Frank Elstner: „Ich lass mir gerne meine Bauchgefühle von den Forschern bestätigen“

In einer weiteren Folge unserer Serie „Radio Legenden“ kommt heute mit Frank Elstner ein wahrer Elder Statesman der deutschen Unterhaltungsbranche zu Wort. Natürlich hat der 1942 in Linz an der Donau geborene Vollblut-Entertainer vor allem durch seine jahrzehntelange TV-Karriere mit unzähligen Sendungen wie „Spiel ohne Grenzen“, „Die Montagsmaler“ und dem absoluten Überfomat „Wetten, dass …?“ bundesweite Berühmtheit erlangt. Seine Rundfunklaufbahn begann Elstner jedoch beim Radio. Mit der Familie, damals zwischenzeitlich in die südwestdeutsche Kurstadt Baden-Baden übersiedelt, wirkte der 10-jährige Timm, den Künstlernamen „Frank“ legte er sich erst später während seiner Zeit bei Radio Luxemburg zu, bei Kinderfunkproduktionen des ehemaligen Südwestfunks mit und übernahm unter anderem für ein Hörspiel die Sprechrolle des „Bambis“.

Frank Elstner im Radio Luxemburg-Studio (Bild: privat)
Frank Elstner im Radio Luxemburg-Studio (Bild: privat)

1964 dann der Wechsel als Sprecher, später Chefsprecher zu Radio Luxemburg – und ab 1973 als höchst erfolgreicher Programmdirektor der „Vier fröhlichen Wellen“. Mit Frank Elstner erlebte das deutschsprachige Programm die Blütezeit seiner über 60-jährigen Geschichte. Mit lockeren Sprüchen und einer in Deutschland bis dato kaum gekannten Musikauswahl lehrten die Luxemburger den drögen ARD-Anstalten vor allem in den 1960er- und 1970er Jahren das Fürchten. Trotz mancherorts verrauschtem Mittelwellenempfang erreichte das RTL Radio zu Spitzenzeiten in Deutschland mehr als 15 Millionen Hörer und generierte damit rund 40 Millionen an Werbegeldern. Zu den damaligen Programm-Highlights zählte vor allem die wöchentliche Hitparade „Die großen Acht“, die im Bundesgebiet mit ihrem damals nahezu offiziellen Charakter enorme Bedeutung für den deutschen Tonträgermarkt hatte. In Elstners Amtszeit bei Radio Luxemburg fiel unter anderem auch die Öffnung des Programms für redaktionelle Elemente mit Informations- und Sportangeboten, eine erste eigenproduzierte Sketchserie oder eine (bis dahin ungekannte) innovative Sendeform für Kinder (ganz jenseits des Sandmännchens) – mit Nachwuchsmoderatorinnen wie Anke Engelke oder Désirée Nosbusch. Überhaupt besaß Programmchef Elstner ein feines Näschen für Talente – so entdeckte er den Sender eine große Zahl späterer Moderationsgrößen wie Thomas Gottschalk, Viktor Worms, Benno Weber oder Hugo Egon Balder. Noch während seiner Zeit in Luxemburg fungierte Frank Elstner als Gründungsberater für die Jugendwelle Ö3 beim Österreichischen Rundfunk. 1983 verließ er Radio Luxemburg und widmete sich anschließend seiner großen Leidenschaft Fernsehen, dem er bis heute aktiv verbunden ist. 


Im RADIOSZENE-Interview mit Michael Schmich spricht Frank Elstner unter anderem über seine erfolgreiche Zeit beim Radio.

Frank Elstner Autogrammkarte (Bild: © SWR / Jacqueline Krause-Burberg)
Frank Elstner Autogrammkarte (Bild: © SWR / Jacqueline Krause-Burberg)

RADIOSZENE: Wie viel Radio hört Frank Elstner heute noch?

Frank Elstner: Eigentlich höre ich heute nur noch im Auto Radio oder zu festen Nachrichtenzeiten und dann meist SWR3 oder WDR 2.

RADIOSZENE: Über welche Wege kamen Sie damals zu Radio Luxemburg?

Frank Elstner: Den Tipp mit Radio Luxemburg bekam ich von Gieslind Noebel. Sie hatte viele Jahre im Kinderfunk von Baden-Baden mit mir gearbeitet und bei einem Besuch liefen wir uns wieder über den Weg. Sie schwärmte von Luxemburg und gab mir die Nummer des Programmdirektors. Am 13. Januar 1964 rief ich an, am 14. Januar um 15.00 Uhr machte ich die erste Sendung – das war einfach Glück!

RADIOSZENE: Die großen Stärken der „Vier fröhlichen Wellen“ waren seinerzeit die Moderatoren, die im Sendegebiet jeder kannte. Nach welchen Kriterien haben Sie Sprecher und Moderatoren ausgesucht, was mussten diese mitbringen?

Frank Elstner: Die Moderatoren von Radio Luxemburg bekamen von Anfang an eingehämmert: Natürlich sein, natürlich sein, natürlich sein. Dadurch wurde der Sendeton einfach lockerer und sympathischer als die etwas steife Ausstrahlung deutscher Radiosprecher.

RADIOSZENE: Radio Luxemburg war auch Sprungbrett zahlreicher Talente für deren TV-Karrieren. Vermissen Sie heute solche Kaderschmieden im Radio? Oder gibt es sie doch noch?

Frank Elstner: Gute Radiostationen können immer noch ein Sprungbrett sein für TV-Karrieren. Ich habe nie bereut, im Radio zu viel gelernt zu haben. Und diese Kaderschmieden im Radio gibt es heute noch. Es gibt zwar viel zu viele Radiostationen, aber immer noch genügend Talente.

