Das ist die größte Chance für Lokalradios in den USA

James Cridland's Radio FutureDie Aufhebung der Hauptstudio-Regel könnte zur größten Chance für Lokalradios irgendwo in den USA werden

Die USA sind der größte Radiomarkt der Welt. Ausgerechnet dort liegen entscheidende Veränderungen in der Luft. Seit 1934 bestimmt die FCC, dass eine Radiostation ihr Hauptstudio innerhalb ihres Sendegebiets und dort auch eine „sinnvolle Management- und Personalpräsenz“ vorhalten muss. Letzteres meint während der Sendezeiten anwesende Vollzeitmitarbeiter.

Kürzlich haben FCC-Entscheider dafür gestimmt, diese Regel zu streichen. Eine lokale Radiostation müsste demnach nur noch eine lokale Telefonnummer vorweisen können. Außer einer national gültigen, gebührenfreien Nummer wäre zukünftig nichts wirklich vor Ort erforderlich, jedenfalls keine lokalen Studios, keine Stimmen vor Ort, kein Büro vor Ort, keine lokale Anschrift und keine lokale Telefonnummer. Es genügt, den Namen des Lizenzortes in der stündlich zu verlesenden Stationskennung zu nennen – aber ansonsten kann die Station von einem tausende von Kilometern entfernten Server kommen und direkt über einen Sender in der Mitte von Irgendwo ausgestrahlt werden.

Ehrenvoll ergraute Radiomoderatoren haben natürlich zu ihren Waffen gegriffen. Ihrer Meinung nach sollte eine Lokalstation aus Irgendwo gefälligst auch ihren Sitz in Irgendwo haben und die größten Hits der Doobie Brothers für Irgendwo von einem armseligen heruntergewirtschafteten Studio in Irgendwo spielen können und die Bewohner von Irgendwo mit ihrem Wissen der Hitparaden überraschen. Sie wollen uns weiterhin klarmachen, dass „es heute heiß hergehen wird in Irgendwo“, spielen Sie doch großartigerweise zehn Titel hintereinander, darunter „einen ganz tollen der Doobie Brothers“.

Bar irgendwo in Oakland, Kalifornien  (Bild James Cridland, Mai 2011)
Bar irgendwo in Oakland, Kalifornien  (Bild James Cridland, Mai 2011)

Um Eines klar zu stellen: Die Abschaffung der „Hauptstudio-Regel“ ist seit vielen Jahren die beste Nachricht für US-Radios und deren Radiohörer.

Zum Einen:
Radio-Networks können den Anschein des „Lokalen „aufgeben . Sie können in das größte und beste Radioprogramm investieren, all diese sinnlosen, altmodischen Ortsvorwahlen und schrecklichen Büroräume vergessen, in die viel zu wenig investiert wurde. Stattdessen haben sie nun die Chance, eine klangvolle, nationale, überzeugende und relevante Radiostation zu entwickeln. Schließlich würde sich auch niemand weigern, Stephen Colbert oder Game of Thrones zu sehen, nur weil es nicht in und für Irgendwo produziert wurde. Für dieses Publikum wird das Radio passender, spannender und viel besser produziert. Das Marketing für diese Station kann landesweit erfolgen und damit in eine größere Liga aufsteigen; die nationalen Werbetarife werden steigen und das Radio wird eine geeignetere und weniger verwirrende Option für national Werbetreibende sein. Die Hörerzahlen werden steigen. Das Radio blüht auf. Welch ein glücklicher Tag!

Zum Anderen:
Nur, weil man etwas tun KÖNNTE, heißt das nicht, dass man es auch machen SOLLTE! So werden wir auch miterleben, dass wirklich lokale Radiostationen plötzlich auch beschenkt werden – denn viele ihrer „lokalen“ Konkurrenten werden aufgeben. Weniger Stationen, die sich als Lokalstationen ausgeben, weil sie Räumlichkeiten gegenüber des Einkaufszentrums, wo Großmeister und Verkäufer Bob nach dem Mittagessen so gerne sein Nickerchen macht, gemietet haben und mit einer billigen Konsole arbeiten, deren Fader permanent auf „Netzwerk“ steht. Was von ihrer lokalen Präsenz bleibt, wird verschwinden. Und jetzt können Stationen, die die „lokale“ Karte ausspielen wollen, dies tun – mit Sicherheit in dem Wissen, dass sie jetzt deutlich weniger lokale Konkurrenten haben. Wenn „lokal“ für Ihre Gemeinde etwas Bedeutendes ist – genial! FCC hat die dummen Leute ihre eigene Bankrotterklärung unterzeichnen lassen, also kann die Marke „lokal“ besetzt sowie in Nachrichten und Lokalmatadore investiert werden. Bei jedem lokalen Ereignis kann man dabei sein und den Löwenanteil der lokalen Werbung einstreichen. Die Hörerzahlen werden steigen. Das Radio blüht auf. Welch ein glücklicher Tag!

Die einzigen Radiosender, denen die Abschaffung der Hauptstudio-Regel weh tun wird, sind diejenigen, die irrtümlicherweise glauben, dass die Zuhörer in Irgendwo darauf achten, dass die Stimme, die ihnen gerade sagt, dass „dies der erste Doobie Brothers-Titel ist, bei dem Michael McDonald den Lead-Gesang übernommen hat“ – tatsächlich in dem Studio direkt über der inzwischen geschlossenen Pizzeria in der Marktstraße sitzt. Das werden sie nicht tun!

Stattdessen kommt die Abschaffung der Hauptstudio-Regel allen US-Amerikanern zugute. Wer sein Spiel landesweit spielen will, kann dies jetzt besser und kostengünstiger als bisher tun. Und wer vor Ort spielen will, hat das unglaubliche Geschenk in Form von weitaus weniger Konkurrenten. Egal, welche Art von Radio Sie hören möchten, Sie erhalten eine besser klingende Radiostation. Das Radio wird zum Gewinner – und der Tag ein wirklich toller!

 


James CridlandDer Radio-Futurologe James Cridland, spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Er betreibt den Medieninformationsdienst media.info und hilft bei der Organisation der jährlichen Next Radio conference. Er veröffentlicht auch podnews.net mit Kurznews aus der Podcast-Welt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.crid.land. Kontakt: james@crid.land oder @jamescridland.