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Interview mit „Mr. Music“ Wolfgang Kreh

Wolfgang Kreh (Bild: privat)
Wolfgang Kreh (Bild: privat)

Wolfgang Kreh wuchs in den Sechzigern mit dem AFN Munich und Radiocracks wie Herman Griffith, Charlie Tuna und Wolfman Jack auf. Als das Privatradio in München in seinen Kinderschuhen steckte, war er bereits mit dabei. Zunächst beim Rocksender Radio M1, dann bei Radio 1 und Radio Xanadu (später ENERGY). Die nächsten Stationen waren Radio 7 in Ulm und Radio Gong 96,3, wo er als Musik-und Programmchef fungierte.

Im digitalen Programm Radio Gong Mobil moderierte Wolfgang Kreh die Media Control Top 40. Bis 2016 präsentierte er als “Mr. Music” auf 106.4 TOP FM jeden Sonntag von 10 bis 11 Uhr die Retro Charts. Durch seine jahrelange Arbeit bei Warner Bros. Music, einem der größten Musikverlage der Welt, war Wolfgang Kreh immer nah dran am aktuellen Geschehen in der Welt der Popmusik.

Thomas Kircher von FM Kompakt unterhielt sich mit diesem Radio-Urgestein im Februar 2018 und stellte Wolfgang Kreh 15 Fragen rund um sein radioaktives Leben.


Thomas Kircher: Du bist mit dem AFN Munich groß geworden und dieser hat Dich und Deinen Musikgeschmack mit geprägt. Wie kam es jedoch dazu, dass Du selbst Radio gemacht hast?

Wolfgang Kreh: Mich hat das Medium seit meiner Kindheit interessiert und als sich dann in den Achtzigern die Möglichkeit ergab, habe ich darauf reagiert.

Thomas Kircher: Das Münchner Radio M 1 war Deine erste “Station”. Weitere sollten folgen. Es gab ja damals neben M 1 noch diverse andere private Neulinge, wie zum Beispiel Radio Aktiv, Neue Welle München, Radio Xanadu – weshalb gerade M 1 ?

RADIO M1

Wolfgang Kreh: M 1 hatte schon einen gewissen Bekanntheitsgrad. Ich habe also den damaligen Geschäftsführer Christoph Schmitz kontaktiert, war mit ihm frühstücken und hatte schon am Samstag drauf eine dreistündige Nachmittagsshow. Hier erlebte ich noch die Zeit, als wir rein im Kabel aktiv waren, aber auch den 29. Mai 1985. Das war der Tag dem wir alle entgegenfieberten und endlich on Air gingen. Dies war übrigens die UKW-Premiere des Privatfunks in Deutschland. M 1 bekam, zusammen mit anderen Anbietern, die 92,40 MHz im Frequenzsplitting zugeteilt.

Thomas Kircher: Hattest Du Dich vor dem Start der Privaten in München auch mit der Südtiroler Radioszene, von wo ja z.B. auch das “erste M 1” schon aktiv war, beschäftigt (vielleicht sogar beworben, bzw. Kontakte geknüpft)? Es gab ja bereits Anfang der 80ziger Jahre diverse Südtiroler Stationen, welche gezielt in Richtung München aktiv waren (neben M 1 auch Radio Brenner/Südtirol 1, Radio C)

Wolfgang Kreh: Ja, ich hatte Kontakte, das hatte aber in erster Linie mit meinem Job bei Warner Bros. zu tun, ich war dort u. a. für die Rundfunkpromotion zuständig. Anfang der 90iger produzierte ich eine Zeitlang im Heimstudio von Mike Uhini in München meine Sendung „M 1 Gold – Die größten Hits der Rockgeschichte“. Das Ganze wurde auf Videotapes aufgenommen und ins Studio nach Südtirol geschickt.

Wolfgang Kreh (Bild: privat)
Wolfgang Kreh (Bild: privat)

Thomas Kircher: Wie ist es nach M1 für Dich weitergegangen?

