Der Berufs-Schwadronierer

Paukenschlag bei Radio Fritz: Die Jugendwelle des öffentlich-rechtlichen RBB hat die Sendung KenFM spektakulär gestoppt – weil sich Moderator Ken Jebsen dabei verhoben hatte, der Welt seine sektiererische Wahrheit über die Juden und den Holocaust zu erklären.

bitter lemmer klein

Wer die Augen vor der Vergangenheit verschließt, der wird blind für die Gegenwart. Mit diesem netten eingespielten Introsatz begann RBB-Moderator Ken Jebsen eine seiner KenFM-Sendungen bei Radio Fritz, in der er sinngemäß folgenden Schwachsinn daherschwadronierte: Weil wir hier so viel Fleisch essen, hungern die Menschen in Afrika. Außerdem wäre Fleisch viel teurer, wenn wir weniger davon kaufen würden (ich habe mehrmals hingehört: Exakt so lautete seine Aussage). Das wäre auch gut so, weil Lebensmittel sowieso viel zu billig seien. Wir müssten also nur weniger Fleisch essen, und alles wäre gut. „Es wäre so einfach“, stöhnte er auf, und seine dekorative Komoderatorin, die ihn während seiner Wortkaskaden anhimmelte, stöhnte mit: „Es wäre so einfach“.

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Schön, dass Herr Jebsen glaubt, er wisse, wie die Welt funktioniert. Und wie tragisch, dass außer ihm und einigen Jüngern sonst niemand eine Ahnung hat oder bösen Willens ist. Und wenn Herr Jebsen irgendwer wäre, der sich als umherziehender Wanderprediger in einer Fußgängerzone auf seine Apfelsinenkiste stellte und da das Volk darüber missionierte, dass der Zusammenhang von Angebot und Nachfrage ganz anders ist als das allgemein gelehrt werde – so what. Ist aber nicht so.

Ken Jebsen (Bild: rbb)
Ken Jebsen (Bild: rbb)

Dabei stört mich weniger, dass Herr Jebsen zu praktisch jedem Weltthema seinen verschwörungstheoretischen Schwachsinn verbreitet und seine Hauptfeinde das Kapital, die USA und Israel sind. Ich teile zwar keine einzige seiner Meinungen, aber Dummheit und Hass sind erstmal nicht verboten. Mich stört vielmehr, dass der öffentlich-rechtliche RBB ihm dafür eine privilegierte Plattform stellte. Dafür müsste es einen Grund geben, der zum Sendeauftrag passt – also Information, Bildung und leider auch Unterhaltung. Um das Mindeste zu sagen: Über den informativen oder bildenden Gehalt seiner Sendungen ließe sich streiten.

Mich stört auch, dass der RBB ihm seine Sendung jetzt nicht etwa wegen erwiesenen Schwachsinns entzog, sondern erst, nachdem er eine Mail verfasste, die endpeinlich und wirr ist und die seinen Unfug, den er sonst hinter selbstverliebter Rhetorik verkleistert, dank ihrer Schriftlichkeit offensichtlich macht. Henryk M. Broder hat sie freundlicherweise publiziert.

Ken Jebsen wuchs im SFB und später im RBB quasi zum Berufsschwadronierer heran. Dort hat sich über die Jahre eine gut verdienende, autistische, links-libertäre Subkultur breitgemacht. Die bestimmt den Kurs der Anstalt in weiten Teilen bis heute und hat sich metastasenartig vielerorts im deutschen Medienbetrieb festgefressen, vor allem im gebührenfinanzierten. Seine Sendung wurde stets mit Attributen wie kritisch oder kontrovers bedacht, obwohl sie tatsächlich schon immer sektiererisch und nihilistisch war.

Dass der RBB seine Sendung ziemlich spektakulär stoppte, ist keineswegs Zensur oder Beschneidung der Meinungsfreiheit. Diese These kann nur vertreten, wer glaubt, öffentliche Meinung finde ausschließlich im Staatsmedienbetrieb statt. Das hätten einige vielleicht gern, aber es ist nicht so. Die gesellschaftliche Pluralität beschränkt sich nicht auf die Binnenpluralität der Anstalten. Herr Jebsen kann, wenn er mag, so viel schwadronieren, wie er will – auf Youtube, bei einem privaten Radiosender (so er einen findet, der das mag), auf der Apfelsinenkiste in der Fußgängerzone. Oder auch schriftlich als Blogger oder Kolumnist – vorausgesetzt, er übt noch ein bisschen deutsche Rechtschreibung.

Links
Öffentlich-rechtliche Hetze, garniert mit Hirnlosigkeit, Arroganz, Besserwisserei und Wichtigtuerei. Honoriert mit GEZ-Gebühren 
Ken Jebsen: Demagogie und Antisemitismus auf GEZ-Kosten
Ken.FM auf facebook
Stellungnahme von Ken Jebsen zu Antisemitismusvorwurf
Stellungnahme des rbb zur Auseinandersetzung um Ken Jebsen

 

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de