1LIVE-Chef Jochen Rausch: „1LIVE-Krone Sonderpreis für Pussy Riot hat Symbolcharakter“

Der Sonderpreis der 1LIVE KRONE geht in diesem Jahr an die russische Punkband Pussy Riot. (Bild: WDR/dapd/Sergey Ponomarev)
Der Sonderpreis der 1LIVE KRONE geht in diesem Jahr an die russische Punkband Pussy Riot. (Bild: WDR/dapd/Sergey Ponomarev)

Der Sonderpreis der 1LIVE Krone wird dieses Jahr an die russische Band „Pussy Riot“ verliehen (RADIOSZENE berichtete). Zwei der drei Mitglieder wurden vor wenigen Wochen zu zweijährigen Haftstrafen verurteilt, nachdem sie öffentlich den russischen Präsidenten Wladimir Putin kritisiert hatten. Das Ergebnis des Gerichtsprozesses ist weltweit umstritten. RADIOSZENE sprach mit dem 1LIVE-Chef Jochen Rausch über die Gründe der Nominierung.

1LIVE-Wellenchef Jochen Rausch (Bild: WDR/Thomas Hendrich)
1LIVE-Wellenchef Jochen Rausch (Bild: WDR/Thomas Hendrich)

RADIOSZENE: Herr Rausch, welche Gründe führten zur dieser Entscheidung?

Jochen Rausch: Neben den zahlreichen Kategorien, welche von unseren Hörern entschieden werden, gibt es zusätzlich noch den Sonderpreis. Dieser entstand aus der ehemaligen Kategorie „Lebenswerk“. Seit der Umbenennung können wir diesen Preis aber flexibler einsetzen. Letztes Jahr wurde so der ARD-Tatort ausgezeichnet. Es ist somit auch kein Preis für rein musikalische Leistung mehr.

Mithilfe von Popmusik hat die Band Pussy Riot sich gegen Unterdrückung und Beschneidung der Meinungsfreiheit eingesetzt. Verschiedene Künstler haben dieses Medium schon in der Vergangenheit genutzt, um ihren Unmut über gesellschaftliche Missstände auszudrücken. Ich persönlich finde dieses Signal, was von Pussy Riot gesetzt wurde, sehr interessant.

RADIOSZENE: Die Nominierung ist schon ziemlich ungewöhnlich für die 1LIVE Krone?

Jochen Rausch: Ich verstehe es nicht wirklich, warum diese Aktion ungewöhnlich für 1LIVE sein soll. Das hat auch damit zu tun, wie sich ein Sender selbst versteht. Ich weiß auch, dass wir von außen anders wahrgenommen werden, als wir uns vielleicht selber sehen. Natürlich steht die Musik auch bei uns im Vordergrund. Aber kein Mensch redet davon, dass wir auch einen relativ hohen Wortanteil haben und ein junges, journalistisches Vollprogramm senden. Wir sind – auch dank des weltweiten Reporternetzes der ARD – überall dort, wo etwas los ist. Außerdem ist es nicht das erste Mal, dass wir das Thema Pussy Riot behandeln. Wir haben schon so oft darüber berichtet.

Die 1LIVE Krone soll ja auch weitestgehend das Programm von 1LIVE widerspiegeln. Und das zeigen wir mit der Nominierung von Pussy Riot.

1LIVE KRONE 2012: SONDERPREIS FÜR PUSSY RIOT (Bild: WDR/dpa/Maxim Shipenko)
1LIVE KRONE 2012: SONDERPREIS FÜR PUSSY RIOT (Bild: WDR/dpa/Maxim Shipenko)

RADIOSZENE: Sie sagten, dass solche Auszeichnungen den Druck auf die russische Regierung aufrecht erhalten kann. Inwieweit trifft diese politische Einflussnahme für einen nationalen Musikpreis des WDR zu?

Jochen Rausch: Eigentlich sollte ein Preis – speziell auch die 1LIVE Krone – exklusiv sein. Aber in diesem Fall wünsche ich mir, dass Pussy Riot noch viele weitere Auszeichnungen gewinnen wird. Yoko Ono hat die Band schon geehrt und die Band ist auch schon für andere Preise im Gespräch. Genau diese öffentliche Berichterstattung stört ja die russische Regierung: ständig schlechte Presse. So bleibt das Thema auch nach dem Prozess in den Medien. Dies betrachte ich als den eigentlichen Sinn der Aktion.

RADIOSZENE: Wird die 1Live Krone ab sofort politisch?

Jochen Rausch: Ich finde, dass auch Popmusik durchaus politisch sein kann. Es war in der Vergangenheit so und auch in der Gegenwart gibt es viele Beispiele dafür. In unseren westlichen Kulturkreisen wird es gar nicht mehr richtig wahrgenommen, wenn Künstler öffentlich ihre persönliche Meinung kundtun und sich kritisch über bestimmte gesellschaftliche Dinge äußern. Das geht hier einfach unter. Aber in Russland ist diese öffentliche Kritik nicht an der Tagesordnung und wird – gerade auch durch das harte Durchgreifen der Staatsgewalt – verstärkt wahrgenommen.

Logo 1LIVE Krone2012 small

RADIOSZENE: Steht schon fest, wer den Preis entgegennehmen wird?

Jochen Rausch: Daran arbeiten wir gerade. Wir versuchen, jemanden nach Bochum einzuladen, der möglichst nah an der Band dran ist. Aber vielleicht wird uns dieses Vorhaben auch nicht gelingen. In erster Linie hat die Nominierung einen Symbolcharakter. Alles andere wird jetzt im Laufe der Zeit entschieden.

RADIOSZENE: Vielen Dank für das Gespräch.

Jochen Rausch: Sehr gerne.