Formatradio mit ARD-Anschluss: Zehn Jahre MDR Jump

Von Bernd Reiher
(Leipziger Internet-Zeitung)

10jahre_JUMP_smallZehn Jahre ist sie geworden, MDR Jump, die Musikwelle des Mitteldeutschen Rundfunks. Gestartet wurde sie am 1. Januar 2000 als Nachfolger des erfolglosen MDR Life. Das Verbreitungsgebiet ist riesig. In der Länge reicht es von Bayern bis zur Ostseeküste. In der Breite von Polen bis nach Niedersachsen und Hessen. Rund neun Millionen Menschen leben im Hauptsendegebiet. Reichlich eine Million Hörer werden an der Tageskasse gezählt.

„Der neue Sound im Radio“, er ist kein Spartenprogramm. „Mainstreamorientiert“ ist er, wie es altneudeutsch so schön heißt. Charts-Musik regiert die Welt von MDR Jump. Die Moderationen werden als „unterhaltend“ eingestuft. Kaum eine geht ohne Eigenwerbung „on air“. Journalistische Beiträge sind Mangelware. Der Wortanteil liegt bei 13 Prozent. Formatradio mit Quotenorientierung, so heißt das Geschäftsmodell von MDR Jump.
Die größten Erfolge gab es in den Anfangsjahren. Von Dauer waren sie nicht. Wikipedia: „Nach anfänglich stark steigenden Quoten leidet die Welle inzwischen seit mehreren Jahren unter massivem Hörerschwund. Hörten 2003 noch 532.000 Menschen pro Durchschnittstunde die MDR-Welle, sind es 2009 nur noch halb so viele, nämlich 263.000.“

Michael Schiewack
Michael Schiewack (Foto:MDR/Dabdoub)

Michael Schiewack, so heißt der Programm-Chef von MDR Jump. Er stammt aus gutem Hause, war der letzte DT64-Chef. Lange Zeit war unklar, warum von diesen Wurzeln bei Jump so wenig zu hören ist. Aufklärung brachte Ende 2009 ein Beitrag des Deutschlandfunks (s.unten). Schiewack am 19. Dezember zu seiner Rolle beim Jugendradio: „Ich bin dort 1990 hingekommen. Mir hat man klipp und klar gesagt: wir machen in drei Monaten zu oder in sechs Monaten zu. Der letzte Termin ist der 31.12.1992. Das heißt: mein Auftrag war nichts weiter, als abzuwickeln.“

Ende der 90er Jahre war es, dass Schiewacks berufliche Laufbahn ihren Höhepunkt hatte. Als die damalige Hörfunkdirektorin Barbara Molsen ihn als neuen Programmchef der MDR-Jugendwellen präsentierte. Verantwortlich war er zunächst auch für MDR Sputnik. Sein erfolgreichstes Radioprojekt aber blieb MDR Jump. Zehn Jahre ist diese Welle jetzt „in der Luft“. Von Jubiläumsfeierlichkeiten aber bis jetzt keine Spur.

Grund genug für die L-IZ, dem Geburtstag der Popwelle ein paar Zeilen zu widmen. Anfangs ging es darum, ein paar Meinungen zum Jubiläum zu sammeln. Am Ende standen aber auch einige Episoden aus der weniger schillernden Sender-Geschichte auf dem Blatt. Angefragt für das Hauptanliegen waren Medienmacher und -politiker. Frage jeweils: was sagen Sie zu einer Dekade MDR Jump und was wünschen Sie dem Programm für die Zukunft?

Erster Gratulant war Heiko Hilker. Er war lange lange als Medienpolitiker für Die Linke im sächsischen Landtag unterwegs. Er schrieb der L-IZ: „Es gibt viele, die sich von Jump genervt fühlen. Doch anscheinend trifft Jump weiterhin noch den Nerv vieler in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Immerhin schalten über 936.000 Hörerinnen und Hörer das Programm täglich ein. Ich würde mir wünschen, dass die Macher von Jump nicht nur ab und zu per Jingle darauf aufmerksam machen, dass es sich um ‚eine Produktion des Mitteldeutschen Rundfunks‘ handelt. Warum verweist man nicht auf gut gemachte Dokumentationen, Filme und Magazine im Fernsehen oder Features im Radio, die es auch beim MDR zweifellos gibt? So könnte man bei JUMP öfter Häppchen anbieten, die Appetit auf anderes im MDR machen.“

Zweiter war Karl-Heinz Gerstenberg, Medienmann von Bündnis90/Die Grünen im Sachsenparlament. Gerstenberg schrieb: „Zu Geburtstagen gibt es stets freundliche Worte und gute Wünsche. Also: MDR Jump hat vor zehn Jahren als populäre Musikwelle erfolgreich einen Platz besetzt, den die Privaten für sich reserviert glaubten. Gratulation dazu, auch wenn der Platz inzwischen schmaler geworden und der Hörerschwund unübersehbar ist. Nach den Kinderjahren kommt nun die jugendliche Reife. Dafür wünsche ich dem Programm mehr Freiheit, die eingefahrenen musikalischen Formate zu sprengen und mehr Mut, auf Hörerinen und Hörer mit Kopf zu setzen.“

