MEDIA ANALYSE: We are all champions!

Small_Banner„Ist Euch schon mal aufgefallen, dass fast immer die Sender gewinnen, die Ihr hier Scheiße findet?“ (MAXX in den radioforen.de)

So, wie der normale Fabrikarbeiter auf das Wochenende hinarbeitet, mühen sich die Radioschaffenden der Republik für genau zwei Tage im Jahr: Jene Tage nämlich, an denen die AG MA die Daten ihrer Marktanalysen veröffentlicht. Und heute war es wieder soweit.

Da sich aber aus dem umfangreichen Zahlenmaterial selbst bei katastrophalen Hörereinbußen immer noch ein paar positive Daten herausdestillieren lassen, gilt auch diesmal wieder: Alle haben sie gewonnen! Das zumindest dokumentieren recht anschaulich die prächtigen Pressemitteilungen der Sender, deren Stimmungsspektrum sich zwischen ungebremster Euphorie und – schlimmstenfalls – vorsichtigem Optimismus bewegt. Aber was sagt uns die MA 2008 Radio I wirklich über die Hörerbewegungen in der zweiten Hälfte des abgelaufenen Jahres? Grob gesprochen drei Dinge:

1. Formatradio ist nicht tot.

2. Die Bäume wachsen nicht mehr in den Himmel

3. Es kann immer noch schlimmer kommen

Und vielleicht auch noch dieses: Was Qualität ist, bestimmen die Hörer und nicht die Radiomacher.

Aber der Reihe nach: Ein bekanntes Phänomen beobachten wir in NRW, denn hier stellen sich alle die Frage: Wo sind bloß unsere Hörer hin? Wohl kaum zu 1Live, wo man zwar mit einem Plus von 22 Tsd. Hörern als einziger Gewinner im größten Bundesland die Korken knallen lassen darf. Aber ein Hörerverlust von insgesamt über 190 Tsd. Hörern beim WDR und Radio NRW schafft Klärungsbedarf.

Ob die wohl im angrenzenden Niedersachsen fremdhören gegangen sind? Dort nämlich herrscht allerorten Grund zur Freude, sei es bei den Großen (immerhin 66 Tsd. Hörer + für Hitradio Antenne unter neuer programmlicher Führung, ffn konnte seine Spitzenposition konsolidieren) oder auch den Kleinen (Radio 21 kann ein Plus von knapp 7% sicher gut gebrauchen).

Höher im Norden gibt’s z. T. zufriedene Gesichter (R.SH mit geringen Zuwächsen stabil, delta radio konnte 5 Tsd. Hörer gewinnen), z. T. aber auch herbe Verluste: Vor allem Radio Bremen 4 musste mit einem dicken Minus von 21 Tsd. Hörern böse Federn lassen.

In Hamburg gibt es Hörerrückgänge für die Platzhirsche auf hohem Niveau (-10 Tsd. für Radio Hamburg bei immer noch 214 Tsd. Hörern). Grund zur Freude herrscht beim David alster radio; das „Rock´N Pop“-Format schwimmt auf Erfolgskurs. Auf nach Hessen. Dort kann man beim Marktführer FFH beruhigt durchatmen, wohingegen bei den „Kleinen“ weiterhin der Kittel brennt: harmony.fm aus dem Hause FFH verliert 13 Tsd. Hörer und auch MAIN FM und Sky kriegen die Füße nicht so recht auf den Boden. Der Sonderpreis für fulminanten Hörerzuwachs geht aber an das öfftlich-rechtliche hr1. 28 Tsd. Hörer sind ein Plus von respektablen 32.7% für das erste Programm des Hessischen Rundfunks. Die durchgeführten Reformen wurden oft heftig gescholten, der Hörer sieht’s (bzw. hört’ s) offenbar anders.

Im Südwesten, also Baden-Württemberg hingegen wenig Neues. Die großen öffentlich-rechtlichen Anstalten geben etwas nach, einige Bereichssender legen ein wenig zu. Bei Radio TON fragt man sich aber wieder einmal: Haste Töne? Und beim Mannheimer Radio Regenbogen liegt die Kontinuität weiterhin leider in beständigen Verlusten, auch wenn man nach der jüngsten Neupositionierung (der wievielten eigentlich?) positiv gestimmt in die Zukunft blickt. Dazu hat man im südbadischen Freiburg derzeit allen Grund, denn das frischgebackene baden.fm freut sich über insgesamt 12 Tsd. Hörer, auch wenn der Sender erst nach Ende des Abfragezeitraums für die aktuelle MA zu existieren begann. Bis Ende 2007 hieß die Station nämlich noch 106.0 Antenne. Das multiföderale Jugendprogramm bigFM hat zwar in den vergangenen Jahren an technischer Reichweite zulegen können und bedient inzwischen 3 Bundesländer, aber vor allem im Kernsendegebiet Baden-Württemberg kann man mit Hörerzahlen von nun unter 100 Tsd. (-15 Tsd.) wohl kaum von Potentialausschöpfung sprechen.

Keine großartigen Bewegungen vollzieht die Hörerschaft in Rheinland-Pfalz. Allein ROCKLAND Radio fällt mit einem Zuwachs von 13.5% aus dem Rahmen. Dumm nur, dass man im Frühjahr das Opfer der Neuordnung im pfälzischen Äther werden wird und Frequenzen lassen muss.

Im kleinen Saarland bleibt alles im einstelligen Bereich, sowohl die Europawelle wie auch das private Radio Salü liegen mit um die 5% Zuwachs in der vielzitierten Schwankungsbreite.

