Die Mutter aller Morningshows

bitter lemmer klein

Wenn ich ehrlich bin, dann wünsche ich mir gerade schon, nie von 104.6 RTL weggegangen zu sein. Bin ich aber, und darum gratuliere ich Arno & der Morgencrew aus der Ferne zum „Deutschen Radiopreis“ als beste Morgenshow (ganz ganz ehrlich: Das habt Ihr sowas von verdient!!!). Und weil nach dem Preis vor dem Preis ist, frage ich mich auch, wer wohl nächstes Jahr die Trophäe für die beste Morgensendung bekommen soll. Was, wenn die beste Morgensendung dann immer noch Arno & die Morgencrew ist? Kann man den Preis auch mehrmals bekommen?

Müsste eigentlich so sein, denn wo steht geschrieben, dass die diesjährige beste Morgenshow sich zwangsläufig im Folgejahr von einer anderen Morgenshow überrunden lassen muss? Andererseits war es auch so, dass Arno & die Morgencrew schon mehrere Male nominiert waren, bevor sie jetzt den Preis erhielten. Hat sich die Jury dabei vielleicht was gedacht? War ihnen klar, dass sie an Arno als Preisträger früher oder später eh nicht vorbeikommen, wenn sie denn ernstgenommen werden wollen? Und haben sich vielleicht vor der Frage gefürchtet, warum sie ihn im Folgejahr zwangsläufig degradieren würden?

Wenn ich mich recht erinnere läuft diese Sendung nach dem immer gleichen Konzept jetzt mehr als zwei Jahrzehnte. Eigentlich war Arno & die Morgencrew schon damals die beste Morgensendung Deutschlands, als es Anfang der 90er Jahre losging. Schon deshalb (aber nicht nur), weil es damals keine andere wirkliche Morningshow in Deutschland gab und die komplette Branche spottete, ohne journalistische Beiträge mit etwas Pausenmusik drin würde das kein Mensch hören wollen. War damals wirklich so! Arno musste ziemlich viel Gegenwind aushalten, als er sich gegen alles stellte, was Radios bis dahin am Morgen taten und statt „Magazin“ mit Comedy und Musik einen MA-Sieg nach dem anderen einfuhr..

Wolfgang Trepper, Katja Desens, Arno-Mülller (Bild: NDR/Morris Mac Matzen)
Wolfgang Trepper, Katja Desens, Arno-Mülller (Bild: NDR/Morris Mac Matzen)

Die, die damals am lautesten spotteten, waren die Kollegen des öffentlich-rechtlichen Systems. Auch das hat sich geändert. Sämtliche populären Wellen der ARD haben Arno & die Morgencrew auf diese oder jene Weise kopiert. Einige sind so ehrlich, dass sie das wenigstens im Vertraulichen Plausch zugeben. Auch insofern ist es mehr als berechtigt, dass die Mutter aller Morningshows so langsam auch die passenden Orden und Ehrenzeichen verliehen bekommt.
Lang genug hat’s gedauert, und komisch ist es irgendwie auch. Was macht das Preisgremium eigentlich, wenn irgendwann alle Morgensendungen mal an der Reihe waren? Und was ist ihr Preis dann eigentlich noch wert?
Privates Radio – die Basis für die Mutter aller Morgensendungen – gibts in Deutschland jetzt alles in allem ein Viertel Jahrhundert. Es ist also erwachsen. Der Radiopreis erinnert mich dagegen an eine etwas naive Förderveranstaltung. Ein bisschen so, als müsse man Glamour simulieren, wo es von allein nicht glämmern will.

Wie bekäme man das hin? Vielleicht auf ähnliche Weise, wie Arno seinen Erfolg hinbekam. Der durfte eines Tages einfach machen, was ihm als Alternative zum Rest vorschwebte. Auch das gehört zur Geschichte von Arno & die Morgencrew. Mir fällt eigentlich keiner ein, der nach ihm diese Freiheit hatte.

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Christoph Lemmer Portrait 2012 100
Kommentar von Christoph Lemmer (Freier Journalist).

E-Mail: christoph@radioszene.de