Ebenfalls im Gratulantenchor: Falk Neubert, der Nachfolger von Heiko Hilker als medienpolitischer Sprecher von Die Linke. Neubert: „Jump setzt auf Chartmusik mit wenigen Wortbeiträgen und war bisher damit durchaus erfolgreich. Jump bietet ein ähnliches Programm wie viele kommerzielle Sender, allerdings ohne die lästigen Werbeunterbrechungen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass es in Sachsen einen über UKW empfangbaren Jugendsender gibt, der auch Info-Formate und Formate jenseits des Mainstreams ausstrahlt. MDR Sputnik ist ein gutes Beispiel, mit Sendungen und Nachrichten auch auf Englisch oder Programmformaten wie Makossa und 360 Grad.“

Ähnlich und doch anders sieht es Dirk Panter. Der sächsische SPD-Generalsekretär und medienpolitische Fraktionssprecher schrieb: „Jump hat sich als regional wichtiger Radiosender etabliert. Mit populärer Chartmusik ist er für viele ein Begleiter durch den Tag geworden, vor allem für junge Menschen. Den Ansatz, durch zielgruppenorientierte Nachrichten, Jugendliche über aktuelles Geschehen zu informieren, die sonst vielleicht keine Nachrichten hören würden, finde ich sehr gut. Mein Wunsch ist, dass in Zukunft auch komplexere Zusammenhänge bei MDR Jump dargestellt werden. Speziell weil es sich bei MDR Jump um einen öffentlich-rechtlichen Sender handelt, muss ein hoher Anspruch dort konsequent fortgeführt werden.“

Ausgewogen auch die Meinung von Sebastian Gemkow. Der medienpolitische Sprecher der Sachsen-CDU schrieb der L-IZ: „Ich gratuliere den Verantwortlichen zu ihrer Arbeit der letzten zehn Jahre. Zu den  bemerkenswerten Ereignissen der Sendergeschichte gehörte beispielsweise die Wirkung seiner Web 2.0-Plattform, die im Jahr 2008 aufgebaut wurde. Nach sechs Monaten hatten sich bereits über 10 000 Hörer angemeldet, die mittlerweile einigen Einfluss auf das Programm nehmen. Immerhin gibt es zwischen Sonntag und Freitag eine tägliche vierstündige Sendung, die sich hauptsächlich mit den Themen dieser Internetgemeinschaft beschäftigt. Für die Zukunft wünsche ich den Machern des Programms vor allem viel Freude bei ihrer Arbeit und eine stetig wachsende Hörergemeinde. Und weil MDR Jump erfreulicherweise über das notwendige Potential verfügt, wünsche ich dem Programm noch ein wenig mehr gesellschaftlich relevanten Inhalt, ein Markenzeichen, das dem Öffentlich Rechtlichen Rundfunk sehr gut steht.“

Deutlicher wurde Martin Deitenbeck. Der SLM-Geschäftsführer meinte in seiner Grußbotschaft: „Was soll ich zu MDR Jump sagen? Als Vertreter der Sächsischen Landesmedienanstalt muss ich natürlich darauf hinweisen, dass das Programm von Jump nicht zwingend öffentlich-rechtliche Aufgabe ist. Das können die Privaten auch (und, wie die Quoten zeigen, auch besser). Andererseits muss man sehen, wo Jump herkommt. Als Neugründung nach einem verheerenden Quotenverlauf des Vorgängers MDR Life hatte Jump aus dem Stand dreimal so viele Hörer wie der glücklose Vorgänger. Nach dem Quotenhoch 2003 ging es allerdings kontinuierlich wieder nach unten. Gute Wünsche für die Zukunft wird das Programm sicher von anderer Stelle ausreichend erhalten.“

MDR bei Nacht (Bild: Bernd Reiher)
MDR bei Nacht (Bild: Bernd Reiher)

Schließlich meldete sich auch der Sender selbst zu Wort. Pressemann Jens Borghardt schrieb auf die Frage ‚Zehn Jahre Jump – was fällt mir dazu ein?‘: „Als Livemusik-Fan natürlich unzählige geniale Konzerte von ‚Linkin Park‘ bis ‚Rammstein‘. Am 16. Juni werden ’30 Seconds To Mars‘ ihr einziges Konzert im Osten spielen – auch weil Jump sich seit langem für dieses Event eingesetzt hat. Bemerkenswertes gesellschaftliches Engagement: von ‚Vision Eine Million fürs Kinderhospiz‘ bis hin zur ‚Jump Europa Tour‘. Mir fallen eigenproduzierte Großevents ein: ‚Jump City‘, ‚Jump Rock Arena‘ oder ‚Jump rockt in die Ferien‘. Und Programmhighlights wie die ‚Tiere als Täter‘-Hörspiele oder die Geschichten aus dem Internet in der Rubrik ‚ClipX‘. Für mich ist Jump ein einzigartiges Radioprogramm, das auf den Punkt informiert. Die einmalige Mixtur entsteht, weil der Sender Themen oftmals anders anpackt und Musik mutiger auswählt als andere große Sender.“

