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Was kann man noch von den Amerikanern lernen?

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Schalt-Report von der NAB Radio Show in Orlando

Von Christian Schalt

Wer in den 90er oder den frühen 2000er Jahren in die USA zur NAB Conference gereist ist, konnte diese Frage relativ leicht beantworten: im Prinzip fast alles. Im Gegensatz zu Deutschland hatte Amerika zahlreiche Wettbewerbsmärkte, jahrzehntelange Privatradioerfahrung und ein seit jeher marketingorientiertes Denken.

2013 ist diese Frage schwieriger zu beantworten. Wer für Programmideen in die USA reist, wird eher enttäuscht zurückkommen. Europäische und australische Radiomessen sind inspirierender, innovativer und inhaltlich breiter. Eigentlich sollten die amerikanischen Radiomacher umdenken und nach Europa reisen (macht natürlich kaum einer). Mit den vielen Programmideen aus Europa könnte man so manchen amerikanischen Markt  mit den immergleichen Programmideen aufmischen.

Auch für taktische Inspiration – Musikprogrammierung oder Formatierungskonzepte –  lohnt die Reise über den Teich kaum noch. Internetstreams und Musictrackingservices decodieren jede Formatierung und Rotationslogik auch in 20.000 Kilometern Entfernung.

Wofür lohnt also die Reise zur NAB Radio Show?

Wenn man davon ausgeht, dass die USA in technischer und Nutzungssicht uns einige Zeit voraus sind, lässt sich dort bereits jetzt erleben, wie auch bei uns die Hörfunknutzung zerbröseln wird: die neuen internetbasierten Anbieter wie Pandora oder in etwas abgeschwächter Form Spotify nehmen die etablierten Anbieter in die Zange. Und auch eine sich insgesamt ändernde Mediennutzung hin zu Personalisierung und Fragmentierung verändert das Radio.

 

So waren die bestimmenden Themen der diesjährigen NAB:

Der Kampf ums Cockpit

War das Auto bisher ein zuverlässiger Platz fürs Radiohören, so machen die neuen Geräte es den bestehenden Anbietern schwer. Sind sie doch meist mit einer anderen Zielrichtung entwickelt worden: Displays mit internetbasierten Informationen rücken in den Vordergrund, manchmal findet sich allein ein großer Spotify-Button auf dem Gerät. Aus Sicht der Hersteller steht die Bordunterhaltung nicht an oberster Stelle (und erst recht nicht das Interesse des lokalen Radios).

Im Rahmen einer neuen Studie zum Thema „Radio and the connected car“ wurden Käufer neuen Autoradios gebeten, einen lokalen Radiosender einzustellen. Die meisten scheiterten.

Will Radio hier seinen angestammten Platz verteidigen, muss es energisch seine Interessen anmelden, am besten über aktiven Kontakt mit der Automobilindustrie und seinen Zulieferern. Hier die Zusammenfassung der Studie:

Radio & The Connected Car: 140 Million Connected Cars Projected To Be On The Road Globally By 2017

 

Erodierendes At-Work-Listening

Auch die Nutzung des Radios am Arbeitsplatz ist seit jeher ein Garant für intensive Radionutzung, insbesondere durch die lange Nutzungsdauer während eines Arbeitstages. Persönliche Geräte am Arbeitsplatz und hier vor allem die Kopfhörernutzung bieten Chancen für neue Anbieter und führen zu einer zunehmenden Fragmentierung des bisherigen Angebotes. Die klassische Büronutzung (eines gemeinsamen Senders) geht stark zurück. Die neuen Anwendungen legen zu.

 

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Es ist in gewisser Weise beunruhigend, jetzt schon zu sehen, wie auch bei uns in den nächsten Jahren die Hörfunknutzung auf immer mehr Anwendungen verteilt werden wird (vorausgesetzt die Entwicklung bei uns ähnelt der in den USA).

Vor allem, weil auch die amerikanischen Hörfunker noch keine befriedigende Antwort auf die neuen Herausforderungen geben können (dies gilt sowohl für die alten Anbieter, die zunehmend an Nutzung verlieren, als auch für die neuen Anbieter wie Pandora oder Spotify, die bislang kein tragfähiges Businessmodell gefunden haben).

Was man hingegen mitnehmen kann, sind vor allem der Enthusiasmus und die Energie, mit der die amerikanische Radioindustrie (nach langem Zaudern) den neuen Technologien und ihren Chancen und Risiken begegnet. Dazu gehört nicht nur das Thematisieren auf Konferenzen, sondern mehr: die Beauftragung von Studien zum neuen Nutzungsverhalten, Investitionen in neue Plattformen (z.B. iHeart Radio) oder Lobbyarbeit bei  den Herstellern von Autos und Autoradios (z.B. durch Teilnahme an der Dash-Conference).

 

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Christian Schalt

(Geschäftsführer 94,3 rs2 Berlin)
Kontakt: http://www.xing.com/hp/Christian_Schalt

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