Broadcast Symposium Berlin: Besinnen auf eigene Stärken

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 „Radio kann Eines besser: Radio!“

Es herrschte nicht immer Einigkeit unter den Radio-Vordenkern, -Machern und –Entscheidern beim 2. Broadcast Symposium Berlin (BSB) am vergangenen Wochenende. Doch in einem Punkt waren sich alle einig: Radio hat eine Menge USPs und Stärken – genug, um sich den neuen Herausforderungen zu stellen.

Gut 230 Radiomacher aus ganz Europa waren der Einladung von bci, Brand Support und Foster Kent ins nhow Hotel in Berlin gefolgt, um über zwei Tage die Zukunft des Radios und seiner Morningshows zu diskutieren. „Spice up your day“ – aber wie?

„Wir brauchen gute Geschichten und feinfühlige Musikprogrammierung“ (Valerie Weber, Antenne Bayern)

Valerie Weber (Bild: BSB2013)
Valerie Weber (Bild: BSB2013)

Wie erziele ich Hörerbindung in Zeiten, in denen Infos überall und jederzeit zu kriegen sind und Musik über Streamingdienste personalisiert ständig verfügbar ist?

Die große PD-Runde fand durchaus Antworten auf diese Fragen, wenn auch nicht immer einfache. „Gute Redakteure und Produzenten“ braucht es, sagt Valerie Weber (Antenne Bayern), denn „die reine Info kriegen die Hörer überall. Wir brauchen gute Geschichten!“ Diese guten Geschichten dürften auch in schlechterer Tonqualität daher kommen, meinte Thomas Jung (SWR3): „Wenn die Geschichte gut ist, gehen wir drauf – auch wenn’s über Handy ist.“

„Live“ als USP? Möglich – doch wie? Hier wurden sich die Programmdirektoren nicht wirklich einig. „Live ist authentisch.“ (Walter Schmich, Bayern 3); „Live und scripten müssen sich die Waage halten, denn die perfekte Show kommt nicht aus Versehen.“ (Valerie Weber, Antenne Bayern); „Fake geht gar nicht.“ (Stephan Schmitter, Radiocenter Berlin); „Wir propagieren live und authentisch, doch on-air ist oft das Gegenteil davon – 100% gescripted und gefakte Rollenspiele.“ (Georg Spatt, Hitradio Ö3). Marzel Becker (Radio Hamburg) sieht einen großen Unterschied zwischen „Fake“ und „gescripted“: „John Ment schreibt sich alles auf. Es klingt deswegen nicht abgelesen und statisch und es ist immer noch echt, kein Fake, denn es ist von ihm. Nur gut vorbereitet. Live geht auch vorbereitet.“

Aber auch der Umgang mit Musik war in der Runde der Programmdirektoren ein großes Thema. Das „feinfühlige Programmieren der Musik“ im Wechselspiel mit Regionalität der Informationen – das könnten Spotify, Pandora oder iHeartRadio so nicht leisten.

„Wir müssen auch tun, was wir uns hier versprechen!“ (Georg Spatt, Hitradio Ö3)

Georg Spatt (Bild: BSB2013)
Georg Spatt (Bild: BSB2013)

Dass Radio noch immer einen Vorsprung gegenüber Streamingdiensten hat, darin waren sich alle Teilnehmer der PD-Runde einig. Junge Talente einfach mal machen lassen, Leidenschaft wecken, gute regionale Geschichten, live und authentisch aber dennoch professionell sowie eine feinfühlige Musikprogrammierung – Ansätze gibt es viele. „Wir müssen uns mehr trauen“, sagt denn auch Walter Schmich (Bayern3). Und Georg Spatt (Hitradio Ö3) fasste zusammen: „Wir müssen auch tun, was wir uns hier versprechen!“

Morgenmoderatoren – immer noch die Schlüsselfiguren einer guten Morgensendung

Wie schon im beim ersten BSB im letzten Jahr, so zeigte sich auch diesmal wieder, dass der Erfolg von Morgensendungen am Ende stark von den operativen Schlüsselfiguren abhängt: den Morgenmoderatoren. Mit wie viel Leidenschaft Jochen Trus (105.5 Spreeradio) seiner Arbeit nachgeht, zeigte er in seiner Präsentation „seiner“ Radio-Idee. „Things I’ve learned from rock’n’roll“ – zehn Statements aus Rocksongs, die Trus als Leitfaden für seine Arbeit sieht. Kreativ und leidenschaftlich präsentiert, mit Tiefgang in der Sache. Ein Highlight des Symposiums.

Andreas Kuhlage (NJoy) bewies erneut, wie wichtig Kreativität und Ideen für eine gelungene Morgensendung sind. Und dass die Fähigkeit, Gitarre zu spielen, für Morgenhosts auch nicht schädlich ist, zeigte er mit einem live während seines Vortrags entwickelten Song.

