TuneIn oder TuneOut? Webradio-Aggregator wird verklagt

James Cridland's Radio FutureSchenkt man dieser Geschichte Glauben, haben Sony Music Entertainment und Warner Music Group TuneIn in Großbritannien vor Gericht gezerrt. Sie klagen, so besagt es diese Geschichte, TuneIn habe gegen das Urheberrecht verstoßen.

Die Geschichte behauptet:

„Ein juristisches Dokument, das dem Fachmagazin MusicBusinessWorldwide vorliegt, legt nahe, dass die Konzerne eine Stichprobe von 800 nicht lizenzierten TuneIn-Musikstreams in Großbritannien als Beweise vorgelegt haben.“

Einzig und allein die Website müssen wir beim Wort nehmen, da Details nicht öffentlich zugänglich sind.

Ein Korrespondent rief mich an und fragte: „Also ist jedes einzelne Radio-Verzeichnis im Web, jede Streaming-App oder jeder Digitalradio-Empfänger illegal oder von Gerichtsverfahren bedroht?“. Soweit ich das beurteilen kann: Ja, bei einigen von ihnen könnte es so sein.

PRS for Music

Auf den ersten Blick machen Radio-Aggregatoren nichts falsch. Sie bieten nicht selbst eigene Inhalte an, sondern verweisen nur auf Angebote, die auf anderen Servern platziert sind – ungeprüft. Immerhin könnte man argumentieren, dass Google oder Twitter dies auch tun. In der physischen Welt überprüft die Post auch nicht den Inhalt jedes USB-Sticks, der per Brief verschickt wird.

Dennoch gibt es einige Schwierigkeiten. Ein Radio-Verzeichnis im Internet zeigt eine Reihe von redaktionellen Entscheidungen auf über das, was zu veröffentlichen ist (ich sollte es wissen, schließlich habe ich ein Angebot seit mehr als zwanzig Jahren laufen). Wann immer Sie eine redaktionelle Entscheidung hinzufügen, kommt Haftung für diese hinzu. Dadurch, dass Sie nicht jede einzelne Radiostation für einen Eintrag akzeptieren, haben Sie bewiesen, dass Sie die redaktionelle Kontrolle über die Einträge haben.

Was bedeutet „unlizenziert“? Im Falle eines Radio-Webverzeichnisses ist es nicht ganz so eindeutig, wie es zunächst scheint. Ein Radio, das im Schlafzimmer ertönt, läuft möglicherweise ohne Musiklizenzen. Das ist relativ einfach zu überprüfen: fragen Sie doch einfach mal nach den tatsächlich unterschriebenen Lizenzverträgen! (Wie ich erfahren durfte, ist dies eine nützliche und vernünftige Qualitätskontrolle: Radiostationen ohne Musiklizenzen sind in der Regel keine gute Sache).

Zug in Baltimore's Railway Museum 2009 (Foto: James Cridland)
Zug in Baltimore’s Railway Museum 2009 (Foto: James Cridland)

Musiklizenzen sind jedoch in der Regel nicht für internationale Zwecke erhältlich. Wenn ein beträchtlicher Teil Ihrer Zuhörer in einem anderen Land ist, müssen Sie in vielen Fällen extra eine Musiklizenz für dieses Land erwerben – und Sie müssen separat darüber Buch führen. Viele Sender behindern dadurch selber die eigene Produktion, da es schwierig ist, all dies ohne direkte Vereinbarungen mit Plattenfirmen richtig zu organisieren. (Der einzige internationale Musiksender, den ich kenne, ist Apple’s Beats1, der wahrscheinlich mehr direktere Vereinbarungen mit Plattenfirmen als Zuhörer hat).

TuneIn RadioKönnten sich also Plattenfirmen über Betthupferl-Radiostationen beschweren? Oder gilt ihr Interesse einzig den Streams von Rundfunkanstalten in anderen Ländern, die für ihre Verbreitung im Vereinigten Königreich nicht zahlen?

Schließlich finanzieren sich viele Hörfunk-Webverzeichnisse über vor den Streams platzierte Werbung – was eine weitere Komplikation hinzufügt, da diese Verzeichnisse scheinbar Profit aus diesen Streams schlagen (zumal es auch merkwürdig klingen, völlig unangemessen sein und sich in einigen Fällen als völlig illegal herausstellen kann).

GEMA-LogoWas auch immer diese Besonderheiten von TuneIn sein mögen – da sie noch nicht veröffentlicht sind, wissen wir nichts darüber. Wenn Sie meinen Rat hören wollen: Verringern Sie jegliche Abhängigkeit von TuneIn oder ähnlichen Diensten.

Erstens bedeutet dies, dass Sie nicht von der eigenen Website aus auf einen Radioservice Dritter verlinken oder dies als Hörmethode erwähnen sollten. Ich werde ständig durch die Menge solcher Werbung verwirrt, die die Radioindustrie diesen Leuten entgegen schallen lässt.

Zweitens: Da ihre Bedeutung von Google Home oder Amazon Alexa wächst, müssen wir prüfen, wie Zuhörer mit Google Home oder Amazon Alexa umgehen und wie sie über offizielle Quellen zuhören können anstatt sich auf ein Drittunternehmen verlassen zu müssen. Wenn Amazon oder Google standardmäßig auf einen Drittanbieter-Aggregator zurückgreifen, sollten sie vielleicht besser damit aufhören.

Drittens und wohl am wichtigsten: Arbeiten Sie mit Gleichgesinnten zusammen, um Teil einer offiziellen App in Ihrem Sendegebiet zu sein (Radioplayer oder RadioApp. Das belebt das Armaturenbrett des Autos, die intelligenten Lautsprecher und all die komplexen Dinge, die Sie mangels Geld nicht in eine eigene App einbauen können. (Vielleicht sollten Sie wie einer meiner Klienten mit den Leuten bei Radioplayer Worldwide ins Gespräch kommen).

Vielleicht ist diese mögliche rechtliche Bedrohung der Weckruf, den wir in der Radiobranche mal brauchen.

Wir besitzen unsere Sender, die die überwiegende Mehrheit unserer Zuhörer erreichen. Zukünftig sollten wir so viel wie möglich von unserem Vertriebsnetz besitzen. Sich auf ein Venture-Capital-finanziertes Dot-Com-Unternehmen als unseren wichtigsten Internet-Vertriebspartner zu verlassen, war nie ein guter Plan: Potenzielle Gerichtsverfahren bedeuten, dass es sich noch weniger als gute Idee erweist als jemals zuvor.


James CridlandDer Radio-Futurologe James Cridland, spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Er betreibt den Medieninformationsdienst media.info und hilft bei der Organisation der jährlichen Next Radio conference. Er veröffentlicht auch podnews.net mit Kurznews aus der Podcast-Welt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.crid.land. Kontakt: james@crid.land oder @jamescridland.