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BLM-Medieninnovationstag: „Das Naturschutzgebiet UKW gibt es nicht mehr“

3ru5lSI2D8NU-thumbEin sich ständig änderndes Mediennutzungsverhalten, immer mehr neue Endgeräte und die rasante technische Entwicklung – das sind die größten Innovations-Treiber im digitalen Wandel, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Eine entsprechende Aufbruchstimmung prägte gestern die media:innovations, den 2. Medieninnovationstag der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Rund 200 Teilnehmer besuchten die von Richard Gutjahr moderierte Veranstaltung in der Landeszentrale, die thematisierte, wie Medienhäuser und Start-ups Innovationsprozesse befördern können. Außerdem wurden neue Produkte und Anwendungen vorgestellt.

Richard Gutjahr (Bild: @ BLM)
Richard Gutjahr (Bild: @ BLM)

„Innovationen, vor allem im digitalen Bereich, verbrauchen sich nicht, sondern entwickeln sich weiter. Alte und neue Ideen kann man wie nie zuvor verbinden. Jede neue Entwicklung wird so zum Baustein künftiger Innovationen“, so definierte BLM-Präsident Siegfried Schneider in seinem Grußwort die besondere Faszination von Innovationen im Medienbereich.

Disruption ist mehr als Innovation

Eine vielbeachtete Keynote hielt Christoph Keese, Executive Vice President bei Axel Springer und Autor des Buches „Silicon Valley“. Keese war ein halbes Jahr ins mächtigste Tal der Welt gezogen und berichtete aus erster Hand von seinen Erfahrungen in Kalifornien. Die wichtigsten Begriffe, die er aus dieser Zeit mitnahm, sind „Disruption“ und „Plattform“. Disruption sei mehr als Innovation, denn sie schaffe neue Marktstrukturen. Als Beispiel dafür nannte Keese die Entwicklung von der CD zu Musik-Plattformen wie Spotify.

Christoph Keese (Bild: @ BLM)
Christoph Keese (Bild: @ BLM)

„In der analogen Medienwelt gab es ein lineares Verhältnis von Aufwand und Ertrag. Plattformen haben ein exponentielles Verhältnis von Aufwand und Ertrag“, begründete Keese die zentrale Bedeutung von Plattformen und mahnte: „Die Medienindustrie muss verstehen, dass die Digitalisierung es ermöglicht, Plattformen zu installieren, die Preise und Konditionen diktieren.“ Wichtigste Marketing-Plattform der Welt werde aus seiner Sicht schon bald der Screen im Auto sein. „Der, der diese Plattform hat, wird Gewinner der Wertschöpfungskette sein. Plattformen sind die Marktplätze der Digitalisierung.“ Bei aller Euphorie über die Chancen der Digitalisierung wies Keese aber auch darauf hin, dass die Digitalisierung den Trend zu Monopolen befördere. „Darauf muss die Gesellschaft eine regulierende Antwort finden.“

Marktüberblick im Medieninnovationsmonitor

Wissenschaftlich näherte sich Prof. Dr. Klaus Goldhammer von Goldmedia dem Thema und stellte den Medieninnovationsmonitor vor. Als zentrale Trends nannte er Messaging („WhatsApp wird zum neuen Nachrichtenkanal“), non-lineares Bewegtbild („Wer braucht noch CNN, wenn es Periscope gibt?“), Audio-Universen („das Naturschutzgebiet UKW gibt es nicht mehr, Streaming wird wichtigster Treiber“) und New Journalism: „Anstatt auf die Homepages von Medien zu verlinken, werden journalistische Inhalte direkt auf den Social-Media-Kanälen gepostet.“

Dr. Klaus Goldhammer(Bild: © BLM)
Dr. Klaus Goldhammer(Bild: © BLM)