„Gerade die Mischung macht dieses Symposium aus“, beschreibt Wolfram Tech, Partner von bci, was viele Teilnehmer ausgesprochen haben. „Die Mischung aus den strategischen Denkern im Hintergrund und den kreativen Machern, die jeden Tag aufs Neue on-air ihr Bestes geben. Da sieht man, wie wichtig beides ist und dass das eine ohne das andere nicht funktionieren kann.“, so Tech weiter.

Wolfram Tech auf dem Broadcst Symposium Berlin 2013)
Wolfram Tech auf dem Broadcst Symposium Berlin 2013)

Echte Personalities binden Hörer

Wie wichtig diese richtige Mischung ist, zeigt auch das neue Analysetool von Brand Support, welches sie auf dem BSB vorstellten. Hörer und Radiomacher bewerten live eine Radiosendung – nicht immer zur Freude der Radiomacher. Wie gut finden Hörer das Gewinnspiel, die Promi-News, den Kollegentalk in dem Moment, in dem der Break on-air ist? Live, ungeschminkt, „brutal“. Aber erhellend und „augen-öffnend“. „Unsere bisherigen Ergebnisse mit diesem Tool zeigen eindeutig, dass Hörer, die eine emotionale Bindung zu ihrem Moderator haben, wesentlich mehr tolerieren und auch schwächere Momente eher ertragen“, gibt Jochen Lukas, Partner von Brand Support, den Radiomachern einen Fingerzeig.

Und sein Partner Christoph Pöschl ergänzt: „Mit diesem Tool könnten Radiomacher außerdem ihre neue Morgensendung, die neue Promotion oder auch die neue Ansprache des Senders von Teilen ihrer Hörer bewerten lassen, bevor sie damit auf Sendung gehen – und damit vielleicht so manchen Fehler vermeiden.“

Gefüllter Hörsaal beim Broadcast Symposium Berlin 2013)
Gefüllter Hörsaal beim Broadcast Symposium Berlin 2013)

Nicht jede Promotion zündet

Erfrischend für die Teilnehmer des BSB war auch in diesem Jahr, dass offen und ehrlich miteinander diskutiert wurde und viele Redner auch ehrlich mit ihren „Rohrkrepieren“ umgegangen sind. Gerade bei Promotions zeigt sich immer wieder, dass es oft Kleinigkeiten sind, die niemand auf dem Schirm hatte, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Strategische Ziele für den Sender bedacht, unterhaltsame Umsetzung auch für die, die nicht aktiv an der Promotion teilnehmen sichergestellt – und dennoch läuft’s nicht.

Armin Braun (Radio Brocken & 89.0 RTL), Roel Oosthout (Hitradio FFH) und Christian Schalt (94,3 rs2 & Kiss FM) ließen die Teilnehmer an ihren Top-Promotions ebenso teilhaben wie an ihren Misserfolgen. Aus Fehlern lernen – auch das zeichnete das diesjährige BSB aus.

Noch intensiver für alle Teilnehmer waren die Workshops, die am Freitag stattfanden. Gruppen von 30-50 Teilnehmern sorgten bei den Themen „Musikplanung“, „Kreativität“ und „Morgenshow“ für verdichtete Diskussionen mit hohem Erkenntnisgewinn.

„Radio Schwergewichte bei ehrlichen Gesprächen belauschen – das ist das BSB“

Das 2. Broadcast Symposium Berlin zeigte erneut, wie wichtig es für Radiomacher ist, sich auszutauschen, um gemeinsam Ideen zu entwickeln, um Radio gut gegen die neue Konkurrenz aufzustellen. Den Radiomachern diese Möglichkeit des Austauschs zu geben, ist eine große Aufgabe, die sich aber lohne, sagt Jörg Stingl, Geschäftsführer von bci stellvertretend für seine Mitausrichter Brand Support und Foster Kent. „Das ist natürlich ein riesen Aufwand für unser recht kleines Team, schließlich sind wir ja nicht hauptberuflich Radio-Kongress-Ausrichter. Aber das Feedback der Teilnehmer motiviert uns, über eine weitere Auflage des BSB nachzudenken.“

Und Frank Salzbrenner, Partner von bci, der krankheitsbedingt nicht am BSB teilnehmen konnte, dieses aber federführend organisiert hatte, ergänzt: „Auch wenn ich selber nicht dabei sein konnte, weiß ich: Die ungeschminkte Offenheit, mit der hier Radiomacher auch über eigene Fehler reden – so was gibt’s in keinem anderen Kongress. Wenn zwei Radio-Schwergewichte wie Valerie Weber und Georg Spatt sich auf unserer Bühne über Zweifel und „Rohrkrepierer“ austauschen, dann ist das fast so als könne man heimlich einem Gespräch unter vier Augen lauschen. Mehr geht nicht!“

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