Blicken wir über den Weißwurscht-Äquator nach Bayern: Ein Verlust von 29 Tsd. Hörern würde für so manche Regionalstation das Aus bedeuten. Bei einem Mammutsender wie Antenne Bayern sind das allerdings lediglich -2,9% der Gesamthörerschaft. Das wird man verschmerzen können, auch wenn man sich nach der magischen Millionengrenze künftig wieder etwas strecken wird müssen. Der von Kritikern prognostizierte Abwärtstrend jedenfalls manifestiert sich hier sicher nicht. Bayern 3 bleibt nach wie vor in sicherer Distanz, auch wenn dort die Verluste mit -14 Tsd. eher klein ausfallen. Nun will man sich dort ja vom Formatradio verabschieden. Schaun´mer mal. Böse sieht´s jedenfalls für das formatierte B5 aktuell aus. Die Infowelle büßte 23 Tsd. Hörer ein. Das bayernweite Radio Galaxy konnte dagegen leicht zulegen, nämlich um 15,8% und bedient nunmehr 60 Tsd. jugendliche Bajuwaren. Die MA steht ja seit Jahren im Kreuzfeuer heftiger Kontroversen, allein ist allen klar: Sie ist die Währung. In Bayern gibt es allerdings derer zwei. Die Funkanalyse (FA) registriert hier die Quotenentwicklung der bayerischen Lokalsender, von denen nur einige auch in der MA ausgewiesen werden. Und da gibt es in München eine Riesenüberraschung: GONG 96.3 musste wieder herbe Verluste hinnehmen und sich von weiteren 15 Tsd. Hörern trennen. Der Großteil hiervon scheint beim Konkurrenten 95,5 Charivari Zuflucht gesucht zu haben. Auffällig hierbei ist diesmal, dass es nicht nur am Tagesprogramm bei GONG gelegen haben kann, sondern auch der bisherige Morgenkönig Mike Thiel Verluste hinnehmen musste, die der Konkurrenz zu Gute kamen. Klarer Fall: Charivari ist der Winner der Münchener MA, denn bei Radio Arabella und ENERGY gab es bestenfalls Seitwärtsbewegungen. Bei der Rockantenne ging’ s wieder leicht bergab.

Bleiben Berlin, Brandenburg und die (nicht mehr ganz so) Neuen Bundesländer. Der prozentuale Gewinner in der Hauptstadt heißt STAR FM 87.9 (+21,4%) und somit sind jetzt 39 Tsd. Hörer „Maximum Rock“-hörig. Wo Gewinner, da Verlierer: Schlimm erwischt hat es KISS FM (-22,7%), freuen darf man sich dagegen bei Radio TEDDY, wo man noch mal 4 Tsd. Hörer nachlegen konnte. Aufwärts geht es auch wieder mit 104.6 RTL (+13 Tsd.) rs2 (ebenfalls +13 Tsd.) und BB Radio (+22 Tsd.). Beim rbb ging es abwärts mit Fritz (jetzt mit -6% unter die 100 Tsd. gerutscht), 88,8 (-12,5%) und Info Radio (-6,7%). Radio Eins dagegen konnte wieder leicht zulegen (+5,3%) und kratzt nun wieder an der 100-Tausender-Grenze.

In Mecklenburg-Vorpommern finden wir klare Verhältnisse: Die private Ostseewelle legt weiter auf 183 Tsd. Hörer zu und distanziert damit die Antenne Meck-Pomm, die mit einem Minus von 3% jetzt bei 139 Tsd. Hörern steht.

In Sachsen-Anhalt hat der MDR mit seinem Radio Sachsen-Anhalt gute Karten und konnte 25 Tsd. Hörer gutmachen. radio SAW bleibt mit leichten Verlusten Platzhirsch und ROCKLAND kann mit einer Performance von nur mehr 9 Tsd. Hörern (-18,9%) wenig überzeugen.

Lassen wir den Blick nach Sachsen schweifen. Dort fallen nur die Verluste von Hitradio RTL (-18 Tsd., jetzt 97 Tsd. Hörer) und die Gewinne von ENERGY Sachsen (+6 Tsd.) besonders auf.

In Thüringen hingegen hat der öffentlich-rechtliche MDR die Nase vorn (jetzt 180 Tsd. Hörer), während Antenne Thüringen 21 Tsd. Hörer einbüßte und vor allem bei der Landeswelle (-17 Tsd., jetzt 73 Tsd. Hörer) wird man gebannt auf die künftigen Entwicklungen schauen.

Insgesamt verloren die ARD-Hörfunkprogramme minimal, während die Privaten leicht zulegen konnten. Bei den großen Marktführern scheinen die Potentiale inzwischen weitgehend ausgeschöpft zu sein (siehe Antenne Bayern), während kleine Lokal- und Regionalsender schwer darum kämpfen müssen, nicht unter die Räder zu kommen (siehe MAIN FM, sky radio). Kleine bis mittlere Sender, die gezielte Hörergruppen mit speziellen Formaten bedienen (in Deutschland sagt man ja gerne Nischen- oder Spartenprogramme) haben gute Entwicklungschancen, wenn sie einen langen Atem beweisen und ihrem Format nicht untreu werden (siehe Star FM). Egal, auf welche Programmfarbe man setzt, es bleibt wichtig, sich in den Köpfen der geliebten Zielgruppe klar mit seinen Produktvorteilen zu positionieren und dabei nicht zuviel herumzuexperimentieren (siehe Radio Regenbogen).

Bei allem dürfen wir nicht vergessen: Viele Sender haben in den vergangenen Wochen und Monaten Veränderungen im Programm eingeleitet, die durch die aktuellen MA-Zahlen keinesfalls reflektiert werden. Es bleibt also spannend!

(CF/RADIOSZENE)