Deutschlandradio lässt Sendemast in Berlin-Britz abreißen

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Neue Impulse zur Digitalisierung des Hörfunks sind gegenwärtig aus den verschiedensten Richtungen zu vernehmen – Webradio und DAB+ erfreuen sich einer wachsenden Aufmerksamkeit. Doch in Vergessenheit gerät der erfolglose Digitalisierungsversuch der Mittelwelle mit dem Sendestandard DRM (Digital Radio Mondiale). Das Deutschlandradio zieht nun Konsequenzen daraus und reißt einen der beiden Sendemasten in Berlin-Britz ab.

Im September 1946 entstand der erste Rundfunksender in Berlin-Britz: Mit nur 800 Watt strahlte der Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS) sein Programm mit einem kleinen Sender der US-Army aus, der auf einem Jeep-Truck montiert war1. Seitdem änderte sich viel am heutigen Britzer Damm 176. Zwei Kurzwellenfrequenzen kamen hinzu, der Betrieb auf UKW, DAB und den Mittelwellenfrequenzen 855 kHz und 990 kHz wurde aufgenommen. Zudem gelangte von hier das Fernsehsignal von RIAS-TV und später MTV-Deutschland auf den Satelliten.

Kopie von BritzJetzt, im Oktober 2012, ist nur noch wenig von früher geblieben: Ausgestrahlt wird das Programm von Deutschlandradio Kultur und der Ereigniswelle „Dokumente & Debatten“ auf Mittelwelle 990 kHz, auf UKW kommt einzig noch die Frequenz 89,60 MHz für die Kulturwelle aus dem Funkhaus am Hans-Rosenthal-Platz zum Einsatz. Nachdem Ende Mai der historische Kurzwellensender des Deutschlandfunk auf 6190 kHz nach einem irreparablen Defekt schwieg, entschied das Deutschlandradio zudem, die Mittelwelle 855 kHz Mitte September ebenfalls aufzugeben. Bisher wurde seit rund 12 Jahren auf dieser Frequenz in digitaler Modulation (DRM) gesendet, zuletzt das Programm DRadio Wissen. Nachdem sich DRM jedoch in Europa nicht durchsetzen konnte, sollten alle Anstrengungen der Entwicklung von DAB+ gewidmet werden. Der 146 Meter hohe Mast wird nun Mitte November abgerissen. Bereits vergangene Woche wurden einzelne Sendeantennen an der Turmspitze demontiert.

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Antennenabstimmung für den Mittelwellensender

Unklar ist die Zukunft des Senderstandorts Berlin-Britz, nachdem von dort nun einzig die Mittelwelle 990 kHz und die UKW-Frequenz 89,60 MHz betrieben werden (beide jeweils mit 100 kW Sendeleistung). Gerüchte, nachdem auch letztgenannte Frequenz zum Fernsehturm Alexanderplatz wechseln könnte, dementierte ein Sprecher des Deutschlandradios. Fest steht aber, dass die Tage der Frequenz 990 kHz gezählt sind. Schließlich war ein Neustart des Digitalradios DAB+ nach einer Entscheidung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) nur möglich, sofern die Ausstrahlung von Sendungen im AM-Bereich in absehbarer Zeit heruntergefahren werden. In zwei bis drei Jahren könnte also in dieser Beziehung Funkstille in Britz herrschen.

Weiterleben werden hingegen auf jeden Fall viele Erinnerungen, die mit dem Sender Berlin-Britz in Verbindung standen. Schließlich sorgte er zu DDR-Zeiten für den Empfang der beiden RIAS-Programme in Berlin – und darüber hinaus. Die Kurzwellen der „Stimme der freien Welt“, wie sich der RIAS bezeichnete, waren zudem europaweit zu empfangen.

 

[1] RIAS – Eine Radio-Station in einer geteilten Stadt, S.48, von Kundler, Herbert, erschienen im Reimer-Verlag 2002