Yps mit Gimmick

Bitter Lemmer

Unter allen Radiobeiträgen, die nie im Radio gesendet wurden, ist das verrückte Telefon von ffn mit Andrea Ypsilanti der vermutlich beste. Dass er nicht im Radio gesendet wurde, liegt an unserer unfreien Lizenzradio-Landschaft. Dass wir die haben, verdanken wir wesentlich der SPD. Weshalb es logisch ist, dass deren linker Flügelgimmick Yps jetzt klagt.

In Frankreich, den USA, in Polen, Tschechien, Australien, England, Italien oder Spanien wäre das Ypsifon im Radio gelaufen. Vor allem in Frankreich, wo der Sender RTL einen Stimmenimitator beschäftigt, der ständig irgendwelche Politiker aus der ersten Reihe leimt. Und das dann sendet. Ohne Gerichtsverfahren, ohne Ermittlungen, ohne Strafandrohungen oder ähnliche Sanktionen aus dem Arsenal der lupenreinen Demokraten.

An dieser Stelle müssen wir jetzt wirklich mal über die SPD reden. Um deren Zustand muss das Land sich sorgen, wenn man Frau Ypsilanti reden hört. Sie findet nichts dabei, dass der kommende Parteivorsitzende Müntefering mal so einfach einen Posten vergeben will, den er 1., nicht zu vergeben hätte, weil er selber noch nicht gewählt wurde, und 2., auch im Fall seiner Wahl zum Vorsitzenden nicht zu vergeben hätte, weil der Parteitag den Generalsekretär mit der Mehrheit der Delegiertenstimmen wählt. Solche Gedanken kommen der Frau Ypsilanti gar nicht. Sie scheint gänzlich einverstanden zu sein und es als alltäglich zu empfinden, Personalfragen undemokratisch von oben zu dekretieren.

Der dieses Telefongespräch umgebende rechtliche Komplex dient jetzt hauptsächlich dem Zweck, dem Volk, dem dummen, die Kenntnisnahme solcher authentischen und unfrisierten Worte dieser Frau Volksvertreterin zu ersparen. Die Persönlichkeitsrechte der Yps sollen über das Recht der Allgemeinheit gehen, die Yps, wie sie ist, kennenzulernen. Das steht in schönem Kontrast zu der Moralsäuernis der SPD, die sich ja sonst nicht darin übertreffen lässt, vorgebliche Rechte der Allgemeinheit vor individuelle Freiheitsrechte zu stellen. Also hohe Steuern, hohe Transferleistungen, viel Mitreden überall, z.B. bei der KfW oder der Regulierung von Medien.

Wundert sich noch jemand darüber? Ein Altkanzler, der Putin für einen lupenreinen Demokraten hält und die Strippen für die Ernennung des neuen Vorsitzenden an Parteigesetz und Parteistatut vorbei gefingert hat; die machtpolitisch motivierte Ernennung der Linkspartei zum show-demokratischen Partner; die Maßregelung eines Senders für einen Beitrag, den er nichtmal ausgestrahlt hat. Das schreit nach dem, was die SPD in Sonntagsreden so toll findet, allerdings nur in Fällen, bei denen sie es machtpolitisch für opportun hält: Zivilcourage.

Ich habe keine Ahnung, ob die ffn-Kollegen wussten, welches Fass sie mit ihrem verrückten Telefon aufgemacht haben. Sie haben die Macht im Lande herausgefordert, diejenige Partei, die stärker als jede andere in Beamtenschaft, Gewerkschaften und Verbänden gesellschaftlich bestimmt, die darüber humorlos, selbstmitleidig und gouvernantenhaft wurde.

Wer Hörfunkpreise zu vergeben hat, sollte sie jetzt ffn verleihen. Weil das Ypsofon ein treffendes Schlaglicht auf den Zustand dieser Republik warf.

Nebenbei: Endlich mal wieder ein Radiobeitrag, der zum Hören gemacht wurde und nicht zum Nebenbeihören.

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de