SWR 1 Baden-Württemberg – Reichweite mit Melodie

SWR Funkhaus Stuttgart big2

Feature von Hendrik Leuker (RADIO KURIER)

In der Nacht vom 31.08. auf den 01.09.1998 ging eine neue Landesrundfunkanstalt der ARD, der Südwestrundfunk (SWR), aus dem Südwestfunk Baden-Baden (SWF) und dem Süddeutschen Rundfunk (SDR), vormals Südfunk Stuttgart, hervor. Der Zusammenschluss geschah zum Einsparen von Ressourcen und zum Nutzen von Synergien. Die neue länderübergreifende Anstalt, die zugleich für Baden- Württemberg und Rheinland-Pfalz zuständig ist, ist gemäß dem Rundfunkstaatsvertrag verpflichtet, zwei Programme nach Bundesland gesplittet auszustrahlen. Somit sendet der SWR zwei Programme nach Bundesland getrennt, nämlich SWR 4 und SWR 1.

Hendrik Leuker besuchte im Funkhaus Stuttgart SWR 1 Baden-Württemberg und traf dort mit dem Programmchef Thomas Dürselen (57) und der Leiterin der Programmpresse, Anja Görzel, zusammen.

Attraktivität und Auftrag

Der öffentlich-rechtliche Auftrag besteht darin, der Trias Bildung, in den Anfangsjahren noch als Belehrung bezeichnet, Information und Unterhaltung in der programmatischen Gestaltung gerecht zu werden. Da der Südwestrundfunk (SWR) – wie auch sonst keine öffentlich-rechtliche Anstalt – dieser Bandbreite nicht in jedem einzelnen Programm gerecht werden kann, bedient sich der SWR einer Flotte von Sparten- und Vollprogrammen: Länderübergreifend werden SWR 2 (Klassische Musik, Kultur, Hörspiel), die junge Pop-Welle SWR 3 und das Teenagerprogramm DASDING sowie das DAB-Programm SWR Info, das am 01.01.2012 SWR Contra mit den zugehörigen Mittelwellen ablöste, aus Baden-Baden ausgestrahlt.

SWR1

SWR 1 als Informationsprogramm und SWR 4 als regionalorientiertes Schlagerprogramm werden nach Bundesland getrennt ausgestrahlt. Für Rheinland-Pfalz kommt SWR 1 aus Mainz und für Baden-Württemberg aus Stuttgart – im Fall von SWR 4 findet sogar noch eine weitere regionale Aufgliederung statt. Zwar ist Radio per se einem ständigen Wandel ausgesetzt, jedoch wurde auf SWR 1 in den letzten Jahren besonders darauf geachtet, dem Hörer auf Augenhöhe zu begegnen. Wichtig für den Transport der Wortbeiträge ist auch bei SWR 1 die Musik.

Thomas Dürselen (Bild: SWR)
Thomas Dürselen (Bild: SWR)

„Wir sind kein Oldieprogramm. Wir spielen Hits aus den 60ern und 70ern Jahren, dazu Titel aus den 80ern und in geringer Zahl aktuelle Hits. In jeder Stunde finden sich auch Titel aus dem letzten Jahrzehnt wie von James Blunt und von Amy Winehouse. Aber nicht dominant, sondern als kleine Beimischung.“, stellt Programmchef Thomas Dürselen die Musikfarbe seines Senders vor. „Wichtig ist dabei auch, dass die Titel eine Melodie haben.“, ergänzt er.

„Vom Privatfunk unterscheidet uns der hohe Wortanteil. So sind im Programm SWR 1 Baden-Württemberg, also von 5 bis 19.30 Uhr oder 20 Uhr (am Donnerstag) bzw, bis Mitternacht (am Sonntag), außerhalb der Nachrichten rund 65 Wortpositionen, Programmplätze, die mit journalistischen Inhalten gefüllt werden, untergebracht. Die Beiträge sind unterschiedlich lang: In der Sendung „Guten Morgen Baden-Württemberg“ (5-10 Uhr) etwa 1-2.30 Minuten, in der täglichen Talksendung „Leute“ können es schon 3-4 Minuten sein. Das finden Sie so nicht bei den Privaten. Hierzulande werden dort kaum journalistische Beiträge gesendet. Unsere Beiträge sind aber nicht standardisiert. Wir wollen flexibel bleiben, orientiert an der Tagesaktualität. Dieses wird kombiniert mit der richtigen Musik. Der Deutsche Schlager hat seinen Platz bei SWR 4. Dort findet auch eine stärkere Regionalisierung statt. SWR 1 sendet keine Regionalnachrichten.“, sieht Dürselen einen signifikanten Unterschied zum Privatfunk.

