars war jemals Cowboy, sie waren Eisenbahner, Seeleute, Gelegenheitsarbeiter oder einfach Musiker. Tatsächlich wären viele amerikanische Sänger gerne Cowboys gewesen, der Cowboy war oftmals der Held ihrer Jugend gewesen. Hank Williams zum Beispiel hat seine Band „The Drifting Cowboys“ genannt. Warum? Das klang eben gut und romantisch. Williams war nie Cowboy.

RADIOSZENE: Seit einigen Jahren zählt man in den Staaten auch „Americana“ zur Country Music. Was ist eigentlich konkret darunter zu verstehen?

Walter Fuchs: Im Gegensatz zu Bluegrass oder Western Swing ist „Americana“ kein wissenschaftlich fundierter Stilbegriff für irgendeine Art von Musik. Es gibt keine Definition dafür. „Americana“ ist ein Marketing-Vehikel, das von der amerikanischen Musikindustrie kreiert wurde mit inzwischen eigener Hitparade. Da passt dann alles rein, was irgendwie mit dem amerikanischen Lebensstil, der Geschichte des Landes zu tun hat, dazu gehört der Blues, der Jazz, Spirituals, Gospel, Country, Cajun, Bluegrass, Swing, Folk und Protest. Ja, einige zählen sogar das Glenn Miller Orchester zu „Americana“. „Americana“ also ein Sammelbecken für alles Mögliche, ein Schlagwort für den Supermarkt.

RADIOSZENE: Sie haben in Ihrer langen Karriere als DJ und Journalist auch die großen der Szene kennengelernt. Was war Ihre eindrucksvollste Begegnung und welcher Künstler hat hier in Europa die Menschen am meisten für Country sensibilisiert?

Hank Snow und Walter Fuchs (Bild: Archiv Walter Fuchs)
Hank Snow und Walter Fuchs (Bild: Archiv Walter Fuchs)

Walter Fuchs: Nun, ich hatte viele Begegnungen mit großen und kleineren Stars aus den USA. Mit einigen verband mich eine jahrzehntelange Freundschaft, z.B. mit Hank. Aber auch Johnny Cash, über den ich ein Buch geschrieben habe, zähle ich mit Recht zu meinen Freunden. Daneben traf ich immer wieder Stars wie George Hamilton IV, Ernest Tubb, Bill Monroe, Valerie Smith, Mike Seeger oder Red Sovine. Alle aufzuzählen würde an dieser Stelle zu weit führen. Johnny Cash war es jedoch, der durch seine Musik und seine Ausstrahlung die Menschen in Deutschland am meisten für Country Music sensibilisiert hat.

RADIOSZENE: Wie kamen Sie zur Ehre zum Ehrenbürger von Tennessee ernannt zu werden?

Walter Fuchs: Ja, das war schon abenteuerlich und für mich zunächst kaum fassbar. Es war 1973, während meiner ersten Reise in die USA. Ich machte zahlreiche Interviews und traf zwangsläufig auf amerikanische Journalisten, die es damals kaum glauben konnten, dass ich im fernen Deutschland bei einem grossen Radio-Network, einem sogenannten „Public-Radio“, bei SWF3, regelmässige Country Music Sendungen produziere. Country Music, sowas typisch Amerikanisches, einfach unfassbar. Einer meinte, er sei beim Gouverneur von Tennessee am Capitol-Hill akkredidiert, und wenn er dem von mir erzähle, dann mache der mich sofort zum Ehrenbürger von Tennessee. Und so ist es dann auch geschehen.

RADIOSZENE: Welche Entwicklung nimmt derzeit die europäische Countryszene? Es gibt Experten, die die europäischen Countrymusiker derzeit künstlerisch sogar einen Tick im Voraus sehen.

Walter Fuchs: Die europäische Country-Music-Szene, die Jahrzehnte lang mit dem Ballast der sogenannten „Cowboy-Musik“ zu tun hatte und sich oft nicht so recht entwickeln konnte, ja, leider vielfach sich im deutschen Schlager verhedderte, die hat sich doch irgendwie frei geschwommen. Vor allem die Bluegrass-Szene hat sich in den vergangenen 10 Jahren immens entwickelt und bringt eigene Ideen in die Szene ein. Da werden nicht mehr nur die großen amerikanischen Vorbilder kopiert, sondern eigenständige Sounds entwickelt, ohne die Musik zu verwässern. Ich denke da vor allem an viele neue Bands aus Belgien, Holland, Finnland, Estland, Schweden, Norwegen, Frankreich, Schweiz, Italien, Irland, Deutschland, Österreich oder England. Die europäische Bluegrass Szene hat sich emanzipiert.

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RADIOSZENE: Seit März sind Sie, nach einem kurzen Exkurs bei Webradios, wieder im terrestrischen Radio zu hören. Was dürfen Ihre Hörer in der neuen Show bei Schwarzwaldradio erwarten?

Walter Fuchs: Der Wechsel zu „Schwarzwaldradio“ war für mich ein Glücksfall, schliesslich ist der Sitz dieses schlagkräftigen Senders meine Geburts- und Heimatstadt Offenburg. Als überzeugter Schwarzwälder kann ich mich da nur wohlfühlen. Im „Country Club“, meiner neuen Show, versuche ich das ganze breite Spektrum der Country Music zu bieten, angefangen bei Oldtime Music über Bluegrass, Western Swing, Cajun, Gospel bis hin zum Mainstream, so wie er sich auch in den aktuellen Hitparaden präsentiert. Natürlich werden auch deutsche bezw. europäische Bands berücksichtigt und auf Veranstaltungen werden wir natürlich auch eingehen, Musikwünsche werden auch erfüllt. Langweilig wird es nicht.

