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Stiefkind der Medienpolitik: Braucht Radio einen eigenen Staatsvertrag?

Klaus Schunk, Geschäftsführer und Programmdirektor von Radio Regenbogen sowie stellvertretender Vorstandsvorsitzender des VPRT (Foto: Björn Czieslik)
Klaus Schunk, Geschäftsführer und Programmdirektor von Radio Regenbogen sowie stellvertretender Vorstandsvorsitzender des VPRT (Foto: Björn Czieslik)

„Die Politik muss lernen, dass es unterschiedliche Gattungen gibt“, sagt Klaus Schunk im Interview mit RADIOSZENE bei den Münchner Medientagen. In der Diskussion zum Thema „Medium der programmlichen Vielfalt: Wer bestimmt die Radio-Agenda?“, die vom Privatsender-Lobbyverband VPRT organisiert wurde, hatte der Geschäftsführer und Programmdirektor von Radio Regenbogen zuvor den Wunsch nach einem eigenen Radiostaatsvertrag geäußert. Schunk, der als stellvertretender Vorstandsvorsitzender des VPRT für den Hörfunk zuständig ist, relativiert anschließend: „Der Wunsch nach einem Radiostaatsvertrag ist schon ein großer Wunsch. Mir ist als Realpolitiker schon klar, dass das nicht gleich im ersten Schritt funktioniert.“ Wichtig sei ihm, „dass Radio in den Rundfunkstaatsverträgen als eigenständige Gattung erwähnt wird“.

Bislang ist dort lediglich von „Rundfunk“ die Rede, was auch das Fernsehen einschließt, dabei „wird Radio mitverhaftet“. Als „kleinen Sündenfall“ bezeichnet Schunk etwa die Regelung, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zum Schutz der Privatsender Werbung nach 20.00 Uhr verboten ist, in der Radio-Primetime am Morgen jedoch gebe es „diesen Schutzmechanismus nicht“.

Harmonisierung der Radio-Werbung bei der ARD

Zuspruch bekommt Schunk von Björn Böhnig, der als Chef der Senatskanzlei Berlin für die Medienpolitik verantwortlich zeichnet: “Die Radioregulierung ist das Stiefkind der Länderregulierung“.

Björn Böhning, Chef der Senatskanzlei Berlin (Foto: SPD Berlin)
Björn Böhning, Chef der Senatskanzlei Berlin (Foto: SPD Berlin)

Das solle sich ändern. „Wir brauchen im Rundfunkstaatsvertrag eine stärkere Adressierung des Radios, weil es neue Konkurrenten gibt, ein neues Marktgleichgewicht mit dem Internet und Webradios“, erklärt Böhning im Interview mit RADIOSZENE.

Sein Anliegen zielt auf eine Harmonisierung der Werbung im öffentlich-rechtlichen Hörfunk: „Da brauchen wir aus meiner Sicht eine bundeseinheitliche Regelung, die zusteuert auf das NDR-Modell 60 Minuten„. Bislang ist Hörfunkwerbung von Anstalt zu Anstalt unterschiedlich geregelt: Während der NDR nur in einem Radioprogramm maximal 60 Minuten am Tag Werbung schalten kann, darf etwa der Bayerische Rundfunk in fünf Hörfunkwellen Werbung senden. Böhning ist sich bewusst, dass eine Werbe-Beschränkung für kleine Anstalten wie z.B. Radio Bremen „natürlich auch eine Existenzfrage“ ist, dennoch rechnet er damit, „dass wir da in den nächsten zwei Jahren zu Ergebnissen kommen“.

Politik lässt die ARD einfach machen

VPRT-Vertreter Klaus Schunk stört aber noch ein anderes Ungleichgewicht zwischen Privatsendern und Öffentlich-Rechtlichen: „Was wir in zunehmendem Maße feststellen – dynamisierend in den letzten drei bis fünf Jahren – ist, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dem Thema Radio und der Vermehrung ihrer Radioprogramme deutlich mehr Aufmerksamkeit schenken als früher und die Politik sie einfach machen lässt.“

Daneben kritisiert Schunk, dass die ARD Künstlern und Veranstaltern bundesweite Präsenz im Radio und TV anbietet, ohne dass die Privaten mithalten können: „Damit ist der ganze Privatfunk draußen“. Auf diese Weise würden „mit Rundfunkgebühren letztlich Veranstaltungen und Künstler durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk subventioniert“.

Crosspromotion im Jugendkanal

Der geplante Jugendkanal von ARD und ZDF verschärfe die Situation noch weiter: Die ARD-Intendanten haben immer wieder angekündigt, Kompetenz und Know-How ihrer jungen Radio-Wellen in den TV-Kanal einfließen zu lassen. Privatradio-Mann Schunk fürchtet Crosspromotion zu Lasten der Privatradios: „Das ist meines Erachtens ein massiver Anschlag auf das duale Rundfunksystem.“

Dabei zielt seine Kritik weniger auf die ARD: „Dass die Intendanten ihre funktionierenden Jugendradiowellen dort implementieren wollen, ist ja ein logischer Schritt. Das kritisiere ich auch nicht als Radiomacher. Wir würden es höchstwahrscheinlich, wenn wir die Möglichkeit hätten, genauso machen.“ Vielmehr sieht Schunk die Medienpolitik in der Verantwortung: „Es ist eine recht romantische bis blauäugige Medienpolitik, wenn man glaubt, man könnte das einfach so ohne Auflagen genehmigen.“

Zum Anhören

Interview mit Klaus Schunk, Geschäftsführer und Programmdirektor von Radio Regenbogen sowie stellvertretender Vorstandsvorsitzender des VPRT

Interview mit Björn Böhning, Chef der Senatskanzlei Berlin

Weiterführende Informationen

XPLR: MEDIA Radio-Report