Jörn Krieger: Gutes Programm ist die beste Werbung für Digitalradio

Digitalradio DAB+

Die Internationale Funkausstellung in Berlin stand auch in diesem Jahr an einem Tag wieder im Zeichen des Radios – insbesondere des digitalen Radios. Auf dem „Digitalradiotag“ der Medienanstalten wurden die aktuellen DAB+-Reichweiten- und Verkaufszahlen vorgestellt, im Anschluss diskutierten Branchenvertreter über die Zukunft des Hörfunks. Jörn Krieger, freier Journalist, moderierte die Veranstaltung. Mit RADIOSZENE sprach er im Anschluss über seine Meinung zum digitalen Radio – und weshalb der Verbreitungsweg vielleicht gar nicht so wichtig ist.

Jörn, was man bei deiner Moderation des Digitalradio-Tags auf der IFA 2015 gemerkt hat: Du glaubst an die Zukunft des Radios und glaubst auch, dass DAB+ die Radiozukunft sichern kann.

Ich glaube vor allem an gutes Programm. Denn der Hörer kauft ja keine Technik, sondern Zugang zu gutem Programm. Zu Sendern, zu Moderatoren, zu Inhalten, die er gerne haben möchte. Idealerweise in guter Qualität, unterbrechungsfrei und in hochwertiger Klangqualität. Und wenn ihm DAB+ das liefern kann, dann ist das mit Sicherheit ein besserer Weg als IP-Radio mit all seinen Vor-, aber auch deutlichen Nachteilen.

Jörn Krieger
Jörn Krieger

Was im Programm für viele Hörer eine große Rolle spielt, ist die Musik. Spotify und Apple Music haben sich in der Hinsicht auch einen Namen gemacht – glaubst du, dass sich das traditionelle Radio gegenüber neuen Angeboten wie diesen überhaupt behaupten kann?

Absolut. Das wurde ja auch hier auf dem IFA-Digitalradiotag durch Hans-Dieter Hillmoth von HIT RADIO FFH angesprochen, dass gutes Radio immer lokal und regional verwurzelt ist. Wir hatten ja vor einigen Jahren die Diskussion um Webradio, mit dem man den ganzen Tag lang etwa Radio aus Hawaii hören kann. Das ist vielleicht auch mal ganz schön, aber irgendwann nervt das und es bringt mir nicht die Informationen über das, was vor meiner Haustür passiert. Und das liefert mir das lokale Radio: regionale Informationen, Nachrichten, Veranstaltungstipps. Das liefert kein Spotify oder Radio von Apple. Das ist eine Ergänzung für bestimmte Szenarien. Zum Beispiel zur Entspannung am Abend mit bestimmten Musikrichtungen – dann ist das ganz Recht. Aber im Auto zum Beispiel, wenn ich zur Arbeit fahre, dann will ich doch wissen, ob da vorne ein Stau ist oder nicht. Diese Info bringt mir mein Lokalradio. Und wenn ich das im Digitalradio hören kann, dann hör‘ ich es dort, weil das UKW-Rauschen dort der Vergangenheit angehört.

Das mag sein, aber verschiedene Sender experimentieren auch damit, ihre Inhalte z.B. in Spotify zu integrieren. Das wird zwar alles noch ausprobiert, aber könnte das nicht eine ernsthafte Konkurrenz werden?

Gutes Radio ist immer Experimentierradio. Und man kann alle Ansätze immer nur ausprobieren, um gerade auch das junge Publikum mit ihren Smartphones und Tablets abzuholen und zu begeistern. Es geht dabei ja auch um einen Markentransfer auf die junge, nachwachsende Generation, sodass die wissen, was ein ARD-Radioprogramm ist, wie es sich von einem Privatradiosender unterscheidet und weshalb man eine Gebührenfinanzierung braucht. Es geht also wirklich um einen Versuch, die junge Generation dort abzuholen, wo sie sich befindet.