„Insgesamt lässt sich sagen, dass wir mit der von uns herausgefundenen richtigen Musikmischung einerseits und interessanten Wortbeiträgen andererseits möglichst viele Leute erreichen wollen. Unser Auftrag ist es auch, mit Information demokratiefördernd zu wirken und das geht nur, wenn man auch eine Vielzahl von Menschen erreicht. Zusätzlich zu den Minderheitenformaten müssen wir daher auch intelligente Massenprogramme anbieten.“ umschreibt Dürselen den Kern des öffentlich-rechtlichen Auftrags.

„Wir haben in den letzten Jahren verstärkt unsere Moderatoren durch Coaching geschult, um eine freundliche jedoch nicht anbiedernde Ansprache auf Augenhöhe mit der Hörerschaft zu erreichen,“ nennt Dürselen eine wesentliche Ursache des Erfolgs.

„Für die Qualität der Inhalte sind auch Fachredaktionen verantwortlich. Diese sind beim SWR zentral, also nicht auf ein spezielles Programm bezogen, organisiert. Diese werden auch von SWR 1 intensiv genutzt“, fügt Dürselen hinzu. Somit fließen auch Beiträge der Fachredaktionen Wirtschaft, Sport, Umwelt und Ernährung, Kirche/Religion und Gesellschaft sowie Landespolitik in das laufende Programm von SWR 1 ein.

claim gehoert gehoert

Doppelter Claim

Der Claim von SWR 1 „Eins gehört gehört.“ sorgte in doppelter Hinsicht für Aufsehen. Da wäre natürlich der Spruch selbst: „Zunächst fragten sich die Hörer, was das eigentlich soll, vor allem die Wiederholung des Wortes „gehört“. Jetzt ist der Claim der beliebteste im Sendegebiet, er läuft so gut, dass er an der Kultschwelle angelangt ist.“, zeigt sich Dürselen mit dem Einschlagen des Claims zufrieden.

Eben wegen dieses Claims gab es in den Jahren 1999 und 2000 Verhandlungen mit dem Österreichischen Rundfunk (ORF). Dessen Programm Ö 1 benutzte einen ähnlichen nämlich schon vorher. „Der Claim wurde uns seinerzeit von einer Agentur vorgeschlagen. Danach stellte sich das Problem, dass er schon benutzt wurde. Wir haben uns mit dem ORF rasch geeinigt, dass sowohl SWR 1 als auch Ö 1 den Claim weiter verwenden. Es gibt zwischen diesen beiden Programmen keine inhaltlichen Berührungspunkte. Ö 1 spielt schließlich Klassik und ist ein Kulturprogramm. Außerdem haben wir, mit Ausnahme eines kleinen Gebiets in Vorarlberg, kein überschneidendes Sendegebiet“. erklärt Dürselen.

Hinzufügen sollte man noch, dass sich Sender natürlich ständig gegenseitig beeinflussen, so dass echte Plagiate seltener sind als das gemeinhin angenommen wird. Außerdem verwendet SWR 1 noch den Subclaim: Die größten Hits aller Zeiten. Dieser umschreibt die Musikfarbe des Programms der Kategorie oldiebased AC. Interpreten und Bands wie die gerade aufgelöste Gruppe R.E.M., Tina Turner, die Rolling Stones, Dire Straits, Joe Cocker, Genesis sowie von Bob Dylan und Mark Knopfler dominieren das Programm. SWR 1 spielt im Unterschied zu SDR 1 (bis 1991) keine Volksmusik und keinen Deutschen Schlager. Schon vor der Fusion wanderte diese Musikfarbe zu SWR 4 (vormals SWF 4 und S 4).

