Wedel Software

ARD-Anstalten experimentieren mit crossmedialen Formaten

Von Inge Seibel-Müller

Im Netz und mit dem Netz wachsen nicht nur die Mediengattungen, sondern auch die ARD-Medienanstalten zusammen: Diese Woche ging mit der »tagesWEBschau« ein neues Informationsangebot der ARD auf Sendung – im Fernsehen bei den digitalen Kanälen sowie auf den Online-Seiten der jungen Radios der ARD.

Entwickelt wurde die Idee von der »“Digitalen Garage“« im trimedialen Funkhaus von Radio Bremen. Die „Digitale Garage“, gegründet im Oktober 2010 aus erstmals konsequent multimedial ausgebildeten Volontären von Radio Bremen, versteht sich als Werkstatt für innovative und crossmediale Programmstrategien, die vor allem das Publikum unter 30 ansprechen sollen. Die tagesWEBschau wird als gemeinsames ARD-Projekt von Radio Bremen, der Tagesschau und You FM vom Hessischen Rundfunk produziert. Das circa zweieinhalb Minuten lange Onlinemagazin wird montags bis freitags ab 16.45 Uhr beim digitalen TV-Kanal tagesschau24 erstausgestrahlt. Es besteht aus drei Filmbeiträgen, angereichert durch Grafiken, die von einer Stimme aus dem Off kommentiert werden.

Teja Adams gehört zur Ideenschmiede "Digitale Garage" bei Radio Bremen. (© Radio Bremen)
Teja Adams gehört zur Ideenschmiede "Digitale Garage" bei Radio Bremen. (© Radio Bremen)

Radio Bremen-Intendant Jan Metzger erklärt das inhaltliche Konzept so: „Wir berücksichtigen Inhalte, die im Netz aktuell sind und die Gemeinde bewegen, aber für die große Tagesschau und das Publikum um 20 Uhr eher weniger wichtig sind. Das alles mixen wir zu einem Format, das die Informations-Qualität der Tagesschau mit der Lebenswelt der Jungen und der Netzaffinen verbindet.“ Auch Kommentare aus dem Social Web sollen eingebunden werden.

Vier Redakteure bei Radio Bremen tummeln sich auf der Suche nach Themen und Stimmungen dazu täglich selbst im Netz und eigenen Netzwerken. „Wir nutzen aber auch professionelle Recherchetools, um gezielt nach Themen zu suchen, tauschen uns mit Kollegen aus und haben dann einen guten Indikator für das, was im Netz so läuft“ sagt Isabell Werner, Redakteurin bei der „Digitalen Garage“.

Journalistischer Anspruch und Design orientieren sich an der Tagesschau. Daher liegt die tägliche redaktionelle Abnahme auch in den Händen von ARD-aktuell in Hamburg. „Das ist kein Spaß, eine Abnahme bei ARD-aktuell“, sagt ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke. „Die Sendungen müssen den ethischen und journalistischen Standards der Tagesschau genügen. Wir machen hier keine Tagesschau light, sondern wollen unsere Nutzer ernst nehmen.“ In jedem Fall sieht Gniffke in der zunächst auf ein halbes Jahr angelegten Erprobungsphase der tagesWEBschau eine große Chance: „Möglicherweise kommt momentan bei der klassischen Tagesschau zu kurz, wie die Themen in der Internetwelt eingeschätzt werden. Mit der tagesWEBschau konzentrieren wir uns stärker auf Web-Themen und die Internet-Aspekte relevanter Themen. Das Projekt ist deshalb für uns interessant, weil es unser Denken beeinflusst und daher auch Rückwirkungen auf die klassische Tagesschau haben kann.“

Die Info-Grafiken der tagesWEBschau werden bei »YOU FM«, dem jungen Radio- und Multimediaprogramm des Hessischen Rundfunks produziert. Die Herausforderung in der optischen Gestaltung besteht für Sebastian Gehrlein, Leiter YOU FM-Management und Projektleiter der tagesWEBschau beim Hessischen Rundfunk, darin, ein innovatives Produkt für drei Ausspielwege zu schaffen: nämlich TV, Hörfunk und Internet. Anstelle der eher nüchternen Nachrichtengrafiken bei der Tagesschau, wollen die Frankfurter mehr Bewegung ins Bild bringen. „Starke Symbole oder Fotomontagen können so Netz-Geschichten darstellen, für die es wenig reale Bilder gibt“, meint Gehrlein.

Für Jan Weyrauch, Programmdirektor bei Radio Bremen, wird immer relevanter, welche Nachrichten das Netz selbst hervorbringt. Die tagesWEBschau soll die klassische Tagesschau ergänzen. Jan Weyrauch: „Wir haben als ARD-Anstalten im Fernsehen eine hohe Informationskompetenz, doch die Kompetenz für die Jugend drohen wir im Fernsehen etwas zu verlieren. Dafür haben wir eine Stärke im Radiobereich. Die jungen Radioformate der ARD erreichen die junge Zielgruppe. Wir haben uns daher gefragt, wie können wir die Stärke der Radios mit der Informationskompetenz, die wir im Fernsehen haben, zusammen bringen und daraus ein neues Format entwickeln.“

Ein lineares Fernsehformat hat andere Gesetze als ein Internetformat. Und weil die tagesWEBschau kein klassisches Fernsehen, aber auch kein klassisches Internetformat ist, hat man bei der „Digitalen Garage“ lange darüber gegrübelt, wie sich der Spagat meistern lasse, das neue Format über unterschiedliche Kanäle auszustrahlen. Daher gibt es online ab 17 Uhr auf den Webseiten der jungen Radiowellen der ARD sowie bei DRadio Wissen über einen interaktiven Webplayer noch einen Zusatznutzen: Im »Webplayer« stehen die Sendungen 7 Tage lang im Archiv zum Abruf bereit. Wer möchte, kann sich per Klick zusätzliche Inhalte in Form von ausführlichen Themendossiers, Portraits, Videos oder weiterführende Links abrufen. „Mit dem interaktiven Webplayer auf den Radiosites haben wir ein Format gefunden, das dem Internetuser einen Mehrwert bringt, den er nutzen kann, aber nicht muss“ , sagt Jan Weyrauch.

Innovative Wege beschritten die Macher der tagesWEBschau bereits bei der Vorstellung des neuen Projekts. Die Pressekonferenz wurde ausschließlich virtuell als Live-Stream im Internet angeboten. Statt langweiliger Statements wurde ein Schulterblick auf die letzten Vorbereitungen im Team der „Digitalen Garage“ von Radio Bremen geboten und Fragen an Gesprächspartner konnten per Email gestellt werden. Eine eigene App für Smartphones wird es für das Onlinemagazin nicht geben, das Angebot wurde in die Tagesschau-App integriert. Nach drei Monaten kommt die Sendung dann erstmals auf den Prüfstand: Die Uni Bremen ist damit beauftragt, den Erfolg empirisch qualitativ zu messen und auszuwerten.

Link
Hörfunker.de über die tagesWEBschau 

 

XPLR: MEDIA Radio-Report