Radio 1 89.0 München Logo 1987

Wolfgang Kreh: Nach M1 war Radio 1 an der Reihe, gesendet wurde zuerst aus dem ZDF-Hochhaus in Unterföhring, dann aus den Redaktionsräumen eines Verlags in Neuperlach. Die Station wurde Ende 1987 aufgelöst, nachdem wichtige Gesellschafter wie etwa der Burda-Verlag beschlossen hatten, bei Antenne Bayern einzusteigen. Der Sender war Brutstätte für viele bekannte Namen in der heutigen bayerischen Radioszene, z.B. Gabi Fischer und Stephan Lehmann (Bayern 1) oder auch Stefan Parrisius.

Im April 88 wechselte ich dann zu Radio Xanadu und war dort vom Start an dabei. Jo Lüders hab ich kennengelernt, als er Fritz Egner (der damals schon für Bayern 3 sendete) und mich Ende der Siebziger mal in sein Apartment in die Osterwaldstraße eingeladen hat, aber ehrlich gesagt haben wir ihn nicht besonders Ernst genommen, was sich ja dann als Fehler herausgestellt hat. ;-)

Wolfgang Kreh (Bild: privat)
Wolfgang Kreh (Bild: privat)

Thomas Kircher: Nach M 1 warst Du ja bei weiteren Münchner Stationen on Air (Radio 1 und Radio Xanadu/ENERGY). Damals unterschieden sich die Sender deutlich von der Präsentation, aber auch von der Musikauswahl. Bei welchem dieser Münchner Pioniere hast Du Dich am wohlsten gefühlt?

Radio Xanadu 93,3

Wolfgang Kreh: Neben Radio Xanadu, wo ich mehr oder weniger Narrenfreiheit hatte, war das wohl Radio Energy. Die Franzosen hatten nach ihrer Übernahme für klare Strukturen gesorgt, es gab endlich einen Research und eine kleine, überschaubare Playlist und man konnte sich als DJ voll auf die Präsentation konzentrieren.

Thomas Kircher: Bei welchem Sender warst Du aktiv, als Radio M 1 dicht gemacht wurde? Welche Erinnerungen hast Du an das AUS des Rockradios?

Wolfgang Kreh: Ich glaube bei Xanadu. Das Ende war ja mehr oder weniger nach dem Frequenz-hin und her, den vielen zwischenzeitlichen Ausfällen und der inzwischen entstandenen Konkurrenz durch andere Sender vorauszusehen.

Wolfgang Kreh im Studio von Xanadu 93,3 am 8.9.1989 (Bild: ©Ulrich Köring)
Wolfgang Kreh im Studio von Xanadu 93,3 am 8.9.1989 (Bild: ©Ulrich Köring)

Thomas Kircher: Hast Du noch Kontakt mit den einstigen Münchner Radio-Urgesteinen? Juckt es Dich (Euch) nicht, wieder mal eine Art Radio M 1 aufleben zu lassen (und wenn es als Webradio ist).

Wolfgang Kreh: Ja, klar hab ich noch zu einigen Kontakt. Was ein Wiederaufleben von M 1 betrifft, bin ich mir nicht so sicher. Der Musikgeschmack und die Art der Präsentation haben sich im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte (Gottseidank) schon sehr verändert. Ich glaube nicht, dass man heutzutage dem Hörer ein ‚Tschüss, Bye bye und Servus‘ nach fast jeder Sendung oder die mehrmalige Benutzung des Wörtchens ‚Natürlich‘ pro Break zumuten kann. Was ein Wiederaufleben als Webradio betrifft: Wer hat schon Lust, sich für durchschnittlich 20 bis 30 Hörer pro Stunde diese Arbeit anzutun? Ich nicht.

Thomas Kircher: Wie war Dein weiterer Werdegang nach diesen Münchner Privatradiostationen?

Wolfgang Kreh: Nach ENERGY war ich dann Musik- und Programmchef bei Gong 96,3 und schließlich Musikberater und DJ bei 106.4 Top FM.

Thomas Kircher: Äußerst beliebt waren Deine Sendungen „Retro Charts” bei Top FM – diese präsentiertest Du unter dem Namen „Mr. Music“ – wie kam es zu dem Namen und zu dieser Sendung?

Wolfgang Kreh: Der damalige Geschäftsführer von Top FM, Martin Schelauske, hatte beschlossen, eine Retro-Show ins Programm aufzunehmen und so wurde die Idee geboren. Den Namen habe ich, wie so vieles in meiner Radiokarriere, geklaut und zwar von keinem geringeren als US-Radio-Ikone Charlie Tuna.

