Radiotest: Privatradios auf der Überholspur

RadiotestEs ist kein gutes Jahr für den ORF: wegbrechende TV-Quoten, finanzielle Turbulenzen, Personal- und Führungsdiskussionen. Und jetzt das: Die Marktanteile der ORF Radios sind in der ersten Hälfte dieses Jahres gesunken, die Privatsender haben zum Teil deutlich zugelegt. Vor allem der wichtige Wiener Radiomarkt ist in Bewegung geraten. In der Bundeshauptstadt hat es die ORF „Cashcow“, das Hitradio Ö3, schwer erwischt. Die von der RMS vermarkteten Sender haben Ö3 in der werberelevanten Zielgruppe* überholt. Die Privatsender haben einen Marktanteil von nunmehr 36%, Ö3 liegt bei 34%. Zum Vergleich: Im 2. Halbjahr 2007 lag das Verhältnis noch bei 29% (Privat) zu 40% (Ö3).

(Radiotest 1 Halbjahr 2009: Marktanteil Wien, Montag-Sonntag, 14-49)
(Radiotest 1 Halbjahr 2009: Marktanteil Wien, Montag-Sonntag, 14-49)

Die Wiener Privatsender dürfen sich diesmal ehrlich freuen. Die allgemeine Tendenz: klar steigend. Das junge Superfly 98,3 konnte nach einem ohnehin schon beachtlichen Start noch eins draufsetzen und hat seinen Marktanteil von 1% auf 2% und seine Tagesreichweite von 2,6% auf 2,9% steigern können. Der eindeutige Sieger des aktuellen Radiotests in Wien ist aber 88.6. Mit einem Marktanteil von 10% und einer Tagesreichweite von 9,4% hat der Sender, auf dem nun allmorgendlich Hary Raithofer zu hören ist, die Führung unter den Privaten in Wien übernommen. Auch bei der Antenne haben die Personalrochaden gefruchtet. Mit Alex Nausner als Morningman und Programmchef konnte der Fellnersender, wenn auch weniger deutlich als vermutlich erwartet, zulegen und liegt nun bei 3,9% Tagesreichweite und 3% Marktanteil. Auch Arabella und Energy konnten ihre Marktanteile um jeweils einen Prozentpunkt steigern.

(Radiotest 1 Halbjahr 2009: Marktanteile, Wien, Montag-Sonntag, 14-49)
(Radiotest 1 Halbjahr 2009: Marktanteile, Wien, Montag-Sonntag, 14-49)

Nur Kronehit schwächelt in Wien. Das bundesweite Privatradio darf sich aber insgesamt über zum Teil satte Zugewinne freuen. Erstmals in seiner Geschichte hat der bundesweite Sender die 500.000er Grenze bei der Tagesreichweite überschritten und zum ersten Mal ist Kronehit bei der Tagesreichweite in Österreich mit exakt 10% zweistellig. Die guten Werte hat Kronehit Steigerungen in den Bundesländern Tirol, Oberösterreich oder Salzburg zu verdanken. Die großen regionalen Sender in den Bundesländern wie die Antennen in der Steiermark, Vorarlberg, Kärnten oder Salzburg können allesamt gute bis sehr gute Werte vorweisen

Ähnlich wie in Wien mussten auch in Oberösterreich die ORF Radios Federn lassen. Sie gaben um 4 Prozentpunkte beim Marktanteil nach, die RMS Sender legten um ebenso viele Prozentpunkte zu. Hauptverantwortlich dafür ist Kronehit mit deutlichen Zuwächsen beim Marktanteil. Auch Arabella konnte seinen Marktanteil in Linz deutlich ausbauen und die Welle 1 gibt nach einem veritablen Fehlstart in Oberösterreich erste deutliche Lebenszeichen von sich. LoungeFM liegt ebenfalls gut im Rennen. Der Chillout Sender konnte seine Tagesreichweiten deutlich steigern. Das Liferadio konnte auf ohnehin hohem Niveau zulegen und mit 2,3% Tagesreichweite hat sich mittlerweile auch die Antenne Bayern zu einer fixen Größe am oberösterreichischen Radiomarkt entwickelt.

Im benachbarten Niederösterreich darf sich HiT FM über eine Steigerung seines Marktanteils freuen. Im Verbreitungsgebiet 1 klettert der Marktanteil von 6% auf 9%. In Graz hat das Soundportal nach einer schwächeren Phase wieder zugelegt. Radio Graz hat hingegen sein vergangenes Radiotestergebnis nicht verbessern können.

Für die Privatsender ist das erste Halbjahr 2009 ein gutes. Es gibt tatsächlich fast nur Gewinner. Die ORF Radios müssen hingegen Einbußen hinnehmen, allerdings auf sehr hohem Niveau. An diesen Verluste dürfte auch die allgemeine Krise des ORF Schuld sein. Der Imageverlust der Marke ORF und die sinkenden TV-Quoten dürften – trotz gesetzlichem Cross Promotion Verbots – auf die ORF Radiosender durchschlagen.

(Radiotest 1 Halbjahr 2009: Marktanteile, Österreich, Montag-Sonntag, 14-49)
(Radiotest 1 Halbjahr 2009: Marktanteile, Österreich, Montag-Sonntag, 14-49)

In den vergangenen sechs Monaten ist die heimische Radiolandschaft jedenfalls etwas „dualer“ geworden. Nach über zehn Jahren scheint sich auch in Österreich langsam eine pluralistische und bunte Radiolandschaft zu entwickeln.

(Werner Reichel l RADIOSZENE)

* Alle Zahlen und Angaben in diesem Artikel beziehen sich auf die werberelevante Zielgruppe 14-49 (Mo-So)

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