RADIOSZENE: Ihr Privatarchiv birgt unzählige Schätze wie besondere Songraritäten, Interviews, O-Töne – sind dafür eine Stunde pro Woche nicht zu wenig?

Walter Fuchs: Natürlich, für das, was mein Archiv hergibt, auch an unzähligen Interviews und O-Tönen und auch an Aktualitäten, ist eine Stunde zu knapp. Ich hatte bisher immer mindestens zwei Stunden pro Woche zur Verfügung, doch meine Zeit ist im Augenblick etwas begrenzt, deshalb muss ich mich auf eine Stunde beschränken. Doch das könnte sich auch wieder mal ändern. Die Chance für ein 24-Stunden Country-Programm in Deutschland sehe ich zurzeit nicht. Es gibt zwar schon seit Jahren ein solches Programm in Berlin, doch dies ist nicht kommerziell ausgerichtet. Es ist ein Hobby zahlreicher Idealisten, so meine Informationen.

RADIOSZENE: Machen speziell die öffentlich-rechtlichen Sender zu wenig für Country? In den letzten Jahren wurden ja diverse Sendungen eingestellt …

Walter Fuchs: … eindeutig haben speziell die öffentlich rechtlichen Sender in Deutschland ihr Interesse an der Country Music etwas verloren. Viele dieser Sender betreiben ihre sogenannten „Formatradios“, in die Country Music nicht reinzupassen scheint. In den 1960er Jahren hatte der WDR mit einer Country-Sendung begonnen, dann war 1970 SWF3 mit einem wöchentlichen Country-Programm eingestiegen, aus dem im Laufe der Jahre bis 1989 mehrere verschiedene Country-Sendungen pro Woche wurden. Leider sieht es mit „Country“ beim öffentlich rechtlichen Rundfunk derzeit nicht so gut aus. In der Szene wird so gut wie nicht über Country Music Programme beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesprochen. Da werden nur zahlreiche „Private“ gelobt. Vielleicht liegt es daran, dass man bei den Öffentlich-Rechtlichen kaum über kompetente Fachjournalisten verfügt. Die üblichen Moderatoren scheinen von den Freunden der Country Music nicht akzeptiert zu werden. Genauso wie beim Jazz, so muss auch bei der Country Music der Produzent und Moderator über ein großes Fachwissen und ein umfangreiches Musikrepertoire verfügen, sonst wird er vom Publikum nicht angenommen. Auch hier gilt, wie überall die alte Theaterdevise: „Du darfst nicht langweilen“! Wer Qualität bietet, der hat rasch die inzwischen recht große Country Music Gemeinde Deutschlands bzw. Europas bei sich.

RADIOSZENE: Im Jahr 2003 haben Sie in Bühl das „Internationale Bühler Bluegrass Festival“ aus der Taufe gehoben. Wie hat sich der Event zwischenzeitlich entwickelt? Wie man hört kommen selbst internationale Stars der Szene sehr gerne zum „Montreux“ der europäische Bluegrass Music. Wer wird in diesem Jahr auftreten?

Walter Fuchs: Das „Internationale Bühler Bluegrass Festival“ war schon im allerersten Jahr, also 2003, relativ gut beim Publikum angekommen. Schon von Beginn an kamen Besucher nicht nur aus ganz Deutschland, sondern vor allem auch aus der Schweiz, Frankreich, Holland, Belgien, England und Irland, ja, sogar aus den USA reisen manche Fans ihren grossen Stars nach Deutschland nach. Aus anfänglich einem Festivaltag wurden dann zwei. Die internationalen Stars kommen gerne nach Bühl und in den USA, speziell in Nashville, hat Bühl einen sehr guten Ruf. Was man besonders schätzt, das ist der Konzertsaal mit bester Akustik. Gerade heute habe ich mit einem der Gibson Brothers, mit Leigh Gibson, telefoniert, der ganz gerne wieder mal nach Bühl kommen würde. Folgende Stars und Bands kommen in diesem Jahr, am 19. und 20. Mai 2017, zum 15. Internationalen Bühler Bluegrass nach Bühl: „Dapper Dan Men“ (D), „The Country Pickers“ (CH), „Curly Strings“ (Est), „Jussi Syren & The Groundbreakers“ (Fin), „The Dead South“ (CAN), „Chris Jones & The Night Drivers“ (USA), „Balsam Range“ (USA).

RADIOSZENE: Abschließend eine private Frage: wie schaffen Sie es mit 81 Jahren noch eine wöchentliche Sendung mit zahlreichen inhaltlichen Höhepunkten und zahlreicher treuer Hörerschaft auf die Beine zu stellen – und das alles alleine im heimischen Studio?

Walter Fuchs: Eine gute Frage! Aber es klappt, auch mit 81. Manchmal schaue ich in meine Geburtsurkunde, um das alles zu überprüfen. Aber es stimmt. Vielleicht liegt es an den guten Genen, die mir meine Vorfahren mitgegeben haben, vielleicht an der Tatsache, dass ich nie geraucht habe, vielleicht auch daran, dass ich geistig immer rege und aktiv war und positives Denken immer Vorfahrt hatte. Manchmal habe ich auch das Gefühl, einige gute Geister um mich zu haben.

Michael Schmich