Comedy funktioniert am besten im Team

Von Inge Seibel-Müller

Gut gelaunt und immer lustig: So wünschen sich viele Zuhörer ihr Radio. Ein Wunsch, der manchem Moderator und Radioredakteur Kopfzerbrechen bereitet. Radiocomedy ist eine hohe Kunst, zumal die Geschmäcker so verschieden sind. 

Lokalrundfunktage2012 smallKann man das lernen? Wie weit darf Comedy gehen und lohnt sich überhaupt der zeitliche und finanzielle Aufwand? Das wollte Moderator Gerald Kappler, Programmchef und Morningman von Charivari 98.6 in Nürnberg, von seiner bunt gemischten Expertenrunde auf den Lokalrundfunktagen 2012 in Nürnberg wissen. Programmchefin Ina Tenz von radio ffn, Comedyautor Stefan Schwabeneder von Bayern 3 und der Kabarettist Roland Krabbe alias „Herr Braun“ gaben ihr Bestes, um die Panel-Stunde vergnüglich zu gestalten: mit vielen Hörbeispielen, Hintergrundinfos und praktischen Tipps.

Stefan Schwabeneder von Bayern 3 und Roland Krabbe von hitradio rt1 (Bild: RADIOSZENE)
Stefan Schwabeneder von Bayern 3 und Roland Krabbe von hitradio rt1 (Bild: RADIOSZENE)

Stefan Schwabeneder: „Komik basiert auf Tragik“

Eine Zwei-Mann-Abteilung sei die Comedy-Redaktion bei Bayern 3, berichtet Stefan Schwabeneder. Zum Glück müssen sich die beiden nicht alles alleine ausdenken. Budget ist da, beispielsweise für eine Kolumne des bekannten Kabarettisten Bruno Jonas oder für Newcomer Claus von Wagnerswöchentliche Leuchtturm-Satire „Das Tagebuch des täglichen Wahnsinns“, kunstvoll produziert von Sounddesigner Martin Bauer.

Hörtipp

“Das Tagebuch des täglichen Wahnsinns“ ist Claus von Wagners persönliche, schnelle Form der Wochenbewältigung. “Der Bayerische Rundfunk gibt mir 2 Minuten pro Woche”, schreibt der junge Kabarettist auf seiner Homepage, “ich habe aber immer Stoff für drei Minuten. Deshalb rede ich so schnell!” Als Kostprobe die Folge »Bankenkrise« vom 27.6.2012 im Podcastarchiv des Bayerischen Rundfunks.

In seinen Comedys legt Bayern 3 Wert auf den tagesaktuellen Bezug, zeitlose Serien gibt es laut Schwabeneder nicht. Beliebt sind auch Stimmimitationen wie die Politsatire von Wolfgang Krebs. Der Stimmenimitator lässt jeden Donnerstag Edmund Stoiber, Günther Beckstein und den aktuellen Landesvater Horst Seehofer in der »Warteschlange vor der Landtagskantine« über Gott und die Welt philosophieren. Das Erfolgsrezept von Bayern 3: Komik entsteht im Brainstorming im Team. Ohne Sparringpartner, dem man vertrauen könne, sei es sehr schwer. Als Irrglaube vieler Moderatoren entlarvte Schwabeneder die Meinung, dass man eine an sich schon lustige Meldung noch lustiger machen müsse. Komik basiere meist auf Tragik. Dabei sei es eine Frage der Zeit, wann Tragik lustig sein darf.

Ina Tenz: „Ich bin mit dem Frühstyxradio aufgewachsen, was soll denn da noch kommen als Schmerzgrenze“

Geistreiche Comedy, die gerne mal Taburegeln bricht, ist seit Sendebeginn in den 80er Jahren ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal von radio ffn. Über die Grenzen Niedersachsens hinaus bekannt ist die berühmte Sendung »Frühstyxradio« von Erfolgsautoren wie Dietmar Wischmeyer, Oliver Kalkofe, Oliver Welke oder Jochen Krause.

