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Frequenztausch in Hessen: Mehr YOU FM, mehr hr-iNFO – weniger hr2-kultur

hr - Hier kommt HessenDiese Nachricht überrascht – und läutet eine stressige Zeit für den Hörerservice in der Frankfurter Bertramstraße ein: Der Hessische Rundfunk wird einige seiner UKW-Frequenzen “umwidmen”, wie es in einer Nachricht an die Hörerinnen und Hörer auf der Homepage der Kulturwelle hr2-kultur heißt. Demnach wurden mehrere Frequenzen von hr-iNFO und hr2-kultur am Montag gegen 14.00 Uhr abgeschaltet. Sie strahlen ab Dienstagfrüh die Programme hr-INFO und das Popradio YOU FM aus.

Im Einzelnen handelt es sich dabei um die Frequenzen 99,6 MHz (Biedenkopf) und 95,0 MHz (Rimberg, beide ab sofort für hr-INFO) sowie um die ehemaligen Wellen der Infowelle 95,3 MHz (Hardberg) und 102,3 MHz (Biedenkopf, beide ab sofort für YOU FM). Der Hessische Rundfunk empfiehlt, im Falle von Empfangsproblemen nun auf die Frequenzen 95,5 MHz (Hoher Meißner) und 96,7 MHz (Großer Feldberg / Taunus) auszuweichen. Der Empfang der Klassik- und Kulturwelle hr2-kultur ist dennoch in einzelnen Regionen Hessens nur noch eingeschränkt möglich. Jedoch gedenkt der Hessische Rundfunk sein Digitalradio-Sendernetz (DAB+) auszubauen, sodass hr2-kultur mit digitalen Empfangsgeräten weiterhin in ganz Hessen terrestrisch empfangen werden könnte. Zudem besteht die Möglichkeit, das Programm über Internet, Satellit Astra 19,2° Ost und Kabel zu hören.

Dieser Schritt ist insofern besonders beachtlich, als dass er erst äußerst kurzfristig, nämlich erst am Morgen bzw. Vormittag offiziell verkündet wurde und zur Umstellung keinerlei Hinweise zu alternativen Empfangswegen etwa in Form einer Ansageschleife genannt wurden bzw. werden und sie zunächst einfach abgeschaltet wurden. Eine andere Informationspolitik hätte DAB+ möglicherweise im entsprechenden Verbreitungsgebiet weitere Hörer beschert und die Freunde von hr2-kultur besser über die veränderten Ausstrahlungswege und UKW-Frequenzen informiert. Eine Stärkung des Digitalradios sei aber nach Angaben eines Sprechers des Senders nur ein „willkommener Nebeneffekt„. Das DAB-Sendernetz ist in Hessen jedoch noch nicht ausreichend ausgebaut, um das gesamte Bundesland zu versorgen.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang schließlich, dass die von diesem Wechsel klar profitierende Popwelle YOU FM ein mit Werbespots gespicktes Programm ist, das reichweitenschwächere hr2-Kultur hingegen nicht. Es wird interessant zu beobachten sein, wie die Öffentlichkeit über dieses Vorgehen des HR reagiert und ob dies der letzte Frequenzwechsel in Hessen bleiben wird.

FFH-Geschäftsführer Hans-Dieter Hillmoth wird 60 (© FFH/Nopper)
FFH-Geschäftsführer Hans-Dieter Hillmoth (© FFH/Nopper)

Am Dienstag, den 12. Februar reagierte die Radio/Tele FFH als Betreiberin von HIT RADIO FFH, planet radio und harmony.fm erbost auf diesen Wechsel.

„Wir konkurrieren gerne programmlich mit den hr-Radios um die Gunst der Hörer – aber wehren uns gegen diese Taschenspieler-Tricks des hr, um sich technisch in Vorteil zu bringen. Wenn es programmlich schon nicht klappt“, ätzt Hans-Dieter Hillmoth, Geschäftsführer der Sendergruppe. Der Hessische Rundfunk würde durch diesen Schritt außerdem seine öffentlich-rechtlichen Aufgaben vernachlässigen.

Daher fordert die FFH-Gruppe die Hessische Staatskanzlei auf, diesen Schritt zu prüfen, heißt es in einer Presseaussendung. Vermutlich sei auch die hessische Landesmedienanstalt LPR nicht über diese „Rochade“ informiert, vermutet man. Bisher wären Frequenz-Veränderungen bei öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern gemeinsam besprochen worden. Dabei hätte der Hessische Rundfunk mehrfach Bedarf für neue Frequenzen angemeldet und hätte nun, nachdem es keine neuen Frequenzen mehr gäbe, diese „Über-Nacht-Umwidmung“ durchgeführt, so die Meinung aus dem Funkhaus in Bad Vilbel zu der angeblichen „Überversorgung“ Hessens mit HR-Programmen.

Klaus Schunk
Klaus Schunk

Auch der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT) äußerte sich kritisch und spricht ebenfalls von einer Überversorgung, die die ARD in den verganenen Jahren stetig dementiert hätte. „Weniger Auftrag und mehr Frequenzen für kommerzielle Programme kann nicht das Credo eines gebührenfinanzierten Angebots sein“, so Klaus Schunk, stellvertrendender Vorstandsvorsitzender des VPRT. Man appelliere an Medienpolitik und wie FFH an die betroffenen Staatskanzleien, um den Frequenztausch zu überprüfen, da solche Entscheidungen eine ARD-Anstalt nicht „autark“ treffen könne und dürfe, so Schunk. Der VPRT kritisiere zudem die Ausstattung des SWR mit zusätzlichen Frequenzen für seine junge Welle „Das Ding“ in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Der Senderverbund fürchtet auch dort einen hemmungslosen Tausch von Kultur und regionaler Berichterstattung zum Kommerz.

Währenddessen freut sich der Hessische Rundfunk, dass sein Informations- und Nachrichtenradio hr-iNFO nun „hessenweit“ auf UKW zu hören sei, den neuen Frequenzen 99,6 und 95,0 MHz sei Dank. Bisher sei der Empfang in Nord- und Mittelhessen gar nicht oder nur sehr eingeschränkt zu empfangen gewesen. Nun seien auch Versorgungslücken entlang der Autobahnen geschlossen worden.

Weiterführende Informationen:
Homepage HR2-Kultur mit Hörerinformation
Digitalradio-Infoseite des Hessischen Rundfunks mit Empfangsprognose

 

XPLR: MEDIA Radio-Report