Zur Frage ‚Was ich Jump für die Zukunft wünsche‘ übermittelte Borghardt: „Weiterhin Mut und Witz, tolle Kommunikationsideen und ein glückliches Händchen bei der Auswahl von Musik und Events, so dass der Sender weiter rockt, es vor allem Spaß macht zuzuhören und er seine Positon am Markt halten kann.“ Dem Pressemann zufolge sei Jump laut aktueller Media Analyse Marktführer bei den unter 50-jährigen in Sachsen. Bundesweit hörten mehr als 1,2 Millionen Menschen täglich MDR Jump. „Kein anderes Programm aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird von mehr Menschen eingeschaltet“, so Borghardt schließlich.

Zehn Jahre MDR Jump – die Meinungen sind durchwachsen. Vergessen aber scheinbar, dass es neben Sternstunden auch diverse unglückliche Zufälle gab. „Wer holte Depeche Mode nach Leipzig“, das war 2009 die große Frage – Jump wie behauptet oder doch der Veranstalter ARGO?Ungewöhnlich aber auch drei Episoden, bei denen es um Fernsehen, Falco und falsche Namen ging.

Ganz früh schon der Ausrutscher auf dem MDR-Fernseh-Parkett. „Jump TV Gala“ wurde es genannt, was am 1. Dezember 2001 im Leipziger Haus Auensee über die Bühne ging. „Premiere“ war das Vorhaben übertitelt. Letztlich fand es aber nur einmal statt. Schiewack damals im Nachgang: „Mit der TV-Gala brauchen wir uns nicht verstecken. Wenn die Hörer wollen, kann es eine Fortsetzung geben.” Rätselhaft bleibt, ob es eigene Einsicht oder das Veto der TV-Kollegen war, dass dieses Vorhaben nie wieder im Programm des MDR-Fernsehens auftauchte.

Schmerzlich in Erinnerung auch die „Jeanny“-Aktion aus dem Jahr 2007. Falcos Geburtstag war Anlass, sich auf Spurensuche zu begeben, was aus seiner „Jeanny“ hätte geworden sein können. Zu gewinnen gab es ein Wochenende in Wien. Blogmedien TV bemerkte: „Mit der Aktion ‚Jeanny‘ bewies das MDR-Programm Jump in dieser Woche nachhaltig, dass peinliche Aktionen keinesfalls Privilege von Privatsendern sind.“

Tino-Rockenberg (Foto:MarcoProsch)
Tino Rockenberg (Foto:MarcoProsch)

Brenzlig bis heute die Sache mit der „Jump Morningshow“. „Tino Rockenberg“ nennt sich der Mann, der sie moderiert. Dessen Stimme gehört aber einem Kollegen, der im wahren Leben Jörg Spranger heißt. Warum aus ihm bei Jump ein „Rockenberg“ werden musste, ist ungeklärt. Fakt jedoch ist, dass der Schwindel kurz nach dem Debüt aufgeflogen war. Schließlich hatte der spätere „Rockenberg“ vorher bei der Schwesterwelle Sputnik moderiert. Spranger geht bis heute bei Jump unter falschem Namen ans Mikro. Ein Bärendienst für den MDR, der gerade bei Jüngeren ein Problem mit der Glaubwürdigkeit hat.

Es gäbe noch viele Geschichten aufzuschreiben zum Thema MDR Jump. Festzustellen nach zehn Jahren aber ist: Jump hat sich etabliert, die Aufreger sind verstummt, die Radiowelt ist eine andere geworden, Jump ist nur noch einer von vielen. Offiziell gefeiert wird das Jubiläum scheinbar nicht. Stattfinden wird aber auch in diesem Jahr die „JCP – Jump Community Party“. Sie ist vom 30. Juli bis zum 1. August geplant und geht in „Ferropolis“ über die Bühne. Vier Monate sind noch Zeit. Die Radio-Werbung läuft seit Ende März.

Dieser Artikel von Bernd Reiher erschien am 4. April in der Leipziger Internet-Zeitung.

Link:
Ausschnitt Jump TV Gala im Netz

Audio Schiewack zu DT64 im Deutschlandfunk:
[podcast]http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2009/12/19/dlf_20091219_1727_a8586af5.mp3[/podcast]