FluxFM-Chef Markus Kühn: „Noch nie so viel gute Musik wie heute“

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Hört man sich um bei den Musikschaffenden, welche Radiosender jenseits der Hitformate für die Labels bei ihrer Promotionarbeit von Bedeutung sind und sich bei der Durchsetzung neuer Künstler besonders hervortun, fallen meist die Namen der üblichen Verdächtigen, also Fritz, 1LIVE, radioeins, SWR3 – und FluxFM.

Letzteres Programm spielt bei den Reichweiten zwar eher in einer unteren Liga, dennoch scheint das Angebot so etwas wie der Hecht im Karpfenteich der deutschen Musikradios zu sein. Vor allem auch, weil FluxFM von Machern aus der Musikwirtschaft gegründet wurde, die das Ziel interessante und neue Künstler zu präsentieren nie aus den Augen verloren hatten.

Mabo Sonson Winson (Bild: Flux FM)
Mabo Sonson Winson (Bild: Flux FM)

So findet sich dieses Credo auch auf der Internetseite des Senders für jeden sichtbar nochmals glaubhaft wie in Stein gemeißelt: „Überall auf der Welt entsteht in jeder Sekunde wunderbare neue Musik, die dank moderner Technologie schnell ihren Weg rund um den Globus findet. Berlin entwickelt sich dabei immer mehr zum Hotspot der globalen Musikszene. Flux ist Teil dieser Szene und versteht sich als Orientierungshilfe und Schaufenster. Neue Künstler hört man bei uns zuerst“. Dass dies im Radio möglich ist, belegt die gerade erschienene ma 2017 radio I: Demnach konnte sich FluxFM im hart umkämpften Hörfunkmarkt der Hauptstadt erneut eindrucksvoll behaupten.

Tim Renner (Bild: Medienboard)
Tim Renner (Bild: Medienboard)

Rückblick in die 2000er: Gemeinsam mit der Ex-MTV-Managerin Mona Rübsamen starteten die ehemaligen Universal Music Manager Markus Kühn und Tim Renner im Jahr 2004 das Radioprogramm Motor FM. Im Jahr 2007 erhielt der Sender durch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg die leistungsstarke UKW-Frequenz 100,6 zugeteilt. Auch in Bremen und Stuttgart war das Programm zeitweise terrestrisch zu hören. Die Verbreitung über UKW wurde in Bremen im Februar 2015 und in Stuttgart am 1. Januar 2016 eingestellt. Zum 23. August 2011 erfolgte nach Differenzen im Gesellschafterkreis die Umbenennung in FluxFM, eine Marke, die bis dahin ausschließlich für temporäre Veranstaltungsprogramme von Motor FM genutzt worden war. Seitdem wird das Szeneradio erfolgreich durch das Gespann Mona Rübsamen und Markus Kühn geleitet.

Mona Rübsamen und Markus Kühn (Bild: FluxFM)
Mona Rübsamen und Markus Kühn (Bild: FluxFM)

Tim Renner, einstiger Gesellschafter, verfügt bis heute über die Namensrechte von Motor FM. Unter dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, wurde Renner 2014 Kulturstaatssekretär des Landes Berlin. Zuletzt kündigte der umtriebige Musikmanager an, bei der Bundestagswahl 2017 für die SPD als Bundestagsabgeordneter kandidieren zu wollen.

Markus Kühn und Mona Rübsamen (Bild: FluxFM)
Markus Kühn und Mona Rübsamen (Bild: FluxFM)

FluxFM versteht sich selbst als „Radio, Onlinemedium, Community und Veranstalter: Ein Netzwerk und eine Plattform für vielfältige Aktivitäten und Szenen. Der Fokus liegt auf Popkultur, Netzkultur und urbanes Leben. Als Teil einer internationalen Radio-Allianz informiert FluxFM über das musikalische Geschehen und Trends in der Welt“.

Im Jahre 2013 wurde der Sender in der Kategorie „Medienpartner des Jahres“ mit dem Musikpreis „Echo“ ausgezeichnet. Am 9. April 2014 erhielt FluxFM auf der MUSEXPO 2014 den „International Music Industry Award“ als „Radiostation des Jahres“.