Durch Marktforschung gewinnt man bei SWR 1 Erkenntnisse über die Hörerschaft: Die geneigte Hörerschaft besteht im Wesentlichen aus Hörerinnen und Hörer im Alter von 40 bis 60 Jahren und ist im Beruf (2/3 sind davon berufstätig) und in der Freizeit mobil. „Von daher wissen wir auch um die Wichtigkeit von verständlichen Nachrichten und eines verlässlichen Verkehrs- und Wetterservice“, weiß Dürselen um die Bedeutung eines qualitativen Programmangebots.

Die Hörerschaft sieht das Leben nicht nur von der locker-leichten Seite, sondern erwartet von SWR 1 auch, verständlich an ernste Themen herangeführt zu werden, wobei daher auch auf die Auswahl der Experten und Gesprächspartner geachtet wird, die in den Beiträgen zu Wort kommen. SWR 1 Baden Württemberg ist ein Landesprogramm, Regionalnachrichten und regionale Aufschaltungen finden sich nur bei SWR 4 Baden-Württemberg.

Große Unterschiede zum Schwesterprogramm SWR 1 Rheinland-Pfalz aus Mainz bestehen nicht. „Unsere Sendung „Leute“, bei uns jeden Vormittag (außer sonntags, Samstag laufen Wiederholungen) von 10-12 Uhr im Programm und historisch eine SDR-Sendung, die früher bei SDR 3 lief, wird von SWR 1 Rheinland-Pfalz nur einmal, nämlich am Sonntag von 10-12 Uhr, gesendet. Es handelt sich dabei aber nicht um Übernahmen aus Stuttgart. Außerdem ist natürlich unser Service regional. Mindestens alle halbe Stunde findet sich ein Serviceblock mit regionalem Wetter und Verkehr im Programm“, merkt Dürselen an.

Von 19.30 Uhr (donnerstags ab 20 Uhr und sonntags ab Mitternacht) wird bis 5 Uhr am Morgen (sonntags bis 6 Uhr) ein länderübergreifendes SWR 1-Programm aus Baden-Baden ausgestrahlt, das sowohl in Baden-Württemberg wie in Rheinland-Pfalz zu hören ist. Gemäß der Mediaanalyse (MA) 2011/II beträgt die Tagesreichweite von SWR 1 BW in Baden-Württemberg 14,2 %, das entspricht 1,36 Mio Hörer im Ländle. Die durchschnittliche Stundenreichweite entspricht 377.000 Hörern.

Michael Ries im Studio von SWR1 BW (Bild: Hendrik Leuker)
Michael Ries im Studio von SWR1 BW (Bild: Hendrik Leuker)

Markenzeichen Sendung „Leute“

Bald 30 Jahre besteht der Leuchtturm im Programm von SWR 1: das Markenzeichen, die Sendung „Leute“, die am Vormittag von 10-12 Uhr von montags bis freitags und in der Wiederholung am Samstag zur gleichen Zeit läuft. Zuvor, vor dem 01.09.1998, lief sie bei der Vorgängeranstalt SDR 3. Die traditionelle Sendung wanderte nach der Fusion zum SWR zu SWR 1 Baden-Württemberg.

„SWR 1 Leute ist ein Alleinstellungsmerkmal. Wir bemühen uns interessante Leute , sowohl sogenannte A- als auch B-Prominente, hierfür zu gewinnen. Außerdem wollen wir in dieser zweistündigen Talk-Sendung, in der etwa 3-4 Minuten am Stück geredet wird und die durch Musik unterbrochen wird, ein breit gefächertes Themenspektrum anbieten.“, fügt Dürselen hinzu.

Auf der Liste der Talkgäste in der 40. Kalenderwoche 2011 standen z.B. Gespräche mit Enoch zu Guttenberg (Vater des früheren Verteidigungsministers, Naturschützer und Dirigent), Fritz Rau (prominenter Konzertveranstalter von Marlene Dietrich bis hin zu den Rolling Stones), Jürgen Roth (Journalist, der Korruption im Sport untersuchte) und Berthold Huber (Vorsitzender der IG Metall, der sich auf dem Gewerkschaftstag zur Wiederwahl stellte). Musikspezialsendungen finden sich in der täglichen Sendung „Kopfhörer“ (meistens ab 22.15 Uhr) u.a. auch Live-Konzertmitschnitte.

Gewinnspiele sind im Programm von SWR 1 kaum anzutreffen. „Wir verlosen z.B. Eintrittskarten für die Party in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle am Ende der SWR 1-Hitparade. Aber Gewinnspiele im Zeitraum der Umfragen zur Mediaanalyse (MA) veranstalten wir nicht. Das müssen wir nicht und machen wir nicht“, bekräftigt Dürselen.

