Radio ist tot – es lebe das Radio!

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Impressionen von den Nürnberger Lokalrundfunktagen

Von Conny Ferrin

Wieder einmal lud die BayMS, ein Tochterunternehmen der BLM, zu den Lokalrundfunktagen in Nürnberg und knapp 1200 Teilnehmer wollten sich dieses Ereignis auch in diesem Jahr nicht entgehen lassen, würde es doch neben der Präsentation der aktuellen Ergebnisse der Funkanalyse Bayern wieder über 20 interessante Workshops sowie über 30 Messestände, Diskussionen und Informationsaustausch geben.

Zunächst traf man sich aber am Montagabend zum mittlerweile traditionellen “Get Together” der RADIOSZENE, das von JB Köring und Thomas Wollert im NH-Hotel Nürnberg gewohnt perfekt organisiert worden war. Hier hatte man Gelegenheit, ohne Termindruck und zwanglos mit alten Freunden und Kollegen zu plaudern, oder auch neue, interessante Bekanntschaften zu schließen. Bei gelöster Stimmung und freundlichen Bierchen endete das Treffen erst spät in der Nacht.

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So wurde ich mehrfach gefragt, was ich als alter Radiohase denn zum Thema Digitalrundfunk sage und welcher Verbreitungsweg sich schließlich durchsetzen werde. DAB+, Streaming, oder ob uns nicht gar die gute, alte Ultrakurzwelle noch eine Weile erhalten bliebe. Da hätte ich natürlich entgegnen können: “Mein Name ist alter Hase, ich weiß von nichts”, aber so leicht will man es sich denn doch nicht machen. Nun, genau eben diese Frage zog sich in den folgenden beiden Tagen auf der Messe wie ein roter Faden durch die Kollegengespräche und auch einige Boards. Dabei kommt es ja zunächst nicht so sehr auf die Technik an, als vielmehr darauf, wie man den geschätzten Medienkonsumenten davon überzeugen soll, einen der neuen Verbreitungswege zu nutzen und sich dazu die notwendige Hardware zuzulegen.

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Meine persönliche Einschätzung, dass es dem heutigen Radiohörer herzlich egal ist, wie er wo z.B. seinen Lieblingssender hören kann – Hauptsache, es kostet möglichst nichts oder wenig, es funktioniert und braucht weder technisches Wissen, noch Fingerspitzengefühl bei der Bedienung – wurde großartig durch den Vortrag von Mark Friend, Chef aller interaktiven Dienste und der Audioausgabe auf allen verfügbaren Plattformen der BBC bestätigt.

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Die Briten planen bei der Durchsetzung des Digitalfunks nämlich ganz neue Wege zu beschreiten: Da sind keine neuartigen Empfangsgeräte nötig, sondern lediglich das eigene Smartphone oder Tablet und eine App, die es ermöglicht, das bevorzugte Radioprogramm über Dockingstationen zuhause oder direkt über die Devices unterwegs zu hören: Die App sucht sich stets das stärkste Signal und ändert somit – für den Benutzer unmerklich – den Übertragungsweg je nach Empfangslage, egal ob über DAB+, Mobilfunk oder FM-Stationen. Zusätzliche Funktionen, wie zeitversetztes Hören, bringen die Radioempfangstechnologie endlich dahin, wo das Fernsehen mit seinen On-Demand- Funktionen bereits angelangt ist. Da man auch die KFZ-Hersteller mit ins Boot holen will, holt man die neue Technik auch ins eigene Auto, wo die Radionutzung in den letzten Jahren stetig ansteigt. Durch die Zusammenarbeit mit den privaten Sendern kann ein einheitlicher Standard erreicht werden.

Die Chancen für die ehrgeizigen Pläne stehen gut, zumal wegen der mit 96% hohen DAB-Abdeckung auf der Insel und daüberlegt man, ob sich ein ähnliches Modell nicht auch für Deutschland anbieten würde. Da müssten sich allerdings alle Beteiligten wohl erst einmal einig werden: Die ARD-Anstalten, der VPRT, die Landesmedienbehörden, die Autohersteller und schließlich die föderalen Landesmedienbehörden. Jede Menge Arbeit also und ein langer Weg.