RADIOSZENE-Mitarbeiter sprach mit FluxFM-Gründer und Geschäftsführer Markus Kühn über Musik, Programm und die Zukunft des Radios.

RADIOSZENE: Der Sender feierte im letzten Jahr sein 10jähriges Bestehen. Wie hat sich das Programm seit Sendestart entwickelt?

Markus Kühn: FluxFM hat zwar erst fünfjähriges Bestehen gefeiert, aber es fühlt sich an, als würden wir das schon ewig machen. Spaß macht es aber immer noch. Unser Programm setzt nach wie vor auf gute handverlesene Musik, die man auf den meisten Sendern so nicht hört. Durch die neuen Sender auf FluxMusic finden inzwischen auch Genres ihren Weg ins Programm, die vorher kaum eine Rolle gespielt haben, wie z.B. Soul/Funk, Jazz, Hiphop und moderne Klassik. Im Wortbereich behandeln wir viele Kultur- und Gesellschaftsthemen – oft gemeinsam mit Gästen und Experten, die wir dazu einladen.

RADIOSZENE: Der Sender setzt weiter auf Musikrichtungen wie Alternative-Musik, Independent, und Elektronische Musik. Genres, die zunehmend auch von Webradios bedient werden. Wächst die Konkurrenz?

Markus Kühn: Eigentlich wird doch inzwischen jedes Genre von Webradios bedient. Aber umgekehrt werden wir über das Internet auch mehr und mehr außerhalb unseres terrestrischen Sendegebiets gehört. Wir sehen die Vorteile der Digitalisierung und der zunehmenden Unabhängigkeit von knappen UKW-Sendekapazitäten. Letztlich geht es darum, ein gutes Programm zu machen.

Mona Rübsamen (Bild: ©FluxFM)
Mona Rübsamen (Bild: ©FluxFM)

RADIOSZENE: Nach welchen Kriterien suchen die Verantwortlichen die Musik aus?

Markus Kühn: Qualität, Qualität und Qualität.

RADIOSZENE: Wie hoch ist Anteil neuer Musik? Erhalten Sie noch ausreichend kreativen „Nachschub seitens der Musikwirtschaft?
Markus Kühn: Der Anteil neuer Musik liegt ziemlich konstant bei 40 Prozent. Nachschub ist kein Problem – im Gegenteil. Ich glaube, es gab nie so viel gute Musik wie heute. Auch das haben wir sicherlich dem Wegfall der vertrieblichen Flaschenhälse zu verdanken.

RADIOSZENE: Wie sehr lässt sich FluxFM bei der Musikgestaltung von aktuellen Trends aus einschlägigen Bestenlisten oder dem Web/sozialen Medien treiben?

Markus Kühn: Ehrlich gesagt schauen wir selten bis nie in Bestenlisten. Wir sind gut vernetzt, kriegen mit, was in der Szene passiert, und setzen lieber Trends als ihnen nachzulaufen. Durch unser großes musikverrücktes Team einerseits und die vielfältigen Einflüsse unserer zahlreichen Besucher und Gäste andererseits, entgeht uns nicht viel.

(Bild: ©FluxFM)
(Bild: ©FluxFM)

RADIOSZENE: Kollegen anderer Sender beklagen einen Rückgang bei Anzahl und Qualität einsetzbarer Veröffentlichungen aus dem Bereich Indie Rock. Teilen Sie diese Einschätzung?

Markus Kühn: Nein. Im Gegenteil. Mit der großen Menge verfügbarer Musik kommt zwar auch ein gewisse Gleichförmigkeit, so dass man schon öfter mal denkt: „Das habe ich irgendwie schon 100x gehört“. Anderseits gibt es aber auch immer noch jede Menge Perlen. Man muss eben danach suchen. Es lohnt sich auch immer, über den Tellerrand von Genres zu schauen. Oder auch mal in die Vergangenheit. Die schiere Masse an verfügbarer neuer Musik macht Kuration und redaktionellen Kontext für den Musikfan heute so wichtig.

RADIOSZENE: Hat sich über die Jahre die anvisierten Hörerschaft verändert?

