Peter Oehler: „Musik wird teilweise wie Billigware beim Discounter verramscht“

hitradioohr logo hell big Es ist für den Privatsender HITRADIO OHR in der Tat ein Glücksfall, einen Mitarbeiter wie Peter Oehler in seinen Reihen zu wissen. Der bodenständige Schwarzwälder mit dem universell gelebten Repertoirewissen aus 50 Jahren Musikgeschichte versieht beim Offenburger Lokalsender bereits seit 1987 den Dienst als leitender Musikverantwortlicher – eine im deutschen Radio rekordverdächtig lange Zeit. 30 Jahre dem Sender die Treue gehalten, viele Chefs und Kollegen kommen und gehen sehen – beim Musikkonzept aber immer erfolgreich Kurs gehalten. Und dies in einer schwierigen Konkurrenzsituation zwischen starken öffentlich-rechtlichen Mitbewerbern aus dem Hause des Südwestrundfunks und privaten Regionalsendern wie Radio Regenbogen oder bigFM. Nicht zu vergessen die einstrahlenden Programme aus dem nahen Frankreich, die traditionell auch in der Ortenau über eine beachtliche Hörerschaft verfügen. Mit einer klugen Musikauswahl und konsequenter Nahraumberichterstattung hat HITRADIO OHR trotz aller Konkurrenz seinen Platz in der Region mit konstant starken Hörerreichweiten behauptet.

HITRADIO OHR Studio 1
HITRADIO OHR Studio 1

Peter Oehler hatte seine ersten musischen Erfahrungen im örtlichen Musikverein seines Heimatortes im tiefen Black Forrest mit dem Bespielen eines Waldhorns, fand aber mit dem Umzug nach Offenburg rasch Gefallen an der E-Gitarre. Erlernte das Instrument als Autodidakt, tourte lange Zeit mit angesagten lokalen Bands wie „Jud’s Gallery“, der „Jeff Harrison Band“ oder als Begleitmusiker von Costa Cordalis.

Zeitgleich arbeitete er beim damaligen Süddeutschen Rundfunk, wechselte aber 1987 – vielleicht auch aus landsmannschaftlicher Verbundenheit – als Mitarbeiter der ersten Stunde zum damals neu gegründeten RADIO OHR.

Seiner Leidenschaft zur Livemusik hat er übrigens behalten – als einer der besten Gitarristen der Region ist Oehler mit eigener Band noch immer sehr aktiv in der Ortenau zu hören.

Im Rahmen unserer Serie „Heimliche Radiohelden“ sprach RADIOSZENE mit Peter Oehler über seine Arbeit und die Veränderungen im Musikmarkt.


RADIOSZENE: Wie kamen Sie zum Radio?

Peter Oehler (Bild: HITRADIO OHR)
Peter Oehler (Bild: HITRADIO OHR)

Peter Oehler: Ich bin Quereinsteiger. Ein Freund mit dem ich in einer Band Musik machte, verhalf mir zu einem Job als „Programmgestalter“ beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart wo ich von 1980 bis 1984 als Freier Mitarbeiter tätig war.

RADIOSZENE: Welche Tätigkeitsfelder umfasst ihr Aufgabengebiet?

Peter Oehler: Ich bin für die Musikzusammenstellung für HITRADIO OHR und SCHWARZWALDRADIO verantwortlich.

RADIOSZENE: Welche Alben und Künstler stehen im privaten Musikarchiv von Peter Oehler ganz weit vorne?

Peter Oehler: Vor allem Gitarristen wie Carlos Santana, Jeff Beck, Larry Carlton, Neil Schon oder Robben Ford haben mich musikalisch beeinflusst. Natürlich haben deren Platten einen besonderen Platz in meinem privaten Musikarchiv.

RADIOSZENE: Sie sind selbst Musiker, inwieweit hilft diese Passion bei der täglichen Arbeit als Musikredakteur?

Peter Oehler: Ich denke ein Musiker bewertet die Qualität eines Songs anders als ein Nichtmusiker.

RADIOSZENE: Welche Bedeutung haben Musik und Musikspezialsendungen bei HITRADIO OHR?

Peter Oehler: Spezialmusiksendungen aller Couleur – außer Schlager und Volksmusik – sind ein wichtiger Bestandteil unseres Programms.

RADIOSZENE: Wie hat sich der Stellenwert der Musik im Radio im Laufe der Zeit verändert?

Peter Oehler: Das Radio ist immer noch ein Erfolgsmodell. Allerdings hat sich der Stellenwert der Musik vor allem beim jüngeren Publikum durch das Internet stark verändert. Musik ist überall verfügbar und wird teilweise wie Billigware beim Discounter „verramscht“.

HITRADIO OHR Studio 2
HITRADIO OHR Studio 2

RADIOSZENE: Kritiker werfen ein, dass in Zeiten des Formatradios die Musikredaktionen nur noch wenig Einflussmöglichkeiten auf die Musikabläufe haben. Welchen Einfluss haben Sie bei HITRADIO OHR?

Peter Oehler: In den 1990ern und Anfang der 2000er Jahre war „Formatradio“ ein großes Thema. Wir haben aber bald festgestellt, dass dies zur Folge hatte, dass alle Radios gleich klingen. Deshalb spielen wir auch Songs, die bei anderen Radios nicht laufen und das kann schon mal ein Musiktitel sein der die Zehnminutengrenze überschreitet.

RADIOSZENE: Die Bedeutung von Musiktests ist bei vielen Sendern enorm. Wie sehr beeinflussen diese Untersuchungen Ihre Arbeit beziehungsweise die Playlisten Ihrer Programme?

Peter Oehler: Natürlich schauen wir was andere Sender spielen. Vor allem deshalb um uns von unseren Konkurrenten abzusetzen. Dabei sind die „Deutschen Radiocharts“ ein wichtiges Tool um sich zu positionieren.

RADIOSZENE: Welche Musik ist bei Ihren Hörern derzeit besonders angesagt – und zeichnen sich neue Trends ab?

Peter Oehler: Der Trend geht ganz klar in Richtung Singer/Songwriter. Ganz vorne stehen da Leute wie Ed Sheeran oder Max Giesinger.

RADIOSZENE: Sind denn nach die Flut der großer Charterfolge – wie wir sie beispielsweise bis in die 1990er Jahre hatten – überhaupt noch wirklich neue Top-Hits möglich? Ist die Popmusik „kompositorisch“ gesehen überhaupt noch in der Lage regelmäßig generationsübergreifende Weltshits zu liefern?

Peter Oehler: Eigentlich wurde schon alles komponiert. Dennoch gelingt es immer wieder Hits zu schaffen. Das war übrigens auch schon in den 1970ern und 1980ern so, viele große Hits aus dieser Ära sind heute Coverversionen.

RADIOSZENE: Wie sehr haben sich Radio- und Musiklandschaft über die Jahre verändert?

Peter Oehler: Die größte und sichtbarste Veränderung ist die Digitalisierung. Schaut man in ein modernes Sendestudio sieht man dort wo sich früher Plattenspieler, CD- Player, Platten- oder CD-Regale befanden, nur noch Computer und Monitore. Dazu machen viele große Plattenstudios dicht, weil fast jeder Musikschaffende zu Hause am PC komponiert und produziert.

RADIOSZENE: Werden Streaming-Dienste den Radiokonsum nachhaltig beeinflussen? Die Single-Charts wurden durch Spotify zuletzt ja bereits schon etwas gedreht …

Peter Oehler: Ich denke schon. Dennoch hat das Radio eine Zukunft. Über Kurz oder Lang wird das Streamen oder Downloaden zu müßig und der Hörer drückt auf einen Knopf und lässt sich musikalisch vom Radio bedienen und bekommt zusätzlich Tagesinformationen und Nachrichten.

RADIOSZENE: Zuletzt hatte man den Eindruck, dass sich in den Single-Charts immer mehr Künstler bewegen, die bis vor kurzem völlig unbekannt waren. Täuscht dieser Eindruck und haben es die „großen Namen“ immer schwerer erfolgreich zu sein?

Peter Oehler: Mit einem neuen „unverbrauchten“ Künstler mit klangvollem Namen ist es für eine Plattenfirma einfacher einen Song zu platzieren. Dabei bleibt es dann auch in der Regel. Einen Nachfolgehit zu landen ist immer schwieriger.

RADIOSZENE: Welche Bedeutung haben die TOP 100 generell für Sie. Hat deren Bedeutung nachgelassen?

Peter Oehler: Die TOP 100 sind sehr wichtig. Der Hörer will auch die größten Hits daraus in seinem Radio hören. Etliche Broadcast Firmen bieten ein exaktes Monitoring der Radioszene an, davon machen auch wir Gebrauch.

RADIOSZENE: Welchen Stellenwert haben Newcomer und Neuheiten für das Programm von HITRADIO OHR?

Peter Oehler: Regionale Newcomer haben bei uns die Chance in einer Sonderstunde im Radio vorgestellt zu werden. Da wir ein Hit-orientiertes Radio sind, hören wir uns ganz genau an was an Neuem auf dem nationalen/internationalen Markt erscheint um sofort zu reagieren.

RADIOSZENE: Wie wichtig sind Radiokonzerte für Ihren Sender?

Peter Oehler: Radiokonzerte finden nur ganz sporadisch statt.

RADIOSZENE: Mit welchem Musikkonzept ist HITRADIO OHR im Markt aktiv? Wer sind Ihre härtesten Mitbewerber im Sendegebiet?

Peter Oehler: Wir spielen die Hits, aber auch Songs die man sonst nicht oder nur ganz selten im Radio hört. Damit positionieren wir uns erfolgreich zwischen unseren größten Mitbewerbern SWR3 und Radio Regenbogen.

Schwarzwaldradio-Logo, Foto: Berndhelmer/pixabay

RADIOSZENE: Sie verantworten auch die Musik beim bundesweit ausgestrahlten DAB+ Programm SCHWARZWALDRADIO. Wie unterscheidet sich dieses Format von HITRADIO OHR?

Peter Oehler: SCHWARZWALDRADIO ist kein aktuelles Hitradio. Dieses Programm spielt Musik aus den 1960ern, 1970ern und 1980ern. Dazu ausgesuchte qualitativ hochwertige Songs aus dieser Zeit, die kein anderes Radio spielt. Großen Wert legen wir auf Hörerwünsche. Deshalb verfügt SCHWARZWALDRADIO über eine der größten Musikrotationen.

RADIOSZENE: HITRADIO OHR verfügt bislang noch über keine Spartenkanäle im Internet. Besteht hier kein Bedarf bei ihrer Hörerschaft?

Peter Oehler: Bisher konnten wir das noch nicht feststellen. Sollte es da Bedarf geben, werden wir aktiv. Aktuell bieten wir ein umfangreiches Podcast-Angebot an das von unseren Hörern sehr gut angenommen wird.

RADIOSZENE: Welche Bedeutung hat deutsche Musik beziehungsweise haben deutsche Künstler derzeit bei Ihren Hörern?

Peter Oehler: Deutsche Künstler wie Max Giesinger, Mark Forster oder Adel Tawil genießen eine große Akzeptanz bei unsren Hörern und sind ein wichtiger Bestandteil unseres Programms.

RADIOSZENE: Wie hoch ist der durchschnittliche nationale Anteil in Ihrem Programm?

Peter Oehler: Der nationale Anteil inländischer Musik (Deutsch/Englisch) liegt bei etwa 30 Prozent mit durchaus steigender Tendenz.

RADIOSZENE: Wie wichtig ist die regionale/lokale Musikszene für Sie?

Peter Oehler: Sie liegt uns sehr am Herzen. Deshalb  stellen wir wöchentlich Musik und Musiker aus der Region vor.

RADIOSZENE: Welche besonderen Herausforderungen muss sich HITRADIO OHR beziehungsweise  die Branche allgemein in der Zukunft stellen?

Peter Oehler: Das Radio befindet sich in einer ganz neuen Konkurrenzsituation. Vor allem das Internet mit seinen unzähligen Streaming-Diensten, Internetradios und Downloadforen „knabbert“ ständig an der Hörerschaft und verursacht rasche Veränderungen. Deshalb ist es wichtig die komplette Szene mit den Mitbewerbern ständig im Auge zu behalten, damit man keinen Trend verschläft. Dennoch bleibt das Radio mit der richtigen Musik und Infos ein fester Bestandteil in der Medienlandschaft.

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