RADIOSZENE: Auch die RTL-Musik unterschied sich weitgehend von den meisten damals in Deutschland aktiven Sendern. Was waren ihre Vorgaben an Moderatoren und Redaktion für die Musikgestaltung der Sendungen?

Frank Elstner: Die Moderatoren waren im Gegensatz zu heute gleichzeitig damals auch die Programmgestalter und verantwortlich für die Musikgestaltung. Das hatte Vor- und Nachteile. Der Vorteil lag in der Vielfalt, der Nachteil im zum Teil schlechten Musikgeschmack der Protagonisten.

RADIOSZENE: Trotz des Standortnachteils und Mittelwellenverbreitung hatte das deutschsprachige Programm von Radio Luxemburg in Spitzenzeiten mehr als 15 Millionen Hörer im Bundesgebiet. Was haben Sie damals besser gemacht als die öffentlich-rechtlichen Kollegen hierzulande?

Frank Elstner: Der weiteste Hörerkreis von Radio Luxemburg lag in den 70er Jahren bei 15,6 Millionen Zuhörern. Die Werbeeinnahmen sprudelten kräftig, vor allem weil der Westdeutsche Rundfunk keine Rundfunkwerbung ausstrahlte. Das Sendegebiet des Westdeutschen Rundfunks heisst in der Sprache der Werber „Nielsen II“ und um dort überhaupt via Rundfunk Werbebotschaften unterbringen zu können, mussten die Werbetreibenden den Umweg über Luxemburg nehmen. Das hat viele Jahre sehr gut geklappt. Ich möchte nicht sagen, dass wir es damals besser gemacht haben als die öffentlich-rechtlichen Sender, aber wir waren schneller, frecher und unkonventioneller.

RADIOSZENE: Hatten Sie damals schon Berater und Marktforschung als Unterstützung zur Seite oder vertrauten Sie bei den Entscheidungen rein auf Ihr Bauchgefühl und die Erfahrung?

Frank Elstner: Natürlich hatten wir Berater und eine sehr intensive Marktforschung, vor allem mit den Marktforschern von Infratest. Es gab damals einen richtigen Krieg im Hause RTL, ob man mehr auf den Bauch oder die Forschungsergebnisse hören sollte. Ich habe immer gesagt, ich lass‘ mir gerne meine Bauchgefühle von den Forschern bestätigen.

RTL Jochen Frank Helga
Jochen Pützenbacher, Frank Elstner und Helga Guitton im RTL Studio (Foto: Privatarchiv Jochen Pützenbacher)

RADIOSZENE: Während Ihrer Zeit als Programmdirektor von Radio Luxemburg veränderten Sie das Programm hin Richtung in Infotainment – nun waren auch vermehrt Informationen, Sport oder Special Interest-Inhalte wie Kinderunterhaltung zu hören. Die Musik wurde aus der Redaktion zusammengestellt. Waren dies bereits Reaktionen auf die Veränderungen in der Programmlandschaft oder die Antwort auf ein gewandeltes  Hörverhalten?

Frank Elstner: Während wir in den 60er Jahren ein reiner Schlagersender waren, wurden wir in den 70er Jahren immer internationaler. Mit unserem Preis des Goldenen Löwen sind viele internationale Künstler ausgezeichnet worden, beispielsweise die Bee Gees, Cliff Richard, die ABBAs. „Der Spiegel“ schrieb damals einen Bericht über Radio Luxemburg mit der Überschrift „Dreh nach oben“. Damit meinte er unsere Ausweitung in den Informationen und unsere Landesstudios in Bonn und Düsseldorf.

RADIOSZENE: Gab es während Ihrer Zeit als Programmchef nie Angebote für Engagements bei einem deutschen ARD-Sender?

Frank Elstner: Für die Sprecher von Radio Luxemburg gab es immer wieder Angebote von den deutschen Sendern. Und eigentlich hat jeder öffentlich-rechtliche deutsche Sender noch ein „Andenken aus Luxemburg“.

RADIOSZENE: Nach Ihrer Zeit bei Radio Luxemburg haben Sie sich ausschließlich dem Fernsehen gewidmet, dem Sie bis heute mit zahllosen Sendungen und Formaten eng verbunden sind. Mit welchen Konzepten und Shows sind Sie derzeit aktiv?

Frank Elstner: Ich bin jetzt 76 Jahre alt und trete etwas kürzer. Mein besonderes Interesse gilt meinen Tierfilmen, die ich in der Serie „Elstners Reisen“ zusammen mit dem Biologen Dr. Matthias Reinschmidt mache. Unser Produzent Christian Ehrlich ist ebenfalls Biologe und wir suchen die Themen vor allem nach Wichtigkeit im Artenschutz aus.

RADIOSZENE: Kommen wir nochmals zurück auf die Ihre Eindrücke zum aktuellen Radiogeschehen. Was machen Ihre Nachfolger heute gut, was vermissen Sie, was stört Sie?

Frank Elstner: Mir fehlt ein wirklich überregionales Programm von Garmisch-Partenkirchen bis Flensburg, von Aachen bis Frankfurt an der Oder, das fantasiereich und aufgeweckt mit Leidenschaft unterhalten will.

RADIOSZENE: Gesetzt den Fall Sie dürften frei aller gesetzlichen Vorgaben heute einen Radiosender ganz nach Ihren Vorgaben gestalten. Wie würde der aussehen?

Frank Elstner: Ich würde heute ein solches Programm nicht mehr verantworten wollen, da ich den Spaß am Radio verloren habe.

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