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Viel zu tun hatte man auch bei der Informationsbeschaffung an den zahlreichen Ständen der Hard- und Softwareanbieter, die ihre Produkte und Dienstleistungen den Messebesuchern nahezubringen suchten, darunter RCS mit der neuen Radiosoftware Zetta inclusive integrierter multitaskingfähiger Musikplanungssoftware, die es den Sendern ermöglicht, die heute üblichen, zusätzlichen Streamchannels mitzuversorgen. Der amerikanische Radiokonzern CLEAR CHANNEL setzt diese Software für seine automatisierten Programme bereits ein.

Die vielbeschworene Interaktivität zwischen Hörer und Sender sowie dessen redaktionelle Verarbeitung wird durch eine neue App der jungen Firma frischr aus Erfurt nun wesentlich erleichtert. So kann der Hörer nicht nur Text-Messages an den Sender schicken, sondern auch selbst erstellte Audiodateien und Bilder, z.B. für die stationseigene Hompage. Der Redakteur, oder auch der Moderator im Studio kann diese Informationen leicht bearbeiten und in den Sendeablauf, bzw. die Homepage einpflegen.

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Die nach den Vorstellungen von Michael Praetorius allerdings demnächst überflüssig werden soll, da sämtliche Informationen über den Sender, Bilder und Kontaktdaten mittels Suchmaschinen und Social Networks ohnehin abrufbar seien: „Alles, was der Sender heute im Netz braucht, ist ein PLAY-Button“. Eine interessante, aber auch gewagte These, die er wohl unter anderem beim kommenden RADIOSZENE-Seminar in Berlin vertreten wird.

Die mannigfaltigen Diskussionen über die technische Ausgestaltung des künftigen Hörfunks ließen das Thema Content, der doch in den vergangenen Jahren stets King war, ein wenig in den Hintergrund treten. Dabei äußerte ein Board-Teilnehmer doch ganz richtig, dass sich die Radiomacher bei aller notwendiger Präsenz im Internet und in den Social-Networks doch auf ihre Kernkompetenz besinnen sollten: Radio machen!

Aber wo liegt die Zukunft des klassischen Radios? Sind die Bestrebungen der Sender, gerade in letzter Zeit wieder längere Musikstrecken zu promoten – eigentlich total „Ninetees“ – angesichts Spotify & Co. der richtige Weg, gerade die jüngere Zielgruppe an das Medium zu binden, wo gerade die Streamingmedien gerade darüber nachdenken, ihre Musikprogramme mit Informationen aufzubereiten? Mehr neue Musik, zumindest in den CHR- und Active-Rock-Formaten, fundiertes Wissen, wirkliche lokale Kompetenz und die Erarbeitung echter Alleinstellungsmerkmale, die über den „schnellsten Verkehrsservice“ hinausgehen, sollten zumindest in die Diskussion einfließen.

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Erst aber floss das Bier in Strömen, als zum traditionellen abendlichen Nürnberger Medienfest geladen wurde, das in diesem Jahr allerdings nicht auf der Burg stattfand, sondern im Deutschen Nationalmuseum. Was der Stimmung aber keinerlei Abbruch tat, war die Location im Innenhof des Komplexes bestens gewählt. Leckere Snacks, musikalische Unterhaltung, die Präsentation des Galaxy Music Award an eine Nachwuchsband und nette, informative Gespräche mit Kollegen, die man zumeist nur bei solchen Anlässen wiedertrifft, rundeten das insgesamt positive Bild der diesjährigen Veranstaltung ab, so dass die Teilnehmer sich am Ende wieder einig waren: „Man sieht sich bei den Nürnberger Lokalrundfunktagen 2014“

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Das waren die Lokalrundfunktage Nürnberg 2013: Alle Fotos und Live-Tickermeldungen