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9. Tutzinger Radiotage: Von Mobile Reporting bis Social Workshopping

Tutzinger Radiotage 2012 (Bild: Eva-Marie Meyer)

Von  Natalya Tetzner und Jaroslaw Animucki

Rund 60 Radiomacher aus ganz Deutschland kamen bei den neunten Tutzinger Radiotagen zusammen, um Vorträge über die Zukunft des Radios zu hören und zu diskutieren. Die Tagung fand wie gewohnt in der Akademie für politische Bildung in Tutzing statt. Dieses Jahr wurde erstmals live von den Radiotagen berichtet: Hierfür waren 21 Studenten des Onlinejournalismus der Hochschule Darmstadt mit ihrem Projekt „TutzingFM“ vor Ort. Sie twitterten live über alle Veranstaltungen und ergänzten dies durch multimediale Beiträge in ihrem Blog.

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Die Tagung wurde 2004 von der Bundeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit der Akademie für politische Bildung Tutzing ins Leben gerufen und wird seitdem von ihnen finanziert. Neben eher allgemeinen Themen wie der Verständlichkeit von Radio-Nachrichten oder effektiven Feedback-Verfahren ging es dieses Jahr vor allem um Innovationen.

Michael Mennicken (Bild: Eva-Marie Meyer)

Die Zukunft des Radios liegt im Internet

Michael Mennicken, Chefredakteur bei Antenne Düsseldorf, beschäftigte sich in seinem Vortrag mit der Zukunft des Lokalradios. Er betonte, dass die Zukunft des Radios im Internet liegt. Gerade in sozialen Netzwerken könne man gut mit seinen Hörern interagieren. Das stärke die Identifikation mit dem Sender. Er strebt mit Antenne Düsseldorf eine Youtube-Sendung an. Wie genau das aussehen soll, wollte er nicht detailliert erzählen, denn das Projekt liegt derzeit noch in seiner Schublade. Aus Sicht des Chefredakteurs habe das Lokalradio definitiv Zukunft – aber die Einbindung ins Netz sei dafür wichtig.

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Diese Meinung teilten auch andere Referenten der Radiotage. So sprachen Markus Engert und Christian Bollert von detektor.fm in ihrem Vortrag „Alles neu macht der Juni“ über ihre Idee von Internetradio: Kein Wetterbericht, keine Verkehrsmeldungen, keine Nachrichten – dafür Popmusik und hintergründiger Journalismus. Nachrichten gäbe es im Internet doch an jeder Ecke. Hörer können bei ihnen zwischen zwei Kanälen wählen: Wort oder Musik. Dabei hat detektor.fm den gleichen Anspruch wie ein privates Qualitätsradio: Die Sprache steht gleichberechtigt neben der Musik –  und stößt bei den Hörern auch gleichermaßen auf Interesse.

Lesetipp: Alles neu macht der Juni

(Bild: Ingo Krenz)

Trends: Radio wird crossmedial

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Bei den Radiotagen wurden einige Projekte vorgestellt, die versuchen Radio, Bild und Internet miteinander zu verknüpfen. So richtet sich die „Tageswebschau“ an junge Menschen, die nicht so sehr mit Twitter, Youtube und Co. vertraut sind, erklärt Marcelle Bonventre, Redaktionsleiter der „digitalen Garage“ bei Radio Bremen. Mit diesem Format sollen sie dennoch Nachrichten aus Netzperspektive erleben können. Das Projekt wurde im Laufe des Vortrags kontrovers diskutiert: Während die Einen die Idee lobten, bemängelten die Anderen den zeitlichen Verzug der Beiträge. Durch diverse Kontrollmechanismen würden die Themen „zum kalten Kaffee“ werden. Außerdem stellte ein Tagungsteilnehmer, Axel Buchholz, Professor an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz, die Frage nach dem journalistischen Mehrwert der „Tageswebschau“.

Lesetipp

ARD-Anstalten experimentieren mit crossmedialen Formaten – Online, im Radio und im Fernsehen

(Bild: Ingo Krenz)

Für die Sendung „Breitband“ entwickelte Moritz Metz von Deutschlandradio Kultur zusammen mit Kollegen den „Hyperaudio-Player“: einen webbasierten Audio-Player, der durch Zusatzinformationen wie Bilder, Texte oder Links ergänzt wird. Die Einbindung in soziale Netzwerke ist ebenfalls möglich: Hörer können bestimmte Ausschnitte aus der Sendung zum Beispiel bei Facebook teilen. Auch „Like-„ und „Dislike-„Buttons sowie eine Kommentarfunktion machen es dem Hörer möglich, das Gehörte direkt zu bewerten.

