Gefahr aus dem All

Schaltreport_250Herzliche Konkurrenz unter deutschsprachigen Radiosendern ist ja nichts Neues, man erinnere sich nur an den Radio-Krieg in Berlin in den 90ern oder den Privatradiostart in Wien. In den USA ist das naturgemäß noch einmal eine Spur heftiger und richtete sich bisher meist gegen Clear Channel, „the villain“. Ich erinnere mich noch gut, als ich 2000 im Foyer der amerikanischen NAB Conference als guter Europäer eine Zigarette rauchte* und neben mir einige Globalisierungskritiker angekettet und lautstark gegen Clear Channel demonstrierten und sich daraufhin eine Rangelei mit den überraschten Polizisten lieferten.

Dieser Tage stehen die amerikanischen Privatradios jedoch united, wie man in den USA ja gerne sagt. Diesmal geht es gegen die Gefahr aus dem All. Hintergrund ist, dass die Satellitensender Sirius und XM eine Fusion angekündigt haben. Die beiden waren auch bisher am Hörermarkt recht erfolgreich, weil sie zum ersten Mal Programme mit nationaler Verbreitung anbieten konnten, das gleich auch noch in hundertfacher Zahl mit Spartenprogrammen von Musik bis zu bekannten Personalities wie Howard Stern – das ganze natürlich werbefrei, weil abo-finanziert.

Dass jeder der Sender allerdings rund 1 Milliarde Dollar in den Aufbau des Netzes gesteckt hat, ist nur ein Grund, weshalb beide Sender, sagen wir einmal, nicht gerade zu Lieblingen der Börsianer wurden. Die Zulassung vor einigen Jahren haben die beiden Sender jedoch nur bekommen, weil sie schriftlich zugesagt haben, niemals zu fusionieren, was sie jetzt in kühler Ignoranz dennoch angekündigt haben.

Was daraufhin folgte, war der Beginn einer Lobbying-Schlacht, wie es das amerikanische Radio noch nicht erlebt hat: Radio gegen Radio. In der linken Ringecke: die NAB, die Vereinigung der amerikanischen Broadcaster, angeführt vom jung-dynamischen und gut vernetzten David K. Rehr, der im übrigen in seinem letzten Job Chef der US-amerikanischen Bier-Lobbyisten war. In der rechten Ringecke: Sirius und XM, angeführt vor allem vom smarten Mel Karmazin, der in der traditionellen Radiowelt vor allem als charismatischer CEO des CBS-Networks bekannt war.

Die Argumente der Satellitenradiobetreiber sind naheliegend. Sie erhoffen sich von der Fusion Vorteile in drei Bereichen:
Costs (geringer für die Betreiber),
– Variety (Zuwachs für den Konsumenten durch Zugang zu beiden Networks),
– Innovation (Zunahme durch Konzentration auf neue Programme statt auf ähnlichartige Konkurrenzprodukte).

Die NAB argumentiert ebenfalls mit drei Argumenten gegen den Merger:
– Costs (höher für die Konsumenten durch neue geschaffenes Monopol),
– Variety (geringer, da nur noch ein Dienst abonniert werden kann),
– Innovation (keine, da Monopolstrukturen dem widersprechen).

Die Auseinandersetzung spitzt sich zu. Die NAB kämpft auf breiter Front gegen den Merger, mit ganzseitigen Inseraten und einer eigens eingerichteten Website.

In den nächsten Wochen und Monaten müssen die zuständigen Behörden in den USA entscheiden. Für unbeteiligte Beobachter biete sich also noch für einige Zeit die Möglichkeit zu verfolgen, wie neue Technologien zu neuen Allianzen und neuen Feinden führt.

P.S.: Wer gegen die Fusion unterschreiben möchte, kann das hier tun:
http://www.nab.org/am/aspcode/forms/takeAction.asp

Die Anti-Merger-Seite der NAB http://www.xmsiriusmonopoly.org/
Die Pro-Merger-Seite von XM http://www.xmradio.com/merger/news.xmc
Präsentation von Sirius für Investoren
http://investor.sirius.com/downloads/InvestorPresentation022007.pdf

NAB Sirius XM

* Ich kann mir an dieser Stelle nicht einen amerikanischen Haftungsausschluss–Scherz verkneifen: Rauchen verursacht schlimme Krankheiten, kann sogar zum Tode führen. Meine Äußerung ist rein deskriptiver Natur und soll in keiner Weise zum Rauchen aufrufen oder die Gefahren des Rauchens verharmlosen. Jegliche Haftungsansprüche gegen mich oder JB sind ausgeschlossen.


Christian Schalt06 110

Christian Schalt

(Programmdirektor KISS FM Berlin)

Kontakt: http://www.xing.com/hp/Christian_Schalt

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