Einen Einblick in die Methode des „Design Thinkings“ – ein Mensch zentrierter Ansatz, Design-Methoden für Innovationsprozesse anwendbar zu machen – gab Prof. Oliver Szasz von der Macromedia University München. Für ihn ist momentan der große Trend: „der Übergang von der Consumer Culture über die Prosumer Culture zur Sharing Culture.“ Der Wille, etwas wirklich Neues machen zu wollen, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, innovative Forschungsmethoden anzuwenden und multidisziplinäre Teamstrukturen aufzubauen, gehören für Szasz zu den wichtigsten Innovations-Treibern. „Man muss kreatives Denken und kreatives Selbstvertrauen fördern.“

Media:lab Bayern kurz vor dem Start

Genau diese Idee will das neue media:lab der BLM umsetzen. Die Innovationsschmiede entsteht im Verbund mit dem WERK1 Bayern, dem digitalen Gründerzentrum für Internet und Medien im Münchner Osten. Gefördert wird das media:lab durch das bayerische Wirtschaftsministerium. Stefan Sutor, Referent für Strategie und Entwicklung bei der BLM, und Lab-Leiterin Lina Timm stellten den neuen Ideeninkubator für digitale Medien und digitalen Journalismus, der demnächst am Münchner Ostbahnhof an den Start geht, vor.

Stefan Sutor (Bild: BLM)
Stefan Sutor (Bild: BLM)

Sutor: „Wir wollen einen Raum für Ideen und den Austausch von Journalisten, Mediengestaltern, Programmierern und Designern schaffen.“ Zu diesem Zweck gibt es sowohl einen „Open Space“ mit Arbeitsplätzen, Projektmitteln, Tools, Kontakten und Mentoren sowie Teambuilding-Maßnahmen als auch drei bis vier Stipendien. Timm: „Das neue media:lab soll zum Hotspot der digitalen Szene in München werden.“ Weitere Infos in Kürze unter www.medialab-bayern.de.

In zwei Innovationsreihen stellten außerdem folgende Referenten ihre Projekte vor: Felix Bellinger von Axel Springer mit der App Lokin, einem Chat für Bahnfahrer; Maximilian Knop vom Software-Unternehmen Konsole Labs, das Antenne Bayern auf die Apple Watch brachte; Oliver Klatt von WeWant Germany, der die Präsentation der Bluebulletin-App per Apple Watch steuerte; Matthias Pfaff von Regiocast mit Radio.likemee, einer Technologie, mit der sich Radiosender selbst personalisieren können; Christine Tesch von Agenturmatching, einem Start-up aus München, das Agenturen und Auftraggeber verbindet; Tim Menapace von Filmkraut, einer Crowdinvesting-Plattform für Filme sowie Hendrik Holdmann und Marta Werner von Eco Media, die den Websender dbate.de vorstellten, der mit Videotagebüchern und Skype-Interviews experimentiert.

Wie die Herausforderung digitale Transformation bewältigt wird

Wie große Medienhäuser Innovationen umsetzen und die digitale Transformation bewältigen, erläuterte Robin Seckler von der Sport1 GmbH. Ein weiteres Beispiel aus der Praxis öffentlich-rechtlicher Anstalten: Konrad Weber vom SRF (Schweizer Radio und Fernsehen) schilderte in einem Workshop, wie der Messengerdienst WhatsApp für die SRF News eingesetzt wird.

Beim Abschlusstalk mit Stefan Eiselein, Director Vogel Future Group, ging es um die Frage, wie sich ein Fachmedienhaus wie die Vogel Business Media-Gruppe im Zuge der Digitalisierung umstellt. Als Fazit einigten sich Eiselein und Gutjahr, selbst Journalist und Blogger, auf folgende These: „Medienunternehmen werden immer mehr zu E-Commerce-Anbietern. Und E-Commerce-Anbieter werden immer mehr zu Medienunternehmen.“

Weiterführende Informationen:
Nachlese zur Veranstaltung auf medienpuls-bayern.de
[media.innovations] mit storytile

 

 

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