„Es gibt Programmerneuerungen, bei welchen ich noch nichts verraten kann. Für dieses Jahr sind die Themen Olympia in London und die Fußball-EM in Polen und in der Ukraine natürlich gesetzt. Auch ist die Tatsache, dass Baden-Württemberg heuer 60 Jahre alt wird ein natürlicher Schwerpunkt im Programm. Gerne schaue ich auf eine originelle Aktion unseres Senders im Jahr 2011 zurück: Wir sind anlässlich von 125 Jahren Automobil auf den Spuren von Bertha Benz gewandelt. Wir sind auf der historischen Strecke von Mannheim nach Pforzheim gefahren und das mit einem Nachbau des Benz Motorwagen Nr.1. Die Zuschauer am Wegesrand sind alleine durch die Radioberichte zusammengeströmt. Organisiert sind bei uns natürlich eigene Veranstaltungen und Konzertpräsentationen, passend zu unserem Programm. Wir gehen auch Medienpartnerschaften ein, z.B. mit der Fa. Würth und der Fa. Seitenbacher. Bei der schon erwähnten „SWR1- Hörerhitparade“ kooperieren wir mit der Sparkasse und Stuttgarter Hofbräu.

Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang noch unsere Veranstaltungsreihe „SWR 1-Pop und Poesie in Concert“, bei denen internationale große Songs der Pop-Geschichte im Original vorgespielt und anschließend in deutscher Übersetzung inszeniert werden, beispielsweise „Bohemian Rhapsody“ (Queen) und „Highway to hell“ (AC+DC). Damit ist unser Moderator Matthias Holtmann auf Tournee durch ganz Baden-Württemberg. Bis zu 3000 Zuschauer besuchen Abende dieser Veranstaltungsreihe.“, merkt Dürselen abschließend an.

SWR Funkhaus Stuttgart von außen (Bild: Hendrik Leuker)
SWR Funkhaus Stuttgart von außen (Bild: Hendrik Leuker)

Mein persönliches Fazit

Mit dem Besuch bei SWR 1 Baden-Württemberg endet meine kleine ARD-Serie. Es wurden insgesamt vier süddeutsche erste Programme aufgesucht, Bayern 1, hr 1. MDR 1-Radio Thüringen und nicht zuletzt SWR 1 Baden-Württemberg, die in den letzten zehn, fünfzehn Jahren erhebliche programmatische Entwicklungen durchgemacht haben. Dabei sind die Programme, die alle der ARD angehören, durchaus verschieden: Die einen Sender haben noch Deutsche Schlager (MDR 1-Radio Thüringen) und Volksmusik (Bayern 1) im Programm, die anderen nicht. Die einen haben einen Oldie- Schwerpunkt (Bayern 1), die anderen nicht. Die einen kennen feste Sendegefäße für Beiträge (hr 1), die anderen nicht (SWR 1 Baden-Württemberg). Die Liste ließe sich noch fortsetzen….

Zu SWR 1 Baden-Württemberg möchte ich noch anmerken, dass das Programm – wie traditionell beim SWR – ein musikalisch trendiges und immer noch leicht danciges Format hat. Zwar wurde im Interview klar herausgestellt, dass SWR 1 Baden-Württemberg mit Gewinnspielen so gut wie nichts am Hut hat. Dieses macht aber die Tatsache nicht ungeschehen, dass es SWR 3-Plakate im Ländle gegeben hat, auf denen es hieß „Einschalten und Gewinnen!“.

Dieses wurde von den Privaten zurecht heftig kritisiert, da dieses eher eine private denn öffentlich-rechtliche Haltung sein sollte. Juristisch war dieses für den SWR aber möglich, da dessen Werbetochter die Plakate allein zu verantworten hatte. Die journalistischen Beiträge bei SWR 1 Baden-Württemberg sind von guter Qualität. Dass diese aber flexibel eingesetzt werden erinnert mich doch eher an Privatfunk – allerdings halte ich dem SWR zu gute, dass der Privatfunk in Baden-Württemberg journalistische Beiträge eher scheut und kaum sendet.

Aus: RADIO KURIER

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