Im Juli wird eine Demo-Version des Players online gehen – und es wird sich zeigen, ob das Konzept aufgeht. Man bräuchte viel Zeit um gute Informationen einzubauen, so Metz. Daher sei dieses Konzept auch nicht für alle Radiosendungen geeignet. Besonders bei langen Sendungen sei dieses Format zu aufwendig. Für Features, Hörspiele oder Reisereportagen sei der Hyperaudio-Player jedoch gut geeignet.

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Daniel Fiene (Bild: Eva-Marie Meyer)

Ebenfalls ein großes Thema dieses Jahr war „Mobile Reporting“: Hierzu referierte Daniel Fiene, Redakteur und Moderator bei Antenne Düsseldorf. Er stellte verschiedenste Apps für iPhone und Co. vor, mit denen Journalisten teilweise hochwertige Beiträge produzieren können. Fiene beschäftigt sich seit einiger Zeit mit diesem Trend und hat selbst schon viele Radiobeiträge mit dem iPhone produziert. Manchmal hätten die Redaktionen gar nicht gemerkt, dass er nur mit seinem Smartphone gearbeitet hat, sagt er. Anhand von Hörbeispielen demonstrierte der Mobile Reporter die Qualität von iPhone-Aufnahmen – mit und ohne Zusatzequipment. Audio-und Videobearbeitung demonstrierte er an Hand der iPhone-App „1st Video“ von der Firma VeriCoder. Das stellte er bei dieser Gelegenheit auch gleich vor: Vom „iRig Mic“ bis hin zum „SmartGrip“ – für jede Gelegenheit gäbe es mittlerweile preiswertes Equipment. Dennoch entfachten einige Tagungsteilnehmer am Ende des Vortrags eine Diskussion. Bis zum Schluss blieb die Frage im Raum stehen, ob Mobile Reporting sich durchsetzen wird. Es sei zwar neu, schnell und einfach, gehe allerdings oft auf Kosten der Qualität.

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 Sandra Mueller (Bild: Natanja Grün)

Do it yourself: Workshops zu den wichtigsten Themen

Am Montag standen Workshops im Mittelpunkt. Die Teilnehmer konnten sich hier noch intensiver mit einigen Themen der diesjährigen Radiotage beschäftigen – und selbst ein bisschen ausprobieren.

Radio-Nachrichten wurden in einer kleinen Workshopgruppe mit Dietz Schwiesau und Ines Bose auf den Prüfstand gestellt. Diese hören sich bereits seit Beginn des Radios vor 89 Jahren immer gleich an. Muss das überhaupt heutzutage noch sein? Die Teilnehmer wurden gebeten eine Nachrichtensendung zu erstellen. Die Zielgruppe: 20-40 jährige Hörer eines Rock- & Pop-Radiosenders. Die Gruppe zog das Fazit, dass Nachrichten mutiger und moderner werden könnten, ohne Hörer zu verlieren.

Lesetipp: Die Nachricht im Kopf des Hörers

Daniel Fiene von Antenne Düsseldorf beschäftigte sich auch im Workshop mit Mobile Reporting. Dazu bat er Teilnehmer ausschließlich mit iPad und iPhone Beiträge zu produzieren. Hierzu führte Fiene die Kollegen in eine App ein, die Audio, Video und Foto miteinander verbindet. Die Teilnehmer drehten auf dem ganzen Gelände der Akademie kleine Videos, die sie später auf den Mobilgeräten zusammenschnitten und bearbeiteten. Die Begeisterung war so groß, das einige Teilnehmer bis tief in die Nacht an ihren Videos arbeiteten. Am Ende des Workshops war den Teilnehmern klar, dass Smartphone-Beiträge durchaus rundfunk-geeignet sind.

Eine Feedbackrunde fand hinter verschlossenen Türen statt. Hier wurde von den Teilnehmern verlangt Feedback zu äußern und entgegen zu nehmen. Roland Wagner vom SWR und Wolfgang Spang vom hr waren Leiter dieses Workshops. Die Teilnehmer sollten lernen sich den Themen professionell zu widmen und die persönliche Ebene zu vermeiden. Nur so könne Kritik konstruktiv sein und das gewünschte Ergebnis erzielen.

Bei sonnigem Wetter haben sich einige Teilnehmer natürlich zwischen den Workshops einen Sprung in den Starnberger See gegönnt. Trotz der intensiven Arbeitsatmosphäre war der Privatsteg der Akademie selten leer. Nach den Vorträgen und Workshops war das meist auch die Anlaufstelle, an dem sich die Teilnehmer austauschten.

Fotos: Eva-Marie Meyer,  Natanja Grün und Ingo Krenz 

 

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