Markus Kühn: Die Zielgruppe für vielfältige Musik jenseits des Mainstreams wird größer, weil sich Musikgeschmäcker immer mehr differenzieren. Das ist eine positive Entwicklung. Die FluxFM-Hörerschaft ist hingegen demographisch so vielfältig wie die Musik, die wir spielen. Auffällig ist allerdings ein hoher Bildungsgrad: 60 Prozent geben einen Hochschulabschluss, 25 % Abitur und 4 % Promotion/Habilitation als höchsten Abschluss an.

Die FluxFM-Zielgruppe (Bild: ©FluxFM)
Die FluxFM-Zielgruppe (Bild: ©FluxFM)

RADIOSZENE: Eigentlich könnte ein FluxFM-vergleichbares Musik-Format doch viel häufiger auch durch die ARD-Anstalten veranstaltet werden. Wo sehen Sie die Gründe für die Zurückhaltung im öffentlich-rechtlichen Lager?

Markus Kühn: Es gäbe neben unserem auch noch viele andere Formate, die es privatwirtschaftlich schwer haben und deshalb von den ÖRs veranstaltet werden sollten, wie z.B. Jazz, Klassik, Weltmusik, Kinderprogramme, Nachrichtenwellen. Ich würde mich freuen, wenn Rundfunkgebühren dazu verwendet würden, eine möglichst große Vielfalt zu schaffen, das heißt eben solche Formate zu senden, die der Markt nicht von alleine hervorbringt. Warum das nicht passiert, kann ich nur vermuten.

RADIOSZENE: Funktioniert Ihr Konzept nur in urbanen Räumen oder hat FluxFM auch eine echte Chance in Flächenstaaten oder ländlichen Räumen?

Markus Kühn: Gute Musik hat überall eine Chance. Grundsätzlich also ja. Im Moment behandelt FluxFM allerdings auch viele Berlin-Themen. Hier müsste man sicherlich ein Stück weit regionalisieren.

RADIOSZENE: Wie hoch ist der Wortanteil im Programm und welche Themen bedienen Sie?

Markus Kühn: FluxFM war schon immer ausgesprochen journalistisch – und besonders für einen unabhängigen privaten Sender. Durch die anfängliche Zusammenarbeit mit und spätere Übernahme der Netzeitung hat das Wortprogramm ein hohen Stellenwert. Wir behandeln täglich eine Vielzahl politischer, gesellschaftlicher und kultureller Themen.

(Bild: ©FluxFM)
(Bild: ©FluxFM)

RADIOSZENE: Sie verfügen noch immer über einen hohen Anteil an musik-journalistischen Sendungen. Wie bewerten Sie deren Stellenwert?

Markus Kühn: Musikjournalistische Sendungen sind uns sehr wichtig und wir haben hier mit Sendungen wie „Das große Ganze“ oder „Rock’n’Role Models“ sogar noch zugelegt. Mit dem entsprechenden Kontext erschließen ganz neue Musikwelten viel einfacher. Das macht nicht nur uns sondern auch den Hörern Spaß. Oft entdecke ich selbst im eigenen Programm wahnsinnig schöne Musik, die ich bisher überhaupt nicht auf dem Zettel hatte, und frage mich, warum ich da erst jetzt drauf komme.

RADIOSZENE: Wer moderiert die Sendungen? Eigengewächse oder auch Zugänge von anderen Sendern?

Markus Kühn: Unsere Moderatoren sind alle Eigengewächse. Viele sind auch schon seit dem Start von FluxFM dabei. Wir haben da wenig Fluktuation. Der Stellenwert ist unverändert hoch, schließlich sind sie das „Gesicht“ des Senders und auch der Grund dafür, warum sich so viele Künstler und Gäste hier besonders wohl und verstanden fühlen.

RADIOSZENE: FluxFM hat zuletzt die lokalen Frequenzen in Stuttgart und Bremen wieder aufgegeben und konzentriert ich terrestrisch nur noch in Berlin über UKW senden. Was sind die Beweggründe?

Markus Kühn: Unsere Frequenzen in Stuttgart und Bremen waren zu klein, um es zu rechtfertigen, dort jeweils eigene Programme mit regionalen Inhalten zu produzieren und zu senden, die unseren hohen inhaltlichen Anforderungen genügen. Mehr Sinn macht es da, in zusätzliche deutschlandweit über das Internet empfangbare Angebote zu investieren. Unsere Zielgruppe ist technisch gut ausgestattet und sehr internetaffin.