Bei radio ffn reflektiert »Günther, der Treckerfahrer«, als Philosoph von der Ackerscholle aktuelles Zeitgeschehen und politische Themen auf satirische Weise. Provokant, frech und manchmal hart an der Grenze des guten Geschmacks sind dem Sender juristische Auseinandersetzungen in Sachen Comedy nicht fremd. Als im September 2008 Stimmenimitator Jochen Krause mit seinem Crazyphone der hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti als Franz Müntefering getarnt einige peinliche Aussagen entlockte, kam sogar der Staatsanwalt ins Haus. Trotz Ausstrahlungsverbot landeten Auszüge des „Spasstelefons“ auf Youtube. Der Sender kann angeblich bis heute nicht erklären, wie das möglich war.

Ina Tenz, Programmchefin radio ffn (Bild: RADIOSZENE)
Ina Tenz, Programmchefin radio ffn (Bild: RADIOSZENE)

Programmchefin Ina Tenz nimmt es gelassen. Bei Grenzfällen gilt im Sender die Regel: „Um Verzeihung bitten ist immer einfacher als um Erlaubnis zu fragen.“ Ob sich in den vergangenen zehn Jahren denn Comedy im Radio verändert habe, wollte Moderator Gerald Kappler wissen. „Gar nicht“, kontert Ina Tenz, „es gibt nur lustig oder nicht lustig.“ Die ffn-Programmchefin stellte aber klar: „Für gute Comedy gibt es kein Erfolgsrezept.“

Das Frühstyxsradio ist nach mehrjähriger Pause mittlerweile wieder fester Bestandteil des Programms. Das Team hat freie Hand. Bauchschmerzen bei dem, was ihre Comedyautoren tun, hat Ina Tenz nicht. Sie ist mit dem Frühstyxradio aufgewachsen und mittlerweile sei etwas Einsicht und Reife bei den Autoren eingekehrt, was die Grenzen des guten Geschmacks betrifft.

Ab September plant ffn eine neue Comedyserie zur Landtagswahl am 20. Januar 2013. Die Protagonisten versprechen Zündstoff: VonVeronica Ferres und Carsten Maschmeyer über die Hells AngelsSkorpions und den ehemaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff soll alles aufgeboten werden. Die ersten Piloten sind bereits fertig, aber noch unter Verschluss.

Roland Krabbe: Vollzeitkomiker beim Lokalradio

Roland Krabbe ist besser bekannt als „Herr Braun“ von hitradio rt1. Seit 2001 arbeitet er bei der Augsburger Radiostation als Comedy-Autor. Mit dem Duo „Herr und Frau Braun“ steht er bereits seit zwanzig Jahren auf den Kabarettbühnen der Stadt. „Wir setzen voll und ganz auf Augsburg und bilden den Augsburger so ab wie er ist“ sagt Krabbe, der in seinen Comedy-Auftritten für hitradio.rt1 in verschiedenen Augsburger Identitäten schlüpft. Flagschiffe sind Kunstfiguren wie der typische Kleinbürger Herr Ranzmeier, der sich über Tagesaktuelles in seinem Stadtviertel auslässt. Für das verflixte Telefon ruft Krabbe seit 10 Jahren Menschen in und um Augsburg herum an. Die lokalen Comedyelemente kommen bei den Augsburgern gut an: „Da kommt Heimatgefühl auf“, meint Roland Krabbe.

Die Busfahrercomedy »Mampfred und Karre – die Rächer des öffentlichen Nahverkehrs« wurde 2011 mit dem Hörfunkpreis der Bayerischen Landesmedienanstalt (BLM) in der Kategorie „Unterhaltung“ ausgezeichnet. Ihr Markenzeichen: Die beiden sind grundsätzlich Fahrgast abweisend – genau so, wie der Augsburger laut Krabbe seine Busfahrer wahrnimmt. „Keine Angst vor Wiederholungen, das Klischee lebt“, ist eine der Grunderfahrungen von Roland Krabbe. Ob seine Einfälle wirklich komisch sind, testet Krabbe gerne bei „normalen Leuten“ wie dem Personal der Senderpforte.

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Tipp der Experten zum Schluss: Auf keinen Fall krampfhaft nach Komischem suchen, sondern es im Zweifel auch mal bleiben lassen und lieber Musik spielen.

Links
Hörfunker.de
Workshop: Sehr lustig! Comedy im Radio zum nachhören.