Verzögert sich Digitalradio-Start wegen AKM-Tantiemen?

oesterreich adler dab

Österreich war im Europa-Vergleich nicht nur bei der Einführung von Privatradio spät dran (1997), sondern tut sich auch schwer mit der digitalen Transformation des Hörfunks, sprich Einführung von DAB+, wenn auch aus anderen Gründen. Einerseits sträuben sich nach wie vor die beiden größten Programmanbieter Österreichs gegen die Digitalisierung (vgl. “Wir schaffen es auch ohne ORF und KRONEHIT”), andererseits verzögert nun vielleicht auch die Verwertungsgesellschaft AKM, die die Künstlerabgaben von den Radiosendern an die Musikurheber verteilt, den geplanten Start des Digitalradio-Regelbetriebs.

Foto: Verein Digitalradio Österreich/APA-Fotoservice/Roßboth
Foto: Verein Digitalradio Österreich/APA-Fotoservice/Roßboth

So jedenfalls sieht es der „Verein Digitalradio Österreich„, der über die massiven AKM-Forderungen an die neuen DAB+Projekte verärgert ist und befürchtet, dass der Start des geplanten DAB+Regelbetriebs gefährdet ist. Die AKM will nämlich die gleichen Entgelte  verrechnen wie für die UKW-Sender, obwohl rein technisch nur ein Bruchteil der österreichischen Bevölkerung überhaupt in der Lage ist, digitales Radio zu empfangen. Die Kosten für die technische Verbreitung stehen daher in keinem gesunden Verhältnis zu den Künstlerabgaben. Österreich verlangt außerdem – nach Dänemark – im Europa-Vergleich die meisten Tantiemen von seinen Hörfunksendern.

Die Pressemeldung des Vereins Digitalradio Österreich vom 8. Juni 2017 im Wortlaut:

AKM verzögert durch Wucherkonditionen den Start von Digitalradio in Österreich

Die Verwertungsgesellschaft AKM verlangt von den 11 Hörfunkveranstaltern, die am bundesweiten Digitalradioprojekt teilnehmen, zu Beginn des Sendestarts Mindestentgelte von insgesamt rund zwei Millionen Euro jährlich und nach Erreichen der Ausbauphase 4 rund fünf Millionen Euro. Demgegenüber einigten sich die Hörfunkveranstalter kürzlich mit der die Künstler und Tonträgerhersteller vertretenden LSG auf einen neuen Tarif, der berechnet für elf Sender jährlich 66.000 Euro beträgt.

Matthias Gerwinat
Matthias Gerwinat

Die AKM fordert daher Tarife, die das 30- bis 75-fache (!) des Tarifs der LSG betragen. Begründet wird diese absurd hohe Forderung damit, dass solange der Urheberechtssenat noch nicht über neue Satzungen und Tarife entschieden hat, jene Tarife begehrt werden, die für analoge Privatradios gelten. „Dieser Ansatz ist absurd, weil jeder Haushalt in Österreich über mindestens ein Radio verfügt, während Digitalradios noch nicht stark verbreitet sind. Durch die Forderung der AKM droht nun eine Verzögerung des Starts von Digitalradio um mindestens ein Jahr“, beklagt Matthias Gerwinat, Geschäftsführer des Vereins Digitalradio Österreich.

Rechtsanwalt Michael Krüger bastelt bereits an einer Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der AKM wegen des Verdachts auf Geldwucher und an einer Anzeige bei der Bundeswettbewerbsbehörde.

Wegen der bestehenden Rechtsunsicherheit warten nun viele Digitalradioprojekte noch mit ihren Vertägen mit dem technischen DAB+ Dienstleister ORS.  Bis Montag, 12.07.2017 um 13:00 Uhr, müsste die ORS den Antrag für die Zulassung des bundesweiten Multiplex allerdings schon abgegeben.

Der AKM-Privatradio-Tarif setzt sich zusammen aus einem Prozentsatz vom Umsatz des Senders und einer Mindestsumme, die sich nach der Einwohnerzahl des Sendegebiets (technische Reichweite) richtet, auch wenn nur ein kleiner Teil der Einwohner Digitalradios besitzt. Theoretisch wären bei einem Vollausbau des Digitalradio-Netzes mit AKM-Gebühren von über 460.000 Euro pro Jahr und Sender zu rechnen.

Herbert Visser (Bild: 100% NL)
Herbert Visser (Bild: 100% NL)

Zum Vergleich: In den Niederlanden betragen die Kosten für eine landesweite Verbreitung pro Sender und Jahr via UKW etwa ein- bis eineinhalb Millionen Euro, eine landesweite Abdeckung über DAB+ (je nach Netz und Ausfallsicherheit durch Reservesender) zwischen 70.000 und 140.000 Euro, wie der Geschäftsführer von den landesweiten Privatradios SLAM! und 100% NL, Herbert Visser, RADIOSZENE auf Anfrage bestätigte. Die Mindestsätze der niederländischen Verwertungsgesellschaft BUMA/STEMRA betragen für Regionalsender demnach nur 2.500 Euro und für landesweite Sender 25.000 Euro pro Jahr und Radiosender. Holland verlangt von seinen Radiosendern generell etwa ein Drittel weniger als Österreich.