Was wir in der ganzen Diskussion „Spotify vs. Traditionelles Radio“ nicht vergessen dürfen: Die Streamingdienste sind alle internetbasiert. Aber wenn man nicht zuhause in Reichweite vom WLAN ist, empfängt man Radio eben im Mobilfunknetz. Und nach ein paar Stunden Streaming pfeift die Datendrossel und dann ist es aus: Nicht nur mit Livestreaming, sondern auch mit schnellem Internet. Daher ist es meiner Meinung nach auch wichtig, DAB+ dort zu etablieren, wo ich es brauche. Also auch auf Tablets und Smartphones. Die Chips dafür kosten nur ein paar Euro. Die Frage ist, wieso sich so wenig tut, dass wir keine DAB-Empfangsmöglichkeit auf diesen Geräten haben. UKW-Radio ist vielleicht dabei, obwohl es der älteste der aktuell relevanten Verbreitungswege ist – aber DAB+ fehlt. Man kann natürlich argumentieren, dass die Mobilfunkbetreiber kein Geschäftsmodell dahinter sehen. Ich würde aber weiterdenken: Ich verbrauche für DAB+ kein Datenvolumen. Dennoch könnte man den Rückkanal über das Internet nutzen und dann etwa an Gewinnspielen teilnehmen, auf „Gefällt mir“ oder „Gefällt mir nicht“ klicken oder mit den Moderatoren chatten. Da wäre doch eine hybride Lösung ideal. Da hätten alle was davon und das sollte stärker diskutiert werden.

Was fehlt eigentlich noch, um auch noch die übrigen potenziellen Digitalradio-Nutzer von DAB+ zu überzeugen und welche Probleme müssen noch angegangen werden?

Digitalradio auf Empfang. Foto: RADIOSZENE
Seit August 2011 sendet das bundesweite Digitalradio, dazu kommen regionale und teils lokale Programme.

Es muss stärker beworben werden, das Marketing ist ganz wichtig. Es muss stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung eindringen, dass nicht nur das Fernsehen digital ist, sondern auch das Radio. Gerade die auf der IFA vorgestellte Studie des IFAK-Instituts zeigt, dass die Digitalradio-Hörer von der progammlichen Vielfalt begeistert sind, aber auch von der Klangqualität. Das muss alles viel stärker ins Bewusstsein gerückt werden.

Neben der Vermarktung ist es aber auch wichtig, die Finanzierung sicherzustellen. Die Privatsender haben ja keine Gebühreneinnahmen. So wurde diskutiert, dass man Mittel aus den Überschüssen der Haushaltsabgabe oder aus der Digitalen Dividende Gelder dem Privatradio zur Verfügung stellt, um die Simulcastphase zu refinanzieren. Das geht mit den Werbeeinnahmen nämlich nicht so einfach, denn dieser Simulcastbetrieb verursacht ja zusätzliche Kosten.

Außerdem wichtig: Einfach gutes Programm anbieten und gar nicht so auf den Verbreitungsweg achten, denn dann kommen die Hörer schon automatisch!

Wenn Deutschlandradio-Intendant Willi Steul über das Digitalradio spricht, erwähnt er auch immer ein UKW-Abschaltdatum. Brauchen wir die UKW-Abschaltung wirklich oder sollte für einzelne Sender UKW weiter bestehen bleiben?

Die einen befürworten die UKW-Abschaltung, die anderen sagen, es muss eine marktgetriebene Entwicklung sein. Ich sage: sowohl als auch. Jetzt schon einen Abschalttermin festzulegen halte ich nicht für sinnvoll. Man weiß ja nicht, ob diese Termine eingehalten werden. Es gab ja schon öfters Termine in den Landesmediengesetzen, die dann verschoben wurden. Viel wichtiger wäre, zu warten, bis die Marktdurchdringung größer ist – jetzt ist sie erst bei 10% – und dann kann man abschalten. Das war ja bei der Einführung von DVB-T und des digitalen Satellitenfernsehens der Fall: Wir hatten 70, 80, 90% digitale Nutzung; für die analogen Signale konnte man dann einen realistischen Abschalttermin festlegen. Natürlich geht das nur im Schulterschluss der privaten und öffentlich-rechtlichen Anbieter, der Endgeräteindustrie, Verbraucherverbände und Landesmedienanstalten. Auch hier ist die Zusammenarbeit ganz wichtig.

Jörn, vielen Dank für das Gespräch!

 

Weiterführende Informationen
DAB-Reichweitenstudie (PDF)
Fotos und weitere Infos vom Digitalradiotag
Medienanstalten: Digitalradionutzung nimmt zu
Willi Steul: „DAB+ fällt nicht hin“
Jörn Krieger: Analog? Digital? Egal! Aufs Programm kommt’s an!