Radio 2.0 – Radio nach Jürgen Klinsmann

Schaltreport_250So oft Jürgen Klinsmann in der Kabine Xavier Naidoo´s „Dieser Weg“ rotieren ließ, hätte er nach seinem Ausscheiden als Bundestrainer allemal das Zeug zu einer veritablen Karriere beim kommerziellen Radio. Er wäre außerdem den Umgang mit Dekaden-Claims gewöhnt („´54-´74-´90-2006“) und er könnte sich dank seiner kalifornischen Wahlheimat auch das „California Aircheck“-Abo sparen und die besten Shows selbst tapen („Hasch den Ramptalk gehört, isch abartig guut!“).

Da jedoch vorerst einmal nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich Jürgen Klinsmann nach dem deutschen Fußball nun des deutschen Radios annimmt und mit innovativen Trainingsmethoden an die Weltspitze zurückführt, muss die deutsche Radioszene nun selbst schauen, wo es seine Innovationen herbekommt.
Und auch, wenn Jürgen Klinsmanns Trainingsmethoden als Role Model für alle Branchen von der Politik, über die Managergilde, die Dirigenten bis hin zur allgemeinen ostdeutschen Lebensführung (siehe Super-Illu) etwas überstrapaziert ist, so wäre es andererseits auch fahrlässig, überhaupt nichts aus seiner Reformarbeit zu übernehmen – das deutsche Radio ist tatsächlich manchmal ein wenig zu „DFB“:

Was man sich abschauen könnte:

Klinsmann nutzt das Know-how anderer Branchen und schafft den Transfer in die eigene Disziplin (Hockey-Trainer, US-Fitnesstrainer mit Gummibändern), im Falle Radio wäre es also durchaus eine Idee, sich On-Air-Promotion-Elemente von TV-Programmen abzuschauen oder Sounds aus der Computerspielbranche zu nutzen, um nur zwei naheliegende Beispiele zu nennen.

Der Nachwuchs spielt im deutschen Fußballteam eine zentrale Rolle, das Durchschnittsalter ist mit 23 Jahren bemerkenswert jung. Und auch, wenn für das erfolgreiche Arbeiten beim Radio die Physis einen geringeren Stellenwert einnimmt als im Fußball, so ist es doch wert, um junge Talente zu kämpfen, die die Berufsoption „Radio“ oft nicht einmal andenken und sich anderen, „cooleren“ Gattungen wie Online, Agenturen oder TV zuwenden.

Klinsmann und auch Jogi Löw haben konsequentes Benchmarking betrieben und die derzeit effektivsten Fußballtaktik nach Deutschland gebracht, vorgelebt von den erfolgreichen europäischen Spitzenclubs in Manchester, Liverpool, Madrid, Barcelona und Mailand.
Viele Radiomanager orientieren sich oft hauptsächlich am eigenen Markt und den eigenen Konkurrenten, international gibt es oft viel neuen, innovativen Input (nicht nur in den USA).

Und nicht zuletzt haben Klinsmann und Löw eine Kultur etabliert, die auch Fehler zulässt und toleriert, anders ist mit einer offensive Spielweise auch schwer zum Erfolg zu kommen.

In diesem Sinne wäre dem deutschen Radio zu wünschen, in Zukunft in der Programmgestaltung ein wenig häufiger auf ein 5:3 zu spielen als ein sicheres 1:0 über die MA zu retten…


Christian Schalt06 110

Christian Schalt

(Programmdirektor KISS FM Berlin)

Kontakt: http://www.xing.com/hp/Christian_Schalt