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Deutschquote: Angst vor dem Volk

Bitter Lemmer

Zu den Unterstützern der Deutschquote gehört bekanntermaßen Peter Maffay. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern Westernhagen, Klaus Lage und den Scorpions besitzt er einen eigenen Radiosender – Rockland Rheinland-Pfalz. Aus der Selbstdarstellung von Rockland im Jahr 2004, am Tage der Bundestagsanhörung zur Deutschquote: „Hatten Sie sich nicht schon immer einen Radiosender gewünscht, der den ganzen Tag Ihre Lieblingssongs von Queen, Uriah Heep, Beatles, Fleetwood Mac und den Stones spielt? Dieser Sender existiert: Rockland Radio – Classic Rock“. Das ist nicht deutsch – das ist Glaubwürdigkeit nach Politikerart.

Das Bundestagspräsidium ist sich einig – Wolfgang Thierse mit seiner grünen Stellvertreterin Antje Vollmer. Frau Vollmer klagte kürzlich im Spiegel: „Damals glaubten noch alle, daß sich auf dem freien Markt Qualität auch durchsetzen würde.“ Welcher freie Markt, bitte? Private Sender erhalten Lizenzen auf Zeit, die sie nicht verkaufen können. Folglich denken sie in Lizenzzyklen. Bis zum Ende eines Zyklus muß die Investition plus Verzinsung eingespielt sein, sonst war es ein schlechtes Geschäft. Das ist wie in der Politik, wo die Rendite bis zur nächsten Wahl im Sack sein muß – sonst scheitert die Wiederwahl.

Wir wollen Frau Vollmer außerdem daran erinnern, daß sie und ihre Partei überhaupt nichts gehofft hatten. Als die ersten Privatsender in den 80er Jahren zugelassen wurden, geschah das gegen den ausdrücklichen Willen der Grünen, großer Teile der SPD und der Gewerkschaften.

Die programmlichen Zwänge, die an die Lizenzen gekoppelt sind, müssen wir nicht extra erwähnen. Die kennen wir eh. Radio ist durchreguliert, Takt für Takt.

Zur Qualität von Musik sagen wir lieber nicht so viel, denn über Geschmack läßt sich immer trefflich streiten. Frau Vollmer weist auf eine Liste von 500 Musikern, die für die Deutschquote seien. Da finden sich so unterschiedliche Namen wie Yvonne Catterfeld, Xavier Naidoo oder der erwähnte Peter Maffay. Quote und Qualität beginnen beide mit Q, haben aber ansonsten nichts miteinander zu tun. Es gibt gute und schlechte deutsche Produktionen – anders ausgedrückt: Manche gefallen, manche nicht.

Als Vorbild wird von Quotenbefürwortern immer Frankreich genannt. In Frankreich gibt es nationale Radiolizenzen. Wenn die Quotenbefürworter sagen würden, daß Radiosender deutschlandweite Sendegebiete bekommen dürfen, wäre der Vergleich berechtigt. So ist er es nicht.

Zur Berücksichtigung der Quote genügt es in Frankreich, wenn ein amerikanischer Rapper in einem französischen Studio ein paar französische Zeilen einspielt, die dann in den amerikanischen Hit hineingemischt werden. Ein französischsprachiger Song aus der belgischen Wallonie ist dagegen ausländisch und zählt nicht. Die Quote ist in Frankreich folglich auch bürokratisch – mit dem Unsinn, der zur Bürokratie naturgesetzlich dazugehört.

Wie soll diese Quote übrigens definiert sein? Muß das Lied in Deutschland produziert und mit einem deutschen Text versehen sein (nennen wir es die „volldeutsche“ Variante)? Reicht es aus, eine deutsche Produktion mit deutschen Musikern mit einem englischen Text als quotentauglich zu akzeptieren (die „teildeutsche“ Variante)? Was ist mit einem in Deutschland produzierten Instrumental (die „stummdeutsche“ Variante)? Müssen die Musiker alle einen deutschen Paß besitzen (die „volksdeutsche“ Variante)? Was passiert, wenn deutsche Musiker und Produzenten ein Studio in Mallorca besitzen und dort Musik einspielen (die „exildeutsche“ Variante)? Wie verhalten wir uns, wenn eine Band aus Mitgliedern verschiedener Nationalitäten besteht (die „multikultideutsche“ Variante)? Wie halten wir es mit Österreichischen oder Schweizer Produktionen (würden wir diese Varianten als „deutsch“ bezeichnen, hätten wir eine böse Debatte mit den Alpenländlern). Die Beantwortung dieser Fragen ist wichtig, denn sie klären, ob die Quote kulturell oder wirtschaftlich begründet sein soll.

Frau Vollmer spricht außerdem davon, daß die öffentlich-rechtlichen Sender die Verpflichtung hätten, kulturelle Vielfalt zu spiegeln, was sie nicht ausreichend täten. Das mag – zur Not – als Begründung für eine Quote bei den öffentlich-rechtlichen Sendern gelten. Frau Vollmer verlangt aber ausdrücklich, auch die Privaten unter Quotenzwang zu stellen. Sie macht sich gar nicht erst die Mühe, das zu begründen.

Das allerdings läßt tief blicken – ebenso der Umstand, daß niemand in der Politik, gleich, welcher Partei, ihr widersprochen hat. Die Wahrheit ist: Hier geht es um Zensur, um die Einschränkung von Medienfreiheit, um die Beschneidung demokratischer und verfassungsmäßiger Rechte.

Ihr haltet das für übertrieben?

Ist das zeitliche Zusammentreffen verschiedener Umstände etwa Zufall?

Als da wären (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Die Einschränkung der Pressefreiheit durch das Caroline-Urteil, die Springer, Spiegel und zahlreiche weitere Zeitungsverlage auf außergewöhnliche Weise zum Protest einte. Die vorsätzliche Entgleisung des SPD-Politikers Poß, der den Verschwendungsbericht des Steuerzahlerbundes als „Rechtspopulismus“ geißelte und der damit berechtigte Kritik am Umgang mit Volksvermögen rhetorisch in die Nähe der Volksverhetzung stellte. Die Angst der Politiker vor einem Volksentscheid zur Europäischen Verfassung. Kanzler Schröders Urteil, die „Wahlen“ in Tschetschenien seien fair verlaufen. Die Siegesreden der Parteien nach den verlorenen Wahlen in Brandenburg, Sachsen und den NRW-Kommunen (dort sind nur noch 54 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen gegangen – warum wagt es niemand, dieses Votum politisch zu bewerten?).

Und jetzt die Deutschquote – ein weiteres Mittel, um Medienfreiheit politisch-bürokratisch zu beschneiden.

Wirklich nur Zufall? Oder die schrittweise Zerschlagung von Freiheitsrechten aus Angst vor Machtverlust?

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de

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