Mehmet Scholl war während seiner aktiven Laufbahn ein begnadetes Fußballgenie. Seine Karriere beendete der Tempodribbler nach 15 Spielzeiten im Stahlbad FC Bayern München mit dem Rekordeintrag als Dienstältester und nach errungenen Titeln erfolgreichster Profi des Clubs (unter anderen acht Deutschen Meisterschaften).
Neben dem Platz zeigte der mediengewandte Fanliebling Scholl bereits früh bissigen Humor und seine Begabung bei der Prägung launiger Bonmots – mit denen er regelmäßig in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam machte. „Ich werde nie Golf spielen. Erstens ist das für mich kein Sport, und zweitens habe ich noch regelmäßig Sex“, „Ich hatte noch nie Streit mit meiner Frau. Bis auf das eine Mal, als sie mit aufs Hochzeitsfoto wollte …“ oder „Hängt die Grünen, solange es noch Bäume gibt!“ sind bis heute nicht in Vergessenheit geratene Proben Schollscher Wortschöpfungen.
Seit 2008 kommentiert und analysiert Mehmet Scholl für die ARD die großen Fußball-Events und -Turniere im Fernsehen. Mit kritischem Auge, aber auch einer gehörigen Portion Schalk im Nacken erklärt der Experte dem Fußfallballvolk Spielszenen, Taktik oder das mondäne Treiben vor und hinter den Kulissen der deutschen Nationalmannschaft – nicht immer zur Erbauung der angesprochenen Aktiven und Funktionäre. Dies ist aber auch gewollt und gut so.
Weniger bekannt – zumindest außerhalb Bayerns – ist dagegen Mehmet Scholls nun schon langanhaltende Liebe zum Radio. Auf Bayern 2 moderiert der bekennende Indie-Rock-Liebhaber bereits seit 2009 die Sendung „Mehmets Schollplatten“. Gemeinsam mit seinem Co-Moderator Achim Bodgahn, einem eingefleischtem Fan des Münchner Lokalrivalen 1860 München, präsentiert das Multi-Talent Scholl einmal monatlich (immer sonntags 14.05 Uhr und 23.05 Uhr) Neuigkeiten aus der Welt der Rot-Blauen-Rivalität und stellt seine Favoriten aus der Indie- und Alternative-Musikszene vor.
RADIOSZENE-Redakteur Michael Schmich sprach mit Mehmet Scholl und Achim Bodgahn über Sendekonzept und Jugendsünden.
RADIOSZENE: Seit 2009 gibt es bei Bayern 2 die Sendung „Mehmets Schollplatten“. Welche Idee und Inhalte stehen in dieser Sendung?
Mehmet Scholl: Die Idee ist: Ein Ex-Bayern-Profi, der Independent-Musik liebt, wählt seine Lieblingsplatten aus und moderiert das Ganze mit einem glühenden Fan des TSV 1860 und Radio-Profi.
Achim Bodgahn: Mein Künstlername ‘Sechzig‘ steht sogar im Pass! Dass wir uns über den Fußball frotzeln, liegt in der Natur der Dinge. Aber über unsere gemeinsame Liebe zur Musik finden wir immer wieder zusammen.
Mehmet Scholl: Wichtig ist noch Folgendes: Unsere Sendung wird immer an ungewöhnlichen Orten aufgenommen. Zum Beispiel waren wir gemeinsam in Rio bei der WM, bei Marius Müller-Westernhagen daheim, im Bergwerk vom Deutschen Museum, am geographischen Mittelpunkt Bayerns, im Damen-Fitness-Studio, mit Waldemar Hartmann im Riesenrad auf dem Oktoberfest und so weiter. Über die Orte und die Menschen ergeben sich immer interessante Konstellationen und Gespräche …
RADIOSZENE: Wie viel persönlicher Musikgeschmack von Mehmet Scholl steckt in der Songauswahl? Und kommt die Musik tatsächliche von Vinyl?
Mehmet Scholl: 100 Prozent Scholl.
Achim Bodgahn : Und 0 Prozent Vinyl. Die Musik für die Sendung ist digital. Obwohl ich natürlich privat Vinyl liebe.
RADIOSZENE: Die Musikauswahl konzentriert sich in der Tat auf neue Songs aus dem Indie- und Alternative-Bereich. Wie aktiv beobachten Sie die Szene?
Mehmet Scholl: Sehr aktiv. Ich bin immer auf der Suche nach neuer Musik im Internet.
Achim Bodgahn: Und ich bin schon lange Musikmoderator und bemühe mich, immer die Augen offen zu halten. Zuletzt war ich wieder auf dem Eurosonic-Noorderslag Festival in Groningen in Holland, das ist Anfang des Jahres immer DER Gradmesser für neue Musiktrends. Und nebenbei stelle ich jede Woche in meinen Sendungen bei Bayern2 neue Nachwuchsbands aus Bayern vor.
RADIOSZENE: Co-Moderater ist mit Achim Bogdahn ein bekennender Fan von 1860 München. Sind inhaltliche Kontroversen bei der Bewertung der Musik nicht schon per se vorprogrammiert?
Mehmet Scholl: Nö. In der Musik sind wir uns einig. Im Fußball halt nicht.
Achim Bodgahn: Stimmt. Da hat er einfach keine Ahnung.
Mehmet Scholl: Achim! Sollen wir die Zweitliga-Tabelle rausholen?
RADIOSZENE: Mit welcher Musik und welchen Radiosendern wurde Mehmet Scholl in seinen jungen Jahren sozialisiert?
Mehmet Scholl: In Karlsruhe damals noch mit dem Südwestfunk und musikalisch mit Jugendsünden wie Valerie Dore.
RADIOSZENE: Alternative Rock als Musikgeschmack eines Fußballprofis? Eigentlich wird nach außen immer ein anderes Bild gezeichnet. Ist der Indie Rock Fan Scholl da eher die Ausnahme?
Mehmet Scholl: Ich fürchte ja. Im Bayern Bus lief jedenfalls meistens grauenhafter Chart Hip Hop.