Günther Jauch, Anke Engelke, viele andere – und Valerie Weber?

bitter lemmer klein

Vorab: Ich bin natürlich befangen, was Valerie Weber betrifft. Sie ist meine Chefin bei Antenne Bayern. Jetzt etwas über ihre Nominierung als Höfunkchefin beim WDR zu schreiben finde ich darum etwas heikel. Aber andererseits kann ich manchmal meine Klappe einfach nicht halten. Und jetzt habe ich den Eindruck, dass im WDR-System eine geradezu kampagnenartige Stimmung gegen sie geschürt wird. Das stört mich. Und dafür gibt es mehrere Gründe.

Einen davon konnte man am Sonntag Abend in der ARD besichtigen. Da saß Anke Engelke neben Günther Jauch. Jauch hat im öffentlich-rechtlichen Radio angefangen, nämlich bei Bayern 3. Lange Zeit war er dann nur beim privaten RTL zu sehen, inzwischen ist er auch der Flaggschiff-Talker der öffentlich-rechtlichen ARD. Anke Engelke war jahrelang Komödiantin beim Privatsender Sat 1. Anders als Jauch hat sie keinerlei journalistische Ausbildung oder Erfahrung. Dennoch hat sie jetzt einen Film für die ARD produziert, der als Reportage bezeichnet wird und zur ARD-Themenwoche übers Glücklichsein gehört. Da saßen also zwei Wanderer zwischen den beiden Mediensäulen nebeneinander und besprachen ein halbjournalistisches Thema, wobei der ausgewiesene Journalist den Part des unterhaltenden Talkers innehatte und die eigentlich journalismusfreie Künstlerin den Part der Journalistin.

Diejenigen, die Valerie Weber beim WDR verhindern wollen, argumentieren, sofern ich das richtig verstehe, vor allem damit, sie sei nicht genügend journalistisch geprägt. Sollte das tatsächlich ein Kriterium sein, dann mögen dieselben Kritiker bitte die Frage beantworten, wie es kommt, dass Anke Engelke neuerdings Reportagen fürs erste TV-Programm produziert. Die produziert sie, wie sie bei Jauch zu verstehen gab, auch nicht unbedingt nach der Methode, die ich für wirklich journalistisch halten würde. Es fehlt ihr offensichtlich an Distanz zu ihren Protagonisten. Sie hat sich bei Jauch schon arg mit ihnen identifiziert, und als Jauch es wagte, auch mal etwas distanzierter – sprich: journalistischer – nachzufragen, da äffte sie ihn nach und beendete die Debatte auf eine ziemlich zickige und persönliche Tour. Oder wie seht Ihr das, liebe Kollegen?

Dann heißt es immer etwas allgemein, Valerie Weber stehe für ein Formatradio „ohne Ecken und Kanten“. Das verstehe ich jetzt überhaupt nicht. Schon deshalb nicht, weil sie jemanden wie mich beschäftigt. Von mir bekommt sie mehr NSU-Gerichtsberichte als ihrem Programm möglicherweise unter Reichweitengesichtspunkten zuträglich wäre. Oder unmittelbar vor der der letzten Wahl eine mehrteilige Exklusiv-Reportage, die sich mit der Käuflichkeit von Wählern beschäftigt – kantiger geht’s ja wohl fast nicht mehr. Oder, ebenfalls vor der Wahl, ein Interview mit der früheren Familienministerin Renate Schmidt, in der sie das Kinderwahlrecht fordert – ein Thema, das sich zumal zu diesem Zeitpunkt niemand sonst getraut hat. Oder etwa die Exklusiv-Reportage über den Fall Peggy. Das war eine wirkliche Hammer-Geschichte, für die ich monatelang im Auftrag der Antenne recherchieren konnte und die später bekanntlich auch zu einem Buch über den Fall führte. Kennt irgendjemand einen Radiosender, egal ob privat oder öffentlich-rechtlich, bei dem so etwas möglich ist?

Und was ist mit den vielen Kollegen, die von Antenne Bayern schon früher ins andere System wechselten? Katrin Müller-Hohenstein, Tilman Schöberl, Stephan Lehmann, Stefan Parrisius, Michael Watzke, Elke Schneiderbanger? Da ist ja die komplette Palette von glasklarem Journalismus bis zum Management dabei.

Kommt mal einfach auf den Boden der Tatsachen zurück, liebe Kollegen. Fragt Euch, warum Ihr so reflexhaft rebelliert. Fragt Euch, ob Eure sarkastischen Tweets oder Forenbeiträge nicht gegen Euch sprechen und Euch als ziemlich oberflächlich und faktenfrei outen. Glaubt Ihr wirklich, dass ein Radioprogramm nur dank eindimensionaler Dumpfbackigkeit zum meistgehörten Programm Deutschlands wird? Und wenn Ihr das glaubt – was habt Ihr dann eigentlich für ein Bild von Euren eigenen Hörern?

 

Christoph Lemmer Portrait 2012 100
Kommentar von Christoph Lemmer (Freier Journalist).

E-Mail: christoph@radioszene.de

 

 

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