(Bild: ©FluxFM)
(Bild: ©FluxFM)

RADIOSZENE: FluxFM beteiligt sich bislang nicht an DAB+ Projekten. Zuletzt gab es Signale, die DAB+ im Aufwind sehen. Wie sehen Sie grundsätzlich die Zukunft von digitalem Radio in Deutschland und für Ihren Sender im Besonderen?

Markus Kühn: Die Vorstellung, dass ein heute 14-Jähriger, der es gewohnt ist, die ganze Welt in seinem Smartphone zu haben, in Zukunft ein Gerät kaufen wird, mit dem er 20 Programme, die er sich nicht selbst ausgesucht hat, hören kann, fällt mir zugegebenermaßen schwer. Für private Sender ist DAB+ auch kostentechnisch kaum darstellbar.

RADIOSZENE: Wie wichtig sind für Sie bei der Programmausrichtung die Online-Welt sowie die sozialen Netzwerke?

Markus Kühn: Online ist der wichtigste Verbreitungskanal für uns. Unsere terrestrische Nutzung kann ich schwer verlässlich beziffern, da die MA-Ausweisungen erheblich schwanken. Eine Marktforscherin rechnete mir mal vor, dass eine Schwankung von bis zu 900 Prozent methodisch nicht zu vermeiden sei. Im Internet hingegen wachsen wir kontinuierlich und ich gehe davon aus, dass wir hierüber mindestens so viele Hörer wie über UKW erreichen.

RADIOSZENE: FluxFM verfügt über ein großes Bündel von sehr kreativen Spartenangeboten im Internet. Welche Rolle spielen die kuratierten Channels bei Ihrer Strategie und wie stark werden sie von den Hörern genutzt?

Markus Kühn: Das Internet ist für uns der wichtigste mediale Verbreitungsweg der Zukunft, insofern spielen die über FluxMusic verbreiteten Sender eine wesentliche Rolle. Wir freuen uns, über die stark zunehmende Nutzung des Angebots, was wir in Zukunft noch erheblich ausbauen werden.

(Bild: ©FluxFM)
(Bild: ©FluxFM)

RADIOSZENE: Über welche Quellen finanziert sich Ihr Sender maßgeblich?

Markus Kühn: Wir müssen uns maßgeblich über Werbung finanzieren, da die Rundfunkgebühren ja ausschließlich an die ÖRs verteilt werden. National vermarktet uns die RMS und regional die TOP Radiovermarktung. Dazu kommen noch sog. Sonderwerbeformen, also integrierte Kampagnen, die wir selbst mit Kunden wie Jägermeister, Adidas oder VW entwickeln.

RADIOSZENE: Wie sehen Sie die Zukunft für FluxFM und Radio generell?

Markus Kühn: Die Zukunft für FluxFM und Radio im Allgemeinen sehen wir sehr positiv. Menschen treffen nicht gerne Entscheidungen. Und selbst solche, die das hauptberuflich tun, genießen es, wenn sie es mal nicht tun müssen. In einem Zeitalter, in dem man die ganze Welt auf seinem Smartphone hat, ist die Frage „Welchen der 40 Millionen Songs höre ich als nächstes?“ eine unglaublich komplizierte geworden. Es ist daher keine Überraschung, dass der Großteil der Nutzung bei Spotify auf den „Mix of the Week“ entfällt. Denn was ist der „Mix of the Week“? Ein auf die Musik reduziertes Minimal-Radioprogramm. Man muss kein Prophet sein um zu erkennen, dass gut gemachtes Radio auch in Zukunft eine wesentliche Rolle in der Musik- und Mediennutzung spielen wird. Dazu kommen die „klassischen“ Gründe für die Radionutzung: vertraute Stimmen, das Gefühl, live an der Welt teilzunehmen, Strukturierung des Tagesablaufs usw. Über 75 Prozent der Nutzung von z.B. SONOS-Geräten entfällt auf Radio. Die Formate werden sich sicherlich noch weiter differenzieren, aber grundsätzlich ist das Medium Radio für die Zukunft sehr gut gerüstet. FluxFM profitiert in dieser Entwicklung davon, eine klare Positionierung und eine hohe Glaubwürdigkeit zu besitzen – eben eine gute Marke zu sein.