Was ist eigentlich mit der Mittelwelle?

Bild: silvek / 123RF Stock Photo

Von Arndt Peltner

In Deutschland hört so gut wie niemand mehr Radioprogramme auf der Mittelwelle. Ganz anders in den USA. Talk Radio und Sportsendungen, 24 Stunden Nachrichtenkanäle, nostalgische Musikprogramme und ethnische Sendungen, das alles kann mann auf der AM Frequenz finden. Noch, muss man sagen, denn die Hörer schalten um.

Ende der 70er Jahre hörten mehr als die Hälfte der Amerikaner Radio über die Mittelwelle. Heute sind es gerade mal noch 11,5 Prozent. Noch 1990 wurden 45 Prozent der Hörfunklizenzen von der Aufsichtsbehörde FCC an Stationen auf der Mittelwelle vergeben. 2014 stehen 10,700 UKW Sender 4700 Mittelwellenstationen gegenüber. Der Trend ist eindeutig, mehr und mehr Hörer schalten weg. Marktanteile gehen verloren. AM Stationen werden abgeschaltet.

Ein KFWB-AM Poster aus besseren Zeiten.
Ein KFWB-AM Poster aus besseren Zeiten.

KFWB-AM ein Radio Powerhouse in Los Angeles wurde noch vor den glorreichen Radiotagen von Warner Brothers Mitbegründer Sam Warner aufgebaut. KFWB war jahrzehntelang DER Sender in Los Angeles. In den Anfängen des Rock’n Roll wurde die Station auch “Color Radio” genannt, denn hier ging es nur um Musik und die Mischung kam an. Später wandelte man sich zum führenden Nachrichtenkanal mit Außenbüros in ganz Kalifornien. Lange ist es her. In einer Juliwoche zog KFWB nur noch 172.000 Hörer an. Zu wenig im wichtigsten Radiomarkt der USA. Der Topsender, Musikkanal KBIG-FM, erreichte im gleichen Zeitraum fast 3,5 Millionen Hörer. Die Chefetage von KFWB zog die Konsequenzen, ab Ende September wird das Nachrichtenflagschiff ein Sportkanal. Damit will man gezielt Hörergruppen ansprechen, die noch immer die Mittelwelle einschalten.

In San Francisco war KCBS auf Mittelwelle 740 lange Zeit der Sender für News, Verkehr und Wetter. Doch auch hier wurde man von der technischen Entwicklung überrollt. Nach wie vor wird Radio in den USA vor allem im Auto gehört, die Ballungsgebiete mit ihrer Endlos “Rush Hour” laden dazu praktisch ein. Allerdings hat der Hörer mehr Möglichkeiten, und vor allem in besserer Soundqualität zur Hand bekommen. Auf Knopfdruck lassen sich Satellitenprogramme oder Internetradios einschalten. Für Verkehrsmeldungen klickt man auf die Smartphone App, die Mittelwelle scheint überflüssig geworden zu sein. Und als BMW einen Elektrowagen ohne AM im Radioangebot vorstellte, mit der Begründung, die Batterie des Wagens würde den Mittelwellenempfang beeinflussen, gingen Schockwellen durch die amerikanische Radiolandschaft. KCBS strahlt nun auch sein Programm auf der UKW 106,9 aus, einfach, um mehr Hörer zu erreichen.

Die Mittelwelle in den USA scheint angezählt zu sein. Und doch, noch immer setzen Radiobegeisterte auf diese “nostalgische” Welle. Gerade die zahlreichen ethnischen Programme in den USA sind hier zu hören. Die Mittelwelle ist billiger für Feierabendradiomacher und selektive Zielprogramme. Dazu kommt, dass AM eine deutlich größere Region abdecken kann als UKW.

Jahrzehntelang Teil der deutschen Community in der San Francisco Bay Area – die Peter Buhrmann Radio Show.
Jahrzehntelang Teil der deutschen Community in der San Francisco Bay Area – die Peter Buhrmann Radio Show.

Jahrzehntelang wurde das deutsche Programm “Peter Buhrmann Radioshow” auf der Mittelwelle in Nordkalifornien ausgestrahlt. Nach dem Ausscheiden des Moderators übernahm das deutsche Kulturzentrum in Oakland, der Excelsior Center, die Sendung. Anfangs startete man auf der UKW 92,3 durch, bevor man wieder auf einen Mittelwellensender KEST 1450 umstieg. Auf der FM Frequenz wurden zu wenige Hörer erreicht. Mit KEST kann man auch die entfernteren Gemeinden in Nordkalifornien versorgen. Das Programm “Excelsior German Radio” ist etwas für “Liebhaber” des handgemachten Hörfunks. Da schaltet sich schon mal eine “Moderatorin” per Telefon dazu, um Songs an- und abzumoderieren. Es geht hier nicht um einen flotten Musikfluss, um eine flüssige Moderation, um Witzi-Spritzi-Heiterkeit, ganz im Gegenteil. Das “Excelsior German Radio” richtet sich an die vielen Immigranten, die vor langer Zeit hierher kamen, und ja, die selbst in die Jahre gekommen sind. Das Programm hat sich über die Jahre nicht groß verändert. So klang es in den 70ern, den 80ern, den 90ern und noch heute. Ein Nostalgieprogramm auf einer nostalgischen Frequenz. Es hat seinen Charme, doch für wie lange noch?

 

Arndt Peltner (Bild: RadioGoethe.org)
Arndt Peltner (Bild: RadioGoethe.org)

Arndt Peltner (45), Freier USA-Korrespondent für Hörfunk und Print. U.a. berichtet er in seinem Blog der Nürnberger Zeitung über Amerika.

1996 gründete er “Radio Goethe” – eine „syndicated“ Musiksendung, die auf Stationen in zahlreichen Ländern ausgestrahlt wird.

(Teaserbild: Alte Radio Skala © silvek/123RF.com)