Wolfgang Kreh (Bild: privat)
Wolfgang Kreh (Bild: privat)

Thomas Kircher: Du warst jahrelang bei Warner Bros. Music aktiv – also einem der größten Musikverlage der Welt. Was hast Du dort genau gemacht? Wie wird man Mitarbeiter bei Warner Bros Music?

Wolfgang Kreh: Dort war ich sog. Professional Manager und auch für die Rundfunkpromotion zuständig. Fritz Egner war damals – 1979 – für die Firma tätig und hatte mich angeheuert.

Thomas Kircher: Wenn Du Deine Radio-Vita Revue passieren lässt, was waren Deine schönsten Augenblicke?

Wolfgang Kreh: Die ungezwungenen Anfangsjahre bei M1, die teilweise sehr lustigen und frechen Shows bei Xanadu, das kompakte und professionelle Senden bei ENERGY und den Erfolg der ‚Retro Charts‘ bei Top FM.

Thomas Kircher: Du hast die deutsche Radioszene mit gestaltet und erlebt, wie kaum ein anderer. Wie hat sich das Privatradio in Deutschland Deiner Meinung nach entwickelt?

Wolfgang Kreh: Die Formatierung der Sender war durchaus angebracht, hat aber sicher den Nachteil, dass sehr viele Programme dadurch zu stromlinienförmig und gleich klingen. Ausnahmen wie FM4 oder ‚Matuschke‘ bei B3 bestätigen die Regel.

Thomas Kircher: Welche Präsentatoren haben dich zeitlebens am meisten beeindruckt?

Wolfgang Kreh: In erster Linie der unvergessene Wolfman Jack, auf AFN habe ich ein Vierteljahrhundert lang fast täglich Charlie Tuna gehört, Bill Swisher und Bill Kenny von AFN Frankfurt, bei den deutschsprachigen mein Freund Oliver Baier vom ORF – witzig, schnell, klug, frech und am Puls der Zeit, aktuell ist es der Drivetime-Jockey von WCBS-FM in New York, ‚Broadway Bill Lee‚, der, wenn er einen seiner Breaks auf seiner Facebook-Seite postet, bis zu 25.000 Likes bekommt und das lebende Beispiel dafür, dass man auch mit über 60 noch Spaß an der Sache haben kann und authentisch rüberkommt.

Thomas Kircher: Wie siehst Du die Zukunft des Radios (DAB+ – Webradio – Spotify und Co – oder wird es auch noch in 25 Jahren Radio auf UKW geben)?

Wolfgang Kreh: Schwer vorherzusagen, Webradio wird sicher seinen Siegeszug fortsetzen – man kann unter tausenden von Sendern auswählen und genau seinen Geschmack bedienen. Das Schicksal von UKW wird weiter von der allgemeinen Akzeptanz von DAB+ abhängen.

Wolfgang Kreh (Bild: privat)
Wolfgang Kreh (Bild: privat)

Thomas Kircher: Welche Sender sind heutzutage Deine Favoriten und was macht Wolfgang Kreh heute?

Wolfgang Kreh: Die meisten Favoriten höre ich via Web: AFN 360 mit einer ganzen Reihe von verschiedenen Formaten, PenthouseFM mit Standards und Swing, das britische Absolute Radio, wenn mir nach Rock zumute ist, 102,7 The Wolf mit einem hervorragenden Classic Hits-Mix, Rewound Radio, vor allem die Allan Sniffen-Show am Samstag von 21 Uhr bis Mitternacht – Top Forty Radio wie man es besser nicht machen kann -, die wöchentliche ‚Rick Dees Weekly Top 40‚ -Show um musikalisch am Ball zu bleiben sowie am Sonntag von 10 bis 13 Uhr ‚Sunny Side Up‘ auf FM4, schon allein wegen der coolen Laid back-Präsentation von John Megill.

Was mich selbst betrifft: Ich habe mich, was Radio anbelangt, nach einigen gesundheitlichen Problemen zurückgezogen, bin inzwischen aber wieder ziemlich fit und genieße das Leben.

Thomas Kircher: Wolfgang, vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Dir weiterhin viel Genuss und natürlich Gesundheit!

Hör-Tipp:

Video-Tipp:
Erinnerungen an AFN Munich

XPLR: MEDIA Radio-Report