Interview: Warum Ingmar Stadelmann von ENERGY zu Radio Fritz wechselt

Ex-ENERGY-Morgenmoderator Ingmar Stadelmann geht zum rbb-Jugendradio Fritz
Ex-ENERGY-Morgenmoderator Ingmar Stadelmann geht zum rbb-Jugendradio Fritz

Nach dem Radikalschnitt bei Radio ENERGY Deutschland gibt es zumindest für den früheren Toastshow-Moderator Ingmar Stadelmann (32) eine neue Heimat: Ab Januar ist er bei den Radiofritzen zu Hause. RADIOSZENE sprach exklusiv mit ihm über seine neue Zukunft im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

RADIOSZENE: Bevor wir Richtung Zukunft blicken, lass uns erst ‚mal über Vergangenes sprechen. Nachdem du ENERGY verlassen hast, ging der Relaunch weiter. Die nationale Nachrichtenredaktion mit Sitz in Berlin für die NRJ-Stationen Hamburg, Rhein-Main, München, Nürnberg und Stuttgart wurde offensichtlich aufgelöst, die News zum Radio-Dienstleister REGIOCAST outgesourct, in der Personalabteilung gibt es personelle Veränderungen, man hört, dass Dein Toastshow-Nachfolger Rob Szymoniak (33) von 104.6 RTL  wird und angeblich verlässt Dein langjähriger Gegenpart Boussa Thiam  ebenfalls den Sender und geht zum Hessischen Rundfunk. Überrascht dich dieser Radikalschnitt bei „Europas größter Radiokette“?

Ingmar Stadelmann: Nein.

RADIOSZENE: Du warst ja auf einmal weg! Am 10. September hattest du auf Deiner Facebook-Seite angekündigt, dich „nach vier Jahren früh aufstehen“ zu verabschieden. Schon am Freitag darauf bekamst du zum 5-Uhr-Frühstück mit Pommes und Currywurst  deine Henkersmahlzeit. Das ist nicht unbedingt eine lange Vorlaufzeit…

Ingmar Stadelmann: Man kann sich halt nicht aussuchen, wann das UFO kommt! (Anspielung auf die Abschiedsshow). Ansonsten gab es schon Morningshow-Moderatoren, die mit Polizei vor Sendungsende einfach weg waren. Im Vergleich dazu war meine Vorlaufszeit ja riesig. Ich habe darüber lange nachgedacht und der Moment war dann einfach da. Es ist immer schwierig etwas zurück zu lassen, was man selber initiiert hat, weil man weiß: Es wird danach nicht mehr das Selbe sein.

RADIOSZENE: Offiziell hieß es, dass du dich auf deine Bühnenkarriere als Comedian konzentrieren wolltest. Im Januar gehst du allerdings schon zum rbb, es dürfte also andere Gründe gegeben haben. Kannst du was darüber sagen?

Ingmar Stadelmann: Offiziell hat auch Lee Harvey Oswald John F. Kennedy erschossen. Mit Fritz hatte ich schon Kontakt, da gab es noch nicht mal ne Toastshow. Es gab immer so ein gegenseitiges Interesse und Herantasten. Damals noch mit Stefan Warbeck, der ja dann „spontan“ den Job aufgegeben hat, wo ich jetzt die Gründe nicht genau Ken. Die neue Oberfritzin Karen Schmied, der rbb und ich haben uns jetzt lange beschnuppert. Ich glaube, wir mögen uns. Ich selber freu mich auf die Weiterentwicklung im öffentlich-rechtlichen Rahmen. Ich bin damit viel flexibler, was die Stand-up-Comedy und mein Solo „Was ist denn los mit den Menschen“ angeht. Termine wie zum Beispiel der Solo-Abend am 23.1.2013 im Quatsch Comedy Club lassen sich so viel leichter vereinbaren. Das soll sich ja nicht im Wege stehen, sondern Fritz und Ingmar sollen so eine Art siamesische Entertainment-Zwillinge werden.

RADIOSZENE: Hast du mit einem lächelnden oder weinenden Auge ENERGY verlassen?

Ingmar Stadelmann: Da ich bereits wusste, wie es weitergeht, war das ein ganz angenehmer Abschied. Trotz allem ist es eine besondere Situation gewesen. Im Gegensatz zu vielen anderen Radioshows, muss man ja sagen, dass die Berliner Toastshow kein zusammengewürfelter Haufen war. Ich habe da vor vier Jahren die Chance bekommen, die Morningshow zu machen, die ich mir vorgestellt habe. Es gab auch wenig zu verlieren. Der Sender stand zahlentechnisch an einem Punkt, wo es entweder heißt „Wer macht das Licht aus?“ oder „Wir haben gerade einen Koffer mit Geld aus Frankreich gefunden! „. Zu meinem Glück war letzteres der Fall. Ich durfte mit Boussa Thiam noch mitbringen, wen ich mitbringen wollte. Das Redaktionsteam haben wir uns dann quasi zusammengesucht. Am Ende waren wir sechs Leute, die sich mochten und alle vom anderen wussten, was er kann. Wir konnten da zweieinhalb Jahre umsetzen, was wir für richtig hielten. Das war ein sehr angenehmes Arbeiten und ich weiß auch, dass das so nicht selbstverständlich ist. Dafür bin ich ENERGY sehr dankbar.

Die Toastshow mit Ingmar und Boussa - die etwas andere Morningshow (Bild: ENERGY)
Die Toastshow mit Ingmar und Boussa - die etwas andere Morningshow (Bild: ENERGY)

RADIOSZENE: Deine neue Heimat ist das Jugendradio des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb). Steht jetzt schon fest, was du da als designierter Radiofritze genau machen wirst?

Ingmar Stadelmann: Mein Hintern gehört jetzt dem rbb! Die entscheiden. Wenn die sagen, du passt hier auf die Sendeantennen auf, mach ich das. Geplant ist jedenfalls erst mal Teil der Radiofritzen am Nachmittag zu werden plus das, was ich am besten kann: Talken! Fritz hat da so eine lange Tradition, dass ich zugeben muss, dass damit schon ein Traum in Erfüllung geht. Quasi Domian in 20 Jahre jünger und mit Humor. Das machen zu können, war einer der Hauptgründe mich für Fritz zu entscheiden. So kann ich Dinge, die ich als Stand-up-Comedian auf der Bühne nutze, auch im Radio umsetzen. Außerdem soll es ja beim rbb angeblich auch Kameras geben. Die würde ich den nächsten Monaten dann auch gerne mal von vorne sehen.

RADIOSZENE: Radio Fritz dürfte sicherlich auch eine neue Herausforderung für dich sein. Bei ENERGY hattest du zu Aktionen aufgerufen wie „Wie viele Obdachlose lässt du eine Nacht bei dir schlafen?“ und dafür von Zuhörern und Radiomachern einige Kritik wegstecken müssen. In den Radioforen  wurde dir sogar „Quotengeilheit“ und Respektlosigkeit vorgeworfen. Im Öffentlich-Rechtlichen sind ganz andere, vor allem auch journalistische Qualitäten gefordert. Wie möchtest du dem gerecht werden?

ingmar stadelmann comedianIngmar Stadelmann: Ich bin immer verwirrt über diese Unterscheidung zwischen Öffentlich-Rechtlich und Privatradio. Für mich gibt es diese Trennung nicht. Jedenfalls war das nie meine Sichtweise beim Radio machen. Ich möchte einfach gutes Entertainment machen. Neben Bühne oder Fernsehen ist Radio eine Wahl der Waffen. Ich denke, auch Privatradio kann journalistische Qualität haben. Ich weiß, dass das nicht überall so gesehen wird, aber ich bin der festen Überzeugung. Diese Trennung zwischen journalistisch aber langweilig und unterhaltsam aber oberflächlich ist doch Quatsch. Es gilt einfach zu verstehen: Der Hörer hat Spaß daran, sich eine Meinung zu bilden. Sich eine Meinung bilden macht Spaß! Es ist Teil des „Radioentertainments“ und das bedeutet, dass man Inhalte braucht. Es ist und bleibt eine Frage des „Wie? „. Wenn 5.000 Polizisten ein Wohnhaus in Kreuzberg stürmen, dann interessiert das ENERGY-Hörer genauso wie Fritz-Hörer. Mit diesem Ansatz sind wir gut gefahren, haben die besten Quoten der letzten acht Jahre für ENERGY geholt, sind für den Deutschen Radiopreis als beste Morningshow nominiert worden und haben aus einer Radioshow eine Bühnenshow gemacht, die erst den „Quatsch Comedy Club“ füllte und ein Jahr später sogar das Berliner Kesselhaus ausverkauft hat. Ich finde, da darf man stolz drauf sein und es belegt, dass ENERGY viel mehr kann als „10 Hits am Stück“. Aber die Sünde sei ihnen vergeben.

RADIOSZENE: Was erhoffst du dir vom Öffentlich-Rechtlichen nach zahlreichen Jahren bei den Privaten? Oder bleibt alles beim Alten?

Ingmar Stadelmann: Ich denke, Fritz passt gut zu mir, weil ich nun mal einfach kein typischer Linercard-Vorleser bin. Nicht, dass ich das nicht könnte. Das könnte wahrscheinlich auch ein kleines behaartes Äffchen, dem man zwei Mangos vor die Nase hält. Mein Problem ist eher: Wenn ich zu Sendungsbeginn schon zu 100 Prozent weiß, was mein letztes Wort heute sein wird, dann tret ich gar nicht erst an. Dann arbeitet mein Kopf nicht. Es geht mir um mehr Qualität und nicht um Quantität. Ich persönlich hoffe da noch ein paar Sachen lernen zu können. Und nach 10 Jahren Privatradio am Stück mit RadioTop40, KissFM und ENERGY soll es mal gut sein mit der totalen Quotenhatz. Mein Standing in einem Sender ist nicht länger abhängig von einer Erhebungsmethode, über die jeder lacht, der auch nur ein Semester Statistik hatte. Alleine darüber könnte ich ein komplettes Comedy-Programm schreiben. Übrigens: Der Großvater meines Ur-Opas hieß auch Fritz. Gutes Omen oder?

RADIOSZENE: Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft!

Ingmar Stadelmann: Ich danke fürs Gespräch!

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RADIOMODERATOR INGMAR STADELMANN: Also doch nicht schwer vermittelbar

 

Weiterführende Links:
Ingmar Stadelmann (Offizielle Website)
Ingmar Stadelmann (Facebook-Seite)
Radioforen.de-Diskussion: „ENERGY-Sender schrauben deutschlandweit an Programmen“