Feature von Horst Müller: „Böses Erwachen“

„Antenne Thüringen“ galt jahrelang als eines der privaten Vorzeigeradios in Deutschland mit hervorragenden Hörerzahlen, erfolgreichen Veranstaltungen und soliden Werbeeinnahmen. Das gute Image des Senders mit Hauptsitz in Weimar gerät zunehmend ins Wanken. Mitverantwortung für diese Entwicklung dürfte nicht zuletzt Geschäftsführer Hans-Jürgen Kratz wegen seiner eigenwilligen Personalpolitik haben. Seine ehemalige Erfolgsmoderatorin Sina Peschke kann er ab 8. Oktober wiederhören – beim direkten Konkurrenten „Landeswelle Thüringen“.

2. Oktober 2005. Wenn Hans-Jürgen Kratz, Geschäftsführer des Privatsenders „Antenne Thüringen“, in diesen Tagen durch Weimar fährt, wird er auf Plakatwänden immer wieder einen ihm wohl bekannten Namen entdecken: „Sina Peschke wechselt zum besten Musikmix. Wechseln Sie auch!“ ist dort in großen Lettern vor einem Halbportrait der Radiofrau zu lesen. Absender der Werbebotschaft ist Konkurrent „Landeswelle Thüringen“ mit Hauptsitz im 25 Kilometer entfernten Erfurt.

Plakat von "Landeswelle Thüringen"
Plakat von "Landeswelle Thüringen"

Glücksfall für die Konkurrenz

Für den dortigen Geschäftsführer Peter Zimmermann ist es ein offensichtlicher Glücksfall, dass die wohl populärste Moderatorin im Freistaat künftig immer am Samstagvormittag auf seinem Sender zu hören ist. Sicher nicht zu unrecht geht der agile Radiomanager davon aus, dass Sina Peschke für gute Hörerzahlen sorgen wird, schließlich hatte sie über Jahre hinweg als „Morgenfrau“ und Programmchefin zum Erfolg ihres bisherigen Arbeitgebers erheblich beigetragen.

Sina Peschke
Sina Peschke

Warum die frühere Quotenbringerin seit geraumer Zeit nicht mehr im Programm von „Antenne Thüringen“ zu hören war, ist selbst internen Kennern schleierhaft. Als sie 1995 die Moderation von „Guten Morgen, Thüringen“ übernahm, verhalf sie dem bis dahin eher dümpelnden Programm zu einem erstaunlichen Hörerzuwachs. Innerhalb eines Jahres stieg seinerzeit die Zahl der Hörer von 140.000 auf 222.000 in der Durchschnittsstunde. Nachdem sie zusätzlich noch die Programmleitung übernommen hatte, erreichte der Sender im Jahr 2000 sogar über 300.000 Hörer. „Antenne Thüringen“ war damit nicht nur Marktführer im eigenen Sendegebiet, sondern gemessen an der technischen Verbreitung auch eines der erfolgreichsten Radioprogramme bundesweit.

Abwärtstrend war nicht zu stoppen

Als sich Sina Peschke zur Geburt ihres ersten Kindes vorrübergehend aus dem Sender verabschiedete, gingen nahezu parallel die Hörerzahlen nach unten. Ihren Nachfolgern in der Programmleitung, dem glücklosen Wolfgang-Johannes Krause und Jens-Uwe Meyer, der im Februar 2004 zu „Antenne“ kam, gelang es nicht, den Abwärtstrend zu stoppen. Entsprechend schlecht sei seitdem die Stimmung im Haus gewesen, berichtet ein ehemaliger Mitarbeiter. Die Folge – populäre Radiomacher verließen die im Weimarer Hilton-Hotel angesiedelte Station, nicht selten in Richtung privater oder öffentlich-rechtlicher Konkurrenten.

Mit den beliebten Moderatoren trennten sich auch immer mehr Hörer von „Antenne Thüringen“. Ehemals kultige Veranstaltungen wie die sommerliche „Beach-Party“ am Stausee Hohenfelden fanden erheblich weniger Zuspruch. Während vor Jahren noch bis zu 20.000 Fans des Senders zu der damals von Sina Peschke präsentierten Open-air-Party in der Nähe von Erfurt pilgerten, verloren sich im August 2005 gerade mal ein paar Tausend Unentwegte auf dem Freiluftareal am Seeufer. Schuld an dem Debakel sei nicht etwa die gesunkene Popularität der Radiomacher, sondern allein das schlechte Wetter gewesen, ist in der Senderchronik auf der Website www.antennethueringen.de nachzulesen.

Schlechtes Wetter kann jedoch kaum als Ausrede für die ebenfalls dramatisch gesunkenen Hörerzahlen geltend gemacht werden. Nach der zuletzt im Sommer 2005 veröffentlichten Media-Analyse schalteten nur noch 187.000 Hörer pro Stunde das Programm ein. Obwohl der Sender innerhalb eines Jahres damit mehr als 20% seiner Klientel verloren hatte, freute sich Geschäftsführer Kratz in einer Pressemitteilung über „seinen absoluten zweiten Platz im Freistaat“.

„Landeswelle“ auf der Überholspur

Ob er diesen Rang noch lange halten kann, erscheint fraglich. Noch gibt sich Peter Zimmermann, Geschäftsführer des Konkurrenten „Landeswelle Thüringen“, zurückhaltend: „es ist schwer, einen Erstlizenznehmer wie Antenne zu überflügeln“. Dennoch hat der im Februar dieses Jahres angetretene Radiochef seinen Sender auf die Überholspur geschickt. Von „Antenne Thüringen“ übernahm er Nachrichtenchefin Doreen Kister. Maik „Scholle“ Scholkowsky wurde von „Radio SAW“ in Sachsen-Anhalt für die Morgenschiene angeheuert. Mit Sina Peschke hofft Zimmermann nun den Abstand zum führenden Privatsender im Freistaat weiter verringern zu können. Dafür startete er Anfang Oktober sogar eine ungewöhnlich groß angelegte Plakatkampagne.

Bei „Antenne Thüringen“ wird angesichts dieser Entwicklung das Rumoren insbesondere über die Personalpolitik des Senderchefs Hans-Jürgen Kratz immer lauter. Zur Veröffentlichung der nächsten Radiozahlen im Frühjahr 2006 könnte es ein böses Erwachen geben, fürchten längst nicht nur die eigenen Mitarbeiter. Wie lange die Gesellschafter, darunter RTL-Group, Madsack-Gruppe und Suhler Verlagsgesellschaft, an ihrem Geschäftsführer noch festhalten, ist ungewiss. Auf einen einflussreichen Förderer kann der 52jährige gelernte Schriftsetzer ohnehin nicht mehr zählen. Erst Ende Juli musste der Vorsitzende des wichtigen Gesellschafterausschusses, Werner Griego, seinen Posten räumen. Der Süddeutsche Verlag hatte sich zuvor als Mehrheitseigner der Verlagsgruppe Hof/Coburg/Suhl von seinem örtlichen Geschäftsführer getrennt – „mit